#46 Alex

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Dylan

Wenige Millimeter schwebte Austin über mir. Nur noch ein Blatt hätte den Platz zwischen unseren Lippen füllen können, nur weil ich mich Mal wieder nicht traute. Austin mache keine Anstalten es dieses Mal zu übernehmen.

Enttäuscht von mir selber, legte ich meinen Kopf zur Seite, wodurch er von mir runterging. Wir lagen so nah aneinander, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten.

„Es tut mir leid",wisperte ich. „Ist schon in Ordnung, es war ein stressiger Tag", lächelte Austin mich aufmunternd an.

Nein, es war für mich nicht mehr in Ordnung. Es machte mich fertig, dass ich meinen Mut nicht tief in meiner Seele zusammengekratzt bekam. Schon lange hatte mich nichts mehr so extrem frustriert. Ich musste endlich reden. Langsam setzte ich mich auf, wobei ich die Decke, wie einen Anker in der Not, an mich heran zog.

„Erinnerst du dich noch daran, dass ich gesagt habe, dass ich eine lange Zeit dachte, dass Lacrosse mich ausmacht?", fragte ich unsicher, weswegen Austin nickte. „Tatsächlich dachte ich das bis zum Ende hin", kratzte ich mich nervös im Nacken.

Es fiel mir schwer über meine Gefühle zu reden, wodurch ich aufstand. Ich dachte, dass Bewegung mir helfen würde.

„Wie du schon gemerkt haben solltest, ist meine letzte Beziehung ziemlich schief gelaufen", redete ich weiter, wobei ich versuchte nicht zu Austin zu schauen. „Er, Alex, hat mir die ganze Zeit über zu verstehen gegeben, dass ich nichts ohne ihn wäre", rollte mir die erste Träne über die Wangen.

Tief durchatmen, sprach ich innerlich zu mir selber. Das letzte, was Austin in dem Moment sehen sollte, war wie verletzlich ich war. Er durfte mich einfach nicht weinen sehen. Angespannt lief ich weiter durch mein Zimmer.

„Ich, Idiot, habe ihm das geglaubt. Was sollte ich auch anderes? Natürlich haben meine Freunde immer versucht mich vom Gegenteil zu überzeugen, aber das hatte er noch am selben Tag kaputt gemacht", blieb ich kurz stehen, wobei ich meinen Stirn gegen meinen Kleiderschrank lehnte. „Dylan, du musst mir das jetzt nicht erzählen", legte Austin von hinten seine Arme um mich.

Natürlich musste ich nicht, aber ich wollte. Es war zwar sehr anstrengend für mich, aber auch erleichternd. Austin sollte wissen, dass ich nicht immer so war, wie er mich nun kannte. Beruhigend streichelte er mir mit seinem Daumen über den Bauch. Als er merkte, dass ich weiter laufen wollte, ließ er mich los.

„Ich dachte oft, dass ich von seiner Existenz abhängig wäre. Ein Funken Hoffnung, dachte das gleiche bei ihm, aber nein. Er hat mich betrogen. Mehrfach wie ich später herausgefunden habe. Dieses Gefühl der Abhängigkeit hat dazu geführt, dass ich Sachen getan habe, die ich nie wollte oder zu dem Zeitpunkt noch nicht", erzählte ich.

Ich musste erneut stehen bleiben, da die Tränen mir die Sicht nahmen. Die verschiedensten Erinnerung kamen mir ins Gedächtnis, aber ich versuchte diese zu ignorieren. Erst wollte ich mit meiner Erklärung fertig werden. Langsam und vorsichtig setzte ich mich wieder in Bewegung.

„Ich habe Angst vor etwas festem, denn ich will nicht, dass sich alles wiederholt. Du gibst mir zwar nicht das Gefühl, dass du mich zu etwas zwingen möchtest, aber die Angst ist vorhanden", nannte ich den Hauptpunkt für meine Abweisungen. „Und scheiße, wenn dieser Typ nicht gewesen wäre, wäre ich noch Jungfrau", schnaubte ich verzweifelt, bevor ich mich auf mein Bett fallen ließ.

In Austins Augen erkannte ich die Unsicherheit, als er sich neben mich setzte. Erschöpft vom erzählen ließ ich meinen Kopf gegen seine Schulter fallen, wobei die Tränen, wie Flüsse, über meine Wangen liefen. Er hatte einen Arm um mich gelegt, wodurch er mir über den Oberarm streichelte. Scheiße, ich wollte doch nicht vor ihm weinen. Naja, nun war es zu spät und ich fühlte mich um einiges besser.

„Also hat er dich vergewaltigt?", wollte Austin sich rückversichern. „Ja, nein. Ach keine Ahnung. Ich wollte es, aber nicht zu dem Zeitpunkt", redete ich verwirrt.

Ich wollte mich gar nicht an diesen Abend erinnern. Erfolgreich verdrängtes brauchte nicht wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Feste krallte ich meine Finger in sein Oberteil. Es fühlte sich so an, als ob ich Alex ekelhaften Grabscher auf mir spüren könnte. Wie er meine Haut entlang fuhr. Die Küsse von meinem Hals bis zu meiner Boxershorts. Sein Warmer Atem. Das gedämmte Licht. Die Laute Musik, damit seine Eltern uns nicht hörten. Selbst ein Jahr später verfolgte es mich noch.

„Ruhig atmen", flüsterte Austin mir ins Ohr. „I-Ich brauch einen D-Drink", stammelte ich. „Alkohol ist kei-", wollte er Anfangen, aber ich unterbrach ihn sofort „Doch, jetzt schon".

Ergeben nickte Austin, denn von mindestens einen Drink wollte ich mich nicht abhalten lassen. Es war selten, dass ich mir sinnlos Alkohol hinter kippen wollte, aber diese Erinnerung forderte es immer wieder aufs neue heraus.

Aus einem Drink wurden viel zu schnell fünf. Mein Glas hielt ich in der Hand, welche ich im Rasen liegen hatte. Zusammen mit Austin schaute ich in die Sterne.

„Du solltest nicht so viel trinken", meinte er. „Lass es, bitte", wisperte ich.

In dem Moment wollte ich nichts anderes als verdrängen oder am besten vergessen. Vergessen war nur schwerer als verdrängen. Seufzend setzte ich mich auf, damit ich noch einen Schluck nehmen konnte. Die Welt schien schon viel ruhiger.

„Was hast du vor?", fragte Austin panisch, als ich aufstand. „Flamingo", sagte ich nur. „Dylan, nein", versuchte er mich aufzuhalten.

Zu Austins Pech war ich dann doch noch zu schnell. Vorsichtig kletterte ich vom Rand, des Pools, auf das Ungetüm aus Plastik. Nun schien mir das Ding nicht mehr so unnötig. Kaum war ich drauf, driftete ich ein kleines Stück übers Wasser.

„Wie denkst du, dass du das wieder runter kommst?", zog Austin seine Augenbrauen hoch. „Entweder ich falle irgendwann runter oder du hilfst mir gleich", nannte ich die möglichen zwei Optionen.

Austin schnaubte belustigt auf, aber blieb am Rand stehen. Mir fiel kläglich auf, dass ich mein Glas nicht bei mir hatte. Mit einem Hundeblick schaute ich zu Austin, der direkt verstand. Beim Versuch das Glas zu erreichen, rollte ich fast ins Wasser, aber konnte mich noch irgendwie halten.

„Hast du noch Kontakt zu Alex?", fragte Austin. „Eifersüchtig?", schnaubte ich. „Nein, in Mordlust", gab er todernst zurück. „Schon lange nicht mehr", antwortete ich auf die ursprüngliche Frage.

Es tat am Anfang weh, aber ich hatte gelernt, dass ich alleine besser dran war. Ich war ohne ihn mehr als mit ihm. Austins Eifersucht, die als Mordlust getarnt war, ließ mich schmunzeln. Dieses Mal fühlte sich nicht alles so falsch an, wie bei Alex. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Austin ein Bild von mir machte, aber dieses Mal interessierte es mich nicht. Er sollte ruhig ein Bild haben. Für schlechte Tage oder so was.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt