#26 Gleiche Meinung

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Dylan

Als ich am Morgen die Haustür öffnete, da es geklingelt hatte, schloss ich diese wieder so schnell. Den letzten, den ich sehen wollte, war Austin. Genervt stieg ich die Treppen wieder hoch, wo mich Ruby, von der obersten Stufe aus, fragend anschaute.

„Wer klingelt hier so früh?", kam Calvin verschlafen aus seinem Zimmer. „Austin", brummte ich. „Und du hast einfach die Tür zugemacht?", fragte Ruby empört. „Scheint so", zuckte ich mit den Schultern, wobei ich mich wieder umdrehte, um nach unten zu laufen.

Erneut klingelte es, aber ich ignorierte es. Ruby tat es mir leider nicht gleich, denn ich hörte, wie sie anfing sich mit Austin zu unterhalten. Austin hatte sich den restlichen Vortag nicht bei mir gemeldet, wodurch ich sauer war. Ich verstand nicht, was daran so schwer war eine kurze Nachricht zu schreiben. Seufzend ließ ich mich mich mit einem Kaffee auf einem Küchenstuhl plumpsen.

„Dylan?", hörte ich es hinter mir von Austin. „Ich möchte nichts hören, geh", forderte ich. „Dylan", kam es dieses Mal enttäuscht von ihm. „Nichts Dylan, geh bitte einfach", wiederholte ich.

Ein kurzes aufstöhnen ertönte, bevor ich wahrnahm, dass die Haustüre geschlossen wurde. Ruby setzte sich zu mir und blickte mit gerunzelter Stirn zu mir. Mal wieder versuchte ich es zu ignorieren, da ich nicht in der Stimmung war über den Vortag zu reden.

„Möchtest du ihn wirklich so abweisen?", fragte Ruby. „Weis ich noch nicht, aber erstmal schon", meinte ich. „Dylan, so bist du normalerweise nicht", fiel ihr auf. „Seit wann, darf ich nicht mehr sauer sein?", hob ich meine Augenbrauen. „Das kann man im Kalender anstreichen", schmunzelte sie.

Es kam wirklich selten vor, dass ich auf jemanden sauer war, besonders bei so einem belanglosem Thema. Man konnte mein Gefühl schon eher als frustriert oder verletzt bezeichnen.

„Was machen wir denn heute noch schönes?", lenkte ich vom Thema ab. „Ich treffe mich später noch mit Jamie. Du solltest dein Problem mit Austin klären. Er hat wirklich eine gute Begründung, die ich mir zumindest angehört habe", warf Ruby mir vor. „Ist gut", seufzte ich ergeben.

Sofort breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. Ich wusste, dass mich dieses Mädchen noch irgendwann in mein Unglück überreden würde. Wahrscheinlich konnte ich von Glück reden, dass das noch nicht passiert war. Ich exte den Rest meines fast kalten Kaffees herunter, bevor ich die Tasse etwas zu geräuschvoll abstellte.

„Ist Calvin eigentlich wieder schlafen gegangen?", wunderte ich mich über seine Abwesenheit. „Hast du etwas anderes erwartet? Den darfst du doch in den Ferien nicht vor elf Uhr ansprechen", witzelte Ruby.

Calvin und ich waren beide keine Frühaufsteher, aber ich war zumindest besser ansprechbar als er. Er war meist nur schlecht gelaunt und gab die dümmsten Sprüche, die es gab, von sich.

„Ich bin dann jetzt mal weg", stand Ruby auf. „Wir schreiben", umarmte ich sie zum Abschied. „Auf jeden Fall und du klärst das mit Austin, wehe wenn nicht", löste sie sich grinsend.

Ich beobachte noch, wie Ruby das Haus verließ. Zwar war ich gegenüber ihr eingeknickt, aber ich kämpfte noch immer mit mir selber.

Ich war nicht mehr zu Austin gegangen, sondern hatte mich mit Casper am See verabredet. Für ihn kam es natürlich gelegen, da seine Eltern wieder Mal nur am Streiten waren. Caspers Mutter hatte es noch nicht geschafft eine neue Unterkunft zu finden, wodurch es noch schlimmer wurde. Gemeinsam saßen wir auf einem Handtuch, während wir auf den See blickten.

„Manchmal überlege ich einfach zu verschwinden. Wen würde das schon interessieren?", philosophierte Casper. „Uns, deine Freunde. Egal, wie schwer es derzeit mit deinen Eltern ist, es wird besser werden. Vielleicht nicht morgen oder übermorgen, aber irgendwann ist es so weit", versuchte ich ihn aufzumuntern. „Du kümmerst dich immer um uns, aber was ist mit dir?", erkundigte er sich.

Kurz musste ich schwer schlucken. Das war eine sehr ungewöhnliche Frage für Casper, denn es war auch das letzte womit ich rechnete. Seufzend lehnte ich mich nach hinten, wobei ich mich auf meine Unterarme abstützte. Tatsächlich fing ich an ihm zu erzählen, was zwischen mir und Austin gelaufen war. Meine Hoffnung war, dass er es wieder vergessen würde, da er schon genug getrunken hatte.

„Scheiße, Dylan. Du musst das mit Austin klären. Vielleicht hatte er wirklich eine gute Begründung, dass er nicht bei deinem Spiel war", meinte Casper. „Warum sind denn alle der gleichen Meinung?", seufzte ich. „Weil du einfach blöd bist", schnaubte er, wodurch er einen Klaps auf den Hinterkopf von mir kassierte.

Ich konnte es nicht glauben, dass selbst Casper der gleichen Meinung war, wie Ruby. Wenn die beiden sich gegenüber stehen würden, würden sie sich gegenseitig ankeifen, dass der andere Unrecht hätte.

„Dyl, kann es sein, dass du Gefühle entwickelst?", starrte Casper in die Ferne. „Nein", antwortete ich mit fester Stimme.

Ganz ehrlich, ich war mir noch nicht Mal sicher. Ich wusste kaum etwas über Austin. Er ließ mich noch nicht Mal wirklich an sich ran. Unsere Gespräche verliefen oberflächlich. Es ärgerte mich schon, dass er mir anscheinend nicht vertraute. Natürlich konnte es auch sein, dass ich mir das einbildete.

„Cas, wie lange ist es eigentlich her, dass du nüchtern warst?", wollte ich mich mal nach dem aktuellen Stand erkundigen. „Ein paar Wochen", zuckte Casper mit den Schultern.

Von Zeit zu Zeit erkundigte ich mich darüber, da ich mir Sorgen machte. Mir gefiel es nicht und ich hatte schon oft genug ohne Erfolg auf ihn eingeredet. Ich konnte Casper verstehen, aber es konnte nicht die Lösung sein. Meine Hoffnung war noch immer stark, dass sich sein Konsum um einiges verringern würde, wenn seine Mutter auszieht.

„Was hält dich davon ab mit Austin zu reden?", wollte Casper wissen. „Keine Ahnung. Mein Ego? Meine Unsicherheit?", versuchte ich selber zu erraten. „Ich würde schätzen, dass du einfach keine wirkliche Ahnung hast, was dein Problem ist. Du machst aus einer Mücke einen Elefanten. Natürlich, war es für dich wichtig, dass er sich sein Spiel anschaut, aber hast du es ihm auch so gesagt?", vermutete er.

Wow, so langsam fing ich an zu bezweifeln, dass Casper etwas getrunken hatte. Solche Sachen kamen nur Nüchtern aus ihm heraus. Leider hatte er nur recht. So weit hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Casper lehnte sich auch nach hinten zu mir, wobei ich merkte, dass mir wirklich kein Geruch von Alkohol entgegenkam.

Laut seufzte er auf, bevor er sich komplett hinlegte. Die Augen hatte Casper geschlossen, wodurch seine langen Wimper zur Geltung kamen. Jedes Mal aufs neue könnte ich ihn dafür beneiden. Dadurch das Caspers Oberteil hochgerutscht war, sah ich, dass er nach langer Zeit Mal wieder etwas zugenommen haben musste, wodurch ich lächeln musste. Manchmal verfluchte ich es, dass ich auf solche Details achtete.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt