#73 Betrunken

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Dylan

Wenn ich ehrlich war, hatte ich mir den Ball ganz anders vorgestellt. Nun saß ich neben einem weinenden Casper, der sich weiter betrank. Austin hatte sich gegenüber von uns gesetzt, aber noch kein Wort geredet.

Casper hatte ebenfalls noch kein Wort darüber verloren, was mit ihm los war. Es tat weh den sonst so lebensfrohen Casper so zu sehen. Wenn er weinte, hatte ihn wirklich etwas verletzt.

„Ben ist weg", schluchzte Casper leise. „Ruby hatte wohl recht", seufzte Austin, wodurch ich ihn fragend anschaute. „Schnauze", zischte Casper.

Mit meinem Blick verständigte ich Austin, dass er es sich nicht so zu Herzen nehmen sollte, was er mit einem Lächeln quittierte. Erneut trank Casper von seinem Flachmann.

„Ich war bei seiner Wohnung. Seiner leeren Wohnung", schniefte Cas. „I-Ich fühle mich benutzt", kippte er sich den Rest seines Flachmann hinter.

Ich kam bei seinem betrunkenen Gequatsche nicht wirklich hinterher, obwohl es nur so wenige Sätze waren. Wie war er in Bens Wohnung gekommen? Was hatte Austin angedeutet?

Vorsichtig nahm ich Casper in den Arm, dessen Schluchzen noch lauter wurde. Seine Gefühle waren komplett durcheinander. Er war so glücklich und dann kam so etwas unerwartetes.

„Es ist, wie als hätte er nie existiert", meinte Casper, als er sich von mir löste. „Hat Ben denn irgendwas gesagt, bevor er weg war?", wollte ich wissen. „Nein, wir wollten uns heute morgen treffen, aber er kam nicht. Ich bin zu seiner Wohnung gefahren, weil ich mir sorgen gemacht habe. Mit dem Ersatzschlüssel bin ich reingekommen, woher ich wusste, dass seine Wohnung leer is. Seine Nummer ist inaktiv. Er hat auch kein Zettel hinterlassen oder so. Vom Erdboden verschluckt", erzählte Casper.

Ich kannte Ben nicht wirklich, aber so etwas traute ich ihm dann auch nicht zu. Er hatte auf eine Beziehung mit Casper bestanden, wodurch es mir so unmöglich erschien. Irgendwas erschien mir nicht so ganz richtig an der ganzen Sache. Vielleicht hatte Ben Probleme, wodurch er wortlos verschwunden war.

„Cas, es tut weh, aber dich zu betrinken hilft dir leider nicht weiter", meinte ich. „Hat es noch nie, aber es lässt mich ein wenig besser fühlen. Vielleicht auch nicht mehr allzu benutzt", bekam Casper ein kaputtes Grinsen auf seine Lippen.

Durch ein Klopfen schauten wir alle Richtung Tür, wo Ruby eintrat. Sie sagte uns Bescheid, dass jeden Moment die Gewinner, des Wettbewerbes, angekündigt werden würden. Casper schenkte sie einen kurzen mitleidigen Blick.

Vorsichtig griff ich nach Casper Händen, um ihn hochzuziehen. Er konnte nicht wirklich gerade aus laufen, wodurch ich ihn ein wenig stützte. Im Saal angekommen setzte ich ihn auf einen Stuhl ab. Ich schaffte es ihm den letzten Flachmann abzunehmen.

Die leise Musik verstummte, als unser Direktor die Bühne betrat. Typischerweise tippte er zweimal gegen das aufgestellte Mikrofon, was mich zusammenzucken ließ.

„Ich möchte gar nicht lange um den heißen Brei reden. Ihr wisst ja, wie es geht. Wenn ich euren Namen aufrufe, kommt ihr bitte einmal die Bühne hoch", sagte der Direktor.

Kurz schaute er sich unsicher um, bis ein Schüler ihm drei Zettel auf die Bühne brachte. Skeptisch betrachtete er die Zettel, wo die Gewinner drauf standen. Mehr als eine Krone bekam man leider nicht.

„Dieses Jahr haben wir auf Platz drei: Ruby Sanders als die komische Alte von The Ring. Platz zwei, wahrscheinlich durch die Kreativität: Dylan Wheeler als Joker. Als letztes und somit auf dem ersten Platz ist die in Blut getränkte Prinzessin Peach, Casper Davis", zählte er auf.

Zweifelnd schaute Casper mich an, denn er hatte damit nicht gerechnet. Langsam und unsicheren Schrittes schwankte er auf die Bühne zu. Ich versuchte ihn unauffällig zu stützen, was mir zum Glück gelang.

Unser Direktor hatte drei Kronen in der Hand, als wir auf die Bühne kamen. Nacheinander wurden uns die Kronen aufgesetzt. Für das Jahrbuch wurde ein Bild von uns gemacht.

„Casper, alles in Ordnung?", wollte unser Schulleiter wissen, als er beim verlassen der Bühne vor ihm stehen blieb. „Keine Sorge, mir geht es fantastisch. Ich habe mich noch nie besser gefühlt", lallte Cas ironisch.

Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund. Scheiße. Mit einem wütenden Blick wurde Casper angeschaut. Er hatte sich vor die Füße unseres Direktors übergeben.

„Zwei Wochen Schulverweis und jetzt raus hier", schrie der Direktor ihn an. „Behalten Sie ihre Krone", schmiss Cas ihm das besagte Teil in sein eigenes Erbrochenes.

Bevor er noch weitere Dummheiten anstellen konnte, hatte ich ihn mir schon gepackt. Austin, Riley und Ruby verfolgten uns direkt. An der frischen Luft musste Casper sich direkt nochmal übergeben, aber dieses Mal in einen Mülleimer.

Da wir alle ohne Auto gekommen waren und keiner mehr nüchtern war, bestellte ich ein Taxi.

„Fahr mit ihm. Ich gehe mit den Mädels zu Fuß nach Hause", meinte Austin. „Sicher?", fragte ich. „Ja, vielleicht redet er noch ein wenig mit dir. Du kannst danach noch gerne vorbeikommen. Ich kann dir einen Schlüssel in den Blumenkasten am Küchenfenster legen", bot er mir an, wodurch ich nickte.

Mit einem kurzen Kuss verabschiedet Austin sich von mir.

Zum Glück hatte Casper sich nicht im Taxi übergeben, sondern erst wieder in einem Strauch vor seinem Haus. Im Haus steuerte ich ihn sofort ins Badezimmer, damit ich ihm das Kunstblut aus dem Gesicht entfernen konnte. Er ließ sich neben dem Waschbecken auf den Boden sinken.

„Das tut weh", beschwerte Casper sich. „Entschuldige, aber ich glaube nicht, dass du mit dem Zeug schlafen möchtest", vermutete ich. „Dann sei ein wenig sanfter", bat er mich.

Sanft dauerte es natürlich länger. Als ich Casper endlich von dem Zeug befreit hatte, versuchte ich das aus meinem Gesicht zu entfernen. Es kratzte mittlerweile, wie die Hölle.

In seinem Zimmer half ich ihm aus dem Kleid heraus, welches ich auf seinen Schreibtischstuhl schmiss. Nachdem ich Casper zugedeckt hatte, hielt er mich an meinem Handgelenk fest, wodurch ich mich die Bettkante setzte.

„Denkst du, dass Ben zurückkommt?", fragte Casper mich hoffnungsvoll. „Ich weiß es nicht. Nur mach dir bitte keine zu großen Hoffnungen. Du sollst dich nicht daran kaputt machen. Dein Leben geht schließlich auch ohne ihn weiter. Und wenn er einfach verschwindet, hat er dich nicht verdient", meinte ich es nur gut.

Casper wusste, dass ich das nicht aus Boshaftigkeit sagte. Ich wollte nicht, dass mit seinen Gefühlen gespielt wird, denn das hatte er nicht verdient.

Als ich die aufgeplatzte Lippen am See gesehen hatte, wäre ich schon fast ausgerastet und Ben an die Kehle gesprungen. Einzig Caspers Blicke hatten mich davon abgehalten. Er war trotz des Vorfalls glücklich gewesen.

„Du bist der beste Freund, den man sich je vorstellen kann", lächelte Casper. „Du auch", strich ich ihm die verschwitzten Haare aus der Stirn.

Ich wartete noch, bis er eingeschlafen war, bevor ich den Weg nach Hause einschlug. Obwohl ich Ben nicht mochte, hoffte ich für Casper, dass sein Freund wiederkommen würde. Auf irgendeine komische Art und Weise tat er ihm gut.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt