#6 Ach Casper

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Dylan

Zusammen mit Casper saß ich in meinem Zimmer, da ich nicht unten mit ihm reden wollte. Er wusste, dass mein Zimmer so etwas wie ein sicherer Ort war. Vorsichtig schmierte ich ihm eine Creme auf sein aufgeschürftes Knie. So viel zum Thema, er hatte sich nicht verletzt.

„Du kannst ruhig reden, während ich mich um dein Knie kümmere", wies ich Casper hin. „Mom und Dad haben nun endgültig die Scheidungspapiere eingereicht", fing er an zu erzählen, aber musste kurz unterbrechen, da er auf zischte. „Ich habe mir nicht weh getan", äffte ich ihn blöd nach.

Casper schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber musste dann schmunzeln. Kurz atmete er tief durch, bevor er einen Schluck von seinem Bier nahm.

„Auf jeden Fall haben die beiden mir nun die Wahl gegeben. Mom will wegziehen, aber Dad möchte in dem Haus bleiben", offenbarte er mir nun sein Problem. „Cas, ich kann dir da leider nicht wirklich einen Rat geben. Ich weiß, dass du hier nicht weg möchtest, aber du musst wissen mit wem du besser zurecht kommst. Und das auf Dauer", meinte ich.

Mein Rat war nicht hilfreich, aber ich konnte nicht mehr zu der Situation sagen. Für mich persönlich kam beides nicht in Frage, da beide viel von Casper abverlangten. Er musste nun selber abwägen, was für ihn auf Dauer besser war. Leider konnte er nicht Bäumchen wechsele dich alle paar Tage machen.

„Ich werde mit beiden nicht auf Dauer klar kommen. Es ist kompliziert. Weißt du, was ich meine?", fragte Casper. „Natürlich, aber du musst dich wohl oder übel für einen entscheiden", meinte ich, während ich den Verband um sein Knie fest zog. „Dann wird es wohl Dad", seufzte er, wobei er sein Bein von meinem nahm. „Nur weil du hier bleiben möchtest?", hakte ich nach.

Casper schaute mich verwundert an, aber schüttelte dann mit dem Kopf. Die Reaktion irritierte mich leicht, aber ich hoffte auf eine Erklärung, die auch recht schnell kam.

„Manchmal habe ich das Gefühl, dass Mom nur auf ihn abfärbt. Vielleicht fällt dann ein bisschen Druck weg", erklärte er mir. „Das kann natürlich sein. Vielleicht hast du recht und es geht Mal wieder ein bisschen Berg auf", versuchte ich positiv zu bleiben. „Zusätzlich bin ich schon immer mit Dad besser klar gekommen", lächelte er.

Mit einem Nicken stimmte ich zu. Caspers Vater hatte ich ihn früher Lacrosse gezeigt, wodurch wir eine lange Zeit im gleichen Team waren. Wenn der Druck nicht gewesen wäre, wären wir es noch immer. Naja, nun hörte ich auch auf.

„Ich danke dir auf jeden Fall für deinen Rat und das Bier", stand Casper auf, wobei er die leere Flasche auf meinen Schreibtisch stellte. „Kein Problem", lächelte ich.

Da Casper den Weg aus dem Haus kannte, verschwand er dann auch schon. Kurz schloss ich meine Zimmertür ab. Unter meiner Matratze kramte ich mein Notizbuch hervor. Über die ganzen Jahre hatte ich angefangen dieses zu führen, damit ich mir solche Gespräche oder Geheimnisse zu notieren. Es blieb auch nie lange am gleichen Ort, wodurch ich es dieses Mal, mit Hilfe meines Schreibtischstuhles, auf meinen Kleiderschrank legte. Auf das Notizbuch legte ich noch eine Reisetasche, die auf dem Schrank am verstauben war. Als ich wieder in den Garten kam, waren Riley und Lina schon weg.

„Hilfst du bitte mit", lief Mom mit einem Stapel Teller an mir vobei. „Hast dich richtig an Riley rangemacht", sprach ich Calvin an, als ich das Besteck vom Tisch zusammen sammelte. „Von ranmachen können wir nicht sprechen. Ich habe mich nur mit ihr unterhalten", widersprach Calvin mir. „Das sah aber anders aus", grinste ich zu ihm. „Stimmt, bei uns lief es besser als bei dir und Austin. Der hat schon Kopfschmerzen vorgetäuscht, damit er vor dir abhauen konnte", lachte er.

Ich kommentierte seine Aussage nur mit einem Augenrollen, welches er nicht sah, da ich rein lief. Fein säuberlich sortierte ich das bereits gestapelte Geschirr in die Spülmaschine. Aufeinmal spürte ich eine Hand auf meine Schulter, wodurch ich kurz zusammenzuckte. Der Teller, welcher in meiner Hand war, zerfiel in viele kleine Scherben.

„Geh hoch, ich schaffe den Rest schon", lächelte Mom mich an, während sie die Hand von meiner Schulter nahm. „Was wolltest du denn von mir?", wollte ich wissen. „Ich wollte nur wissen, ob es Casper so weit gut geht. Er sah nicht sonderlich glücklich aus", nannte sie mir eigentliches Anliegen. „Nicht wichtig", winkte ich das Thema ab.

Mom hatte Mal etwas am Rande von Caspers Situation mitbekommen, wodurch sie sich natürlich auch für sein Wohlergehen interessierte. Damit sich keiner an den Scherben verletzte, besorgte ich mir schnell einen Besen und Handfeger aus der Abstellkammer. Zusätzlich wollte ich aus dem Gespräch mit Mom flüchten, aber da hatte ich wohl die Rechnung ohne sie gemacht. Sie hatte es sich auf einen der Hocker an der Theke bequem gemacht.

„Dylan, wenn es bei Casper schlimmer wird, kannst du gerne mit mir reden", bot Mom mir wie so oft an. „Nein, es ist alles beim alten", log ich. „Ich sehe, wie du nachdenkst", schaute sie mich skeptisch an. „Nicht wegen Cas", sagte ich nur, während ich den Handfeger, mit den Scherben, im Mülleimer leerte.

Moms Blick trug so viel Skepsis in sich, dass ich fast redete, aber ich konnte dagegen ankämpfen. Natürlich, war Caspers Situation in meinem Kopf, aber auch das Training am nächsten Tag. Ich verstand auch noch nicht so ganz, warum Mom wollte, dass wir gut mit den Nachbarn klar kamen. Der erste Eindruck hätte meiner Meinung nach genügen müssen.

„Ich gehe noch joggen", entschloss ich. „Ich komme mit", meldete sich Calvin von der Couch aus zu Wort.

Ich warf Calvin einen verwirrten Blick zu, da er fürs Joggen zu viel getrunken hatte. Mit einem Kopfschütteln signalisierte ich ihm, dass ich ihn nicht mit dabei haben wollte. Unter anderen Umständen hätte ich damit kein Problem gehabt.

„Viel spaß", lächelte Mom mich an, womit sie mich indirekt aus dem Gespräch entließ.

In meinem Zimmer zog ich mich um und nahm mir meine Kopfhörer. So laut wie es funktionierte, schaltete ich die Musik ein. Ich wollte nicht weit laufen, aber meinen Kopf ein wenig freibekommen. Von meinem Fenster aus konnte ich zu Austins Zimmer herüber schauen. Es war fast komplett dunkel bei ihm, nur eine kleine Nachttischlampe brannte. Im Zimmer daneben brannte dafür Licht. Ich konnte Riley sehen, wie sie am telefonieren war. Bodentiefe Fenster konnten schön sein, solange man keine Nachbarn hatte. Anstatt Riley weiterzubeobachten, wie ein Stalker, schlenderte ich aus meinem Zimmer.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt