Kapitel 58

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Nach dem Empfangskomitee hatte ich mit genau der gleichen Übertriebenheit beim Essen gerechnet, aber die gab es nicht. Nach einem kleinen Vorspeisensalat gab es ein zwar unglaublich leckeres Pfannengericht, doch das hätte wohl sogar ich hinbekommen.

Ok, das wäre vielleicht etwas übertrieben, denn seit meines kürzlich erfolgten Kochversuchs mit Nicolai hatten sich meine Fähigkeiten kein Stück weiter entwickelt. Trotzdem war geschnittenes Gemüse mit ein paar Gewürzen und Käse überbacken fast schon etwas enttäuschend zu dem was man hier sonst so zu essen bekam.

"Also Vic, wir warten. Traditionen müssen weitergeführt werden." Anscheinend war ich kurz etwas abwesend gewesen und habe etwas verpasst. gespannt schaute ich zu Vic, die sich darauf erhob.

"Ich garantiere für nichts. Das ist lange her", antwortete sie Alessandro.

"Worum ging es?", fragte ich Lou, die neben mir saß.

"Früher haben wir uns immer mal wieder getroffen und Vic war die einzige, die sich zugetraut hat, etwas zu kochen. Wenn wir also etwas essen wollten, ohne die Angestellten zu belästigen, musste Vic in die Küche!, erklärte sie und ließ mit ihrer Art, das zu erzählen wohl alle am Tisch in Erinnerungen schweben.

"Und was genau hat sie zubereitet?", fragte ich in die Runde.

"Das beste Club-Sandwich das du je in die Hände bekommen wirst." Seine Erklärung stillte meine Neugier nicht wirklich, ganz im Gegenteil.

"Um der Tradition richtig nachzugehen, sollten wir nun aber auch rüber gehen. Wer nicht betrunken ist, bekommt keins in die Hände". forderte Alexander uns auf, aufzustehen und ihm zu folgen.

"Ich wusste ja gar nicht, dass du abergläubisch bist, Bruder."

Augenverdrehend ging er auf mich zu, um den Stuhl nach hinten zu ziehen und mir beim Aufstehen zu helfen.

Im Raum angekommen sah ich zum ersten Mal den Billardtisch, von dem Sebastian schon einige Geschichten erzählt hat. Demnach zu urteilen, sollte man sich von ihm wohl eher fernhalten.

Mein Blick schwenkte durch den Raum und entdeckte ebenfalls eine Dartscheibe und verschiedene Konsolen.

"Ist das da wirklich eine Wii?", fragte ich belustigt in den Raum und zeigte mit dem Finger auf sie.

"Sag nichts falsches. Die gehörte bis jetzt zu jeder guten Party dazu", ermahnte mich Sebastian spaßeshalber.

Der Barkeeper zauberte unsere erste Runde schneller als man gucken konnte und ich fragte mich, wie man sich nur all diese Zutaten merken konnte, denn was sie da bestellten, hörte sich nicht nach irgendwelchen Standard-Cocktails an. Wobei, was weiß ich schon? Vielleicht sind sie es in diesen Kreisen ja.

Was auch immer Lou für mich ausgesucht hatte, schmeckte fantastisch, aber leider auch gar nicht, als ob dort Alkohol drin wäre. Wenn ich eins gelernt hatte, dann dass das gefährlich werden würde.

"Da ist sie ja, die wichtigste Person bei dieser Tradition", informierte uns Lou über Vitorias eintreten.

"Dann greift mal zu", eröffnete sie das Festmahl, wodurch ich verstehen lernte, was die anderen meinten.

"Wow, das ist wirklich unfassbar lecker", brachte ich erstaunt über meine Lippen und hielt mir dabei die Hand vor den Mund.

"Was soll das denn heißen?", fragte Vic mich mit hochgezogener Augenbraue.

"Ich - also ich wollte nicht-", stammelte ich vor mich hin bis ich bemerkte, dass sie mich angrinste und Alesandro bereits am lachen war.

"Keine Sorge, ich weiß was du meintest." Freut mich, dass es dir auch so gut schmeckt wie uns", beruhigte sie mein Herz.

_____

Mittlerweile hielt ich bestimmt schon den fünften Cocktail in der Hand und ob es gut aussah, wie ich mich zur Musik bewegte, interessierte mich schon lange nicht mehr.

"Gott hört doch endlich auf so ernst zu gucken und habt Spaß!", schrie Lou die Männer der Runde an und versuchte sie wohl böse anzuschauen, was ihr eher weniger gelang.

"Ganz genau! Das hier ist kein Arbeitstreffen", unterstütze ich meine neu gewonnene Freundin, die daraufhin triumphierend zu ihrem Ehemann sah.

Der schien von ihrer Art allerdings gar nichts zu halten, denn sein Blick verfinsterte sich und nachdem er sein Glas auf dem Billardtisch abgestellt hatte, ging er langsam auf sie zu, was ihr wohl Angst einjagte.

"Benimm dich, Lou. Wir kommen gleich."

Gerade als sie etwas sagen wollte, gab er ihr durch ein Handzeichen zu verstehen, dass er es nicht hören will.

Etwas eingeschnappt verschränkte sie ihre Arme.

"Verdammt, wo kommt denn dieses Verhalten her?", fragte er sie völlig ernst und ich konnte schon ahnen, worauf das hier hinausläuft.

Nachdem sie ihm nur frech entgegen sah und wohl nicht einmal im Traum daran dachte, ihn weiter mit den anderen in der Ecke stehen zu lassen und über Finanzen zu reden, drehte Alexander sich zu den anderen Beiden: "Wenn ihr uns kurz entschuldigt. Ich muss meiner Frau ihr schlechtes Benehmen ausvögeln."

Geschockt über die Ehrlichkeit und Wortwahl sah ich zu Lou, die allerdings nicht Angst erfüllt wirkte,ganz im Gegenteil. Sie schaute ihn an, als hätte er ihr gerade die größte Liebeserklärung gemacht, was schon etwas schräg war.

"Tut euch keinen Zwang an", gab ihm Alexander dann anscheinend die Erlaubnis sich ein Zimmer zu suchen.

Wie immer zeigte der Alkohol im falschen Moment seine Wirkung, denn irgendwas in mir bewegte mich dazu, mich einzumischen: "Ich fliege in weniger als 12 Stunden in ein anderes Land und du bildest dir ein, auch nur eine Minute davon Lou aus diesem Zimmer bringen zu dürfen?"

Er schien nicht halb so geschockt von meinem Verhalten zu sein, wie ich es selbst war. Zu allem Überfluss war ich auch schon leicht am Lallen, was mir doch ziemlich die Bestimmtheit in meiner Stimme nahm.

"Wer hat etwas von raus gehen gesagt?"

Chained to the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt