Aufmerksam ließ Morwen ihren Blick über die Umgebung gleiten. Niemand schien in der Nähe zu sein. Immer wieder ließ sie Dûr anhalten, um einen Moment lang zu lauschen, doch die Umgebung schien vollkommen ausgestorben zu sein.
Warum ist hier niemand?, fragte sich Morwen besorgt, ist die Schlacht schon vorüber? Und wenn sie das ist, warum warten Vaters Truppen dann nicht längst auf mich?
Einige Zeit, bevor sie den Erebor erreichte, stieg Morwen von Dûrs Rücken herunter. „Warte hier auf mich. Ich rufe dich, wenn ich mehr weiß."
Während Morwen sich langsam auf das Haupttor des einsamen Berges zubewegte, ruhte ihre rechte Hand auf Nachtklinges Griff. „Es wird alles gut werden", murmelte sie, wie um sich selbst davon zu überzeugen.
Plötzlich nahm Morwen aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Reflexartig zog sie Nachtklinge und ein lautes Klirren verriet ihr, das ihr dies keinen Moment zu früh gelungen war.
In Erwartung eines weiteren Angriffs wirbelte Morwen herum - und blickte in die grünen Augen einer Elbenfrau. Diese ließ ihre langen Dolche gerade sinken. „Verzeiht", murmelte sie heiser, „ich hielt euch für einen Ork, der die Schlacht überlebt hat."
Misstrauisch musterte Morwen die rothaarige Elbin, die ihr gegenüberstand. Diese jedoch wich ihrem Blick aus.
„Dann ist die Schlacht also vorbei?", wollte sich Morwen vergewissern und die andere Elbin nickte stumm.
„Die Zwerge haben gewonnen?" Morwen musste die Antwort nicht abwarten, eine lebendige Elbin in der Nähe des Erebors hatte ihr längst verraten, wer die Schlacht gewonnen hatte. Und ebenso, wer sie verloren hatte.
Erneut nickte die Elbin und Morwen sah überrascht, dass sich in ihren grünen Augen Tränen sammelten.
„Was ist geschehen, dass Ihr so unglücklich seid?", erkundigte sich Morwen sanft. Noch nie hatte sie zusehen können, wenn es jemandem schlecht ging. Ihr Vater hatte zwar immer gesagt, dies sei ein Zeichen von Schwäche, doch oft genug hatte Morwen erlebt, dass ihr diese Eigenschaft dabei geholfen hatte, die Diener ihres Vaters schneller zu heilen.
„Habt Ihr jemals geliebt?" Die Stimme der Elbin war kaum mehr als ein Flüstern. Morwen schüttelte den Kopf. „Dann seid dankbar dafür, denn dann könnt Ihr Euren Liebsten nicht verlieren." Eine schimmernde Träne lief ihre Wange hinunter. „Die Schlacht mag gewonnen sein, doch ich habe sie verloren. Die Zwerge haben ihren Berg zurück, doch Kíli wurde mir genommen."
Sie hat sich in einen Zwerg verliebt?, schoss es Morwen durch den Kopf. Und noch dazu in einen Zwerg aus Durins Linie. Sie hätte wissen müssen, dass Vaters Heere alles daran setzen würden, Durins Nachkommen zu vernichten.
Bevor Morwen jedoch etwas sagen konnte, wandte sich die Elbin ab. „Ihr versteht es nicht." Bitterkeit klang in ihrer Stimme mit. „Niemand kann verstehen, dass eine Elbin sich in einen Zwerg verliebt."
„Wartet." Als die Elbin davongehen wollte, hielt Morwen sie auf. „Vielleicht könnt Ihr mir helfen, es zu verstehen. Vielleicht würde das auch Euch helfen."
Die Elbin drehte sich zu Morwen um und tiefe Traurigkeit war in ihren Augen zu lesen. „Es gibt in Mittelerde keine Hilfe für mich", murmelte sie, „mein Weg führt mich fort vom Erebor." Sie zögerte einen Moment. „Aber wenn Ihr mich begleiten wollt, könnte ich versuchen, es Euch zu erklären, wenn Ihr es wirklich verstehen wollt."
Morwen blickte sie überrascht an. Aber ich muss doch versuchen, meinen Vater zu finden. Doch sie spürte, dass die Elbin nicht allein reisen wollte, wohin diese Reise auch führen mochte. Also nickte Morwen und die Elbin blickte sie dankbar an.
„Ich heiße übrigens Morwen", stellte sich Saurons Tochter vor. Einen Moment lang wunderte sie sich darüber, dass sie ihren wirklichen Namen benutzte, doch sie schob alle Zweifel beiseite.
Die Elbin führte eine Geste aus, wie Morwen sie nur selten gesehen hatte: den traditionellen Gruß der Elben. Verwundert erwiderte Morwen und der Hauch eines Lächelns flog über das Gesicht der Elbin. „Und ich bin Tauriel."
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Morwen, Tochter Saurons
FanfictionNachdem ihr Vater Sauron durch Galadriels Macht aus seinem kurzzeitigen Zuhause Dol Guldur vertrieben wurde, ist Morwen allein. Sie muss lernen, sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und nach Möglichkeit geheimzuhalten, wer sie wirklich ist. Ab...