#36 Teddy

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Dylan

Mitten in der Nacht wurde ich von panischem Gemurmel neben mir wach. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir kurz nach zwei Uhr morgens hatten. Vorsichtig legte ich meinen Arm um Austin, da ich die Hoffnung hatte, dass es ihn beruhigen würde.

Ich hatte schon die letzten Mal gemerkt, dass er unruhig schlief, aber mich nie wirklich daran gestört. Austin rückte direkt ein Stück näher an mich, was mich schmunzeln ließ. Fest umschlossen hielt ich ihn in meinem Arm, wobei ich versuchte wieder einzuschlafen.

„Dylan?", fragte Austin leise. „Schlaf weiter, es ist alles gut", wisperte ich gegen seinen Nacken, wobei sich die kleinen Härchen aufstellten.

Er nickte kaum merklich, wobei er nach meiner Hand griff. Seine Atemzüge waren unregelmäßig, wodurch ich darauf schloss, dass er nicht einschlafen konnte. Ohne darüber nachzudenken, ließ ich meine Hand über seinen Oberkörper gleiten, als er diese wieder losgelassen hatte, wobei er sich entspannte.

„Dad interessiert sich nicht für mich", murmelte Austin. „Warum denkst du das?", fragte ich.

Ich verstand seine Aussage nicht wirklich. Austins Vater triezte ihn so sehr, aber dann sollte er ihn nicht interessieren. Es war für mich unlogisch. Austin drehte sich zu mir um, wodurch ich ihm direkt ins Gesicht blicken konnte. Ein paar Tränen waren ihm bereits über die Wangen gelaufen. Vorsichtig wischte ich die Tränen weg und lächelte ermutigend.

„Für ihn war der Sport schon immer wichtiger. Keine Ahnung warum, aber es ist so. Als er merkte, dass ich gut im Schwimmen bin, folgte ein Training nach dem anderen. Immer mehr Druck durch die Wettkämpfe", fing Austin an zu reden.

Während er eine kurze Pause einlegte, rückte er noch ein Stück näher an mich. Seinen Kopf legte er auf meinem Oberarm ab, wodurch ich seinen Atem auf meiner nackten Haut spürte. Ich hoffte, dass Austin nicht merkte, was er für eine Gänsehaut bei mir einlöste.

„Für Dad war es egal, was Riley macht, wie ihre Noten sind, aber sie war sein kleiner Engel. Er schlägt ihr keinen Wunsch ab. Ich bin auch nicht eifersüchtig, aber manchmal ärgert es mich ein wenig. Ich habe mich so in meine Noten herein gehangen, aber es war ihm egal, da es ihn nur interessiert wie das Schwimmen lief", beendete Austin schließlich.

Ich hatte ihm aufmerksam zugehört, wodurch ich anfing das Problem zu verstehen. Warum Austin dachte, dass sein Vater sich nicht für ihn interessierte. Es ging um das Interesse als Mensch. Austin Vater interessierte sich nur für die sportlichen Leistungen.

„Hast du schon mit ihm darüber geredet?", fragte ich, während ich über seinen Oberarm strich. „Ja, also ich habe es versucht. Es bringt nichts", murmelte Austin.

Leider wusste ich nicht, was ich so wirklich sagen sollte, wodurch ich nur stumm nickte. Austins Verhalten verwunderte mich leicht, denn er legte ein Bein über mich, wobei er mich als sein Kissen missbrauchte. Seine Haare kitzelten meinen Kiefer leicht. Es breitete sich eine angenehme Stille zwischen uns aus woran ich mich nicht störte.

Immer wieder streichelte ich über seinen Oberkörper. Es musste witzig aussehen wie wir dort lagen, da Austin ein wenig größer als ich war.

„Du bist mehr als nur ein beschissener Sport. Ich dachte auch lange, dass Lacrosse mich ausmachen würde, aber ich bin noch immer der gleiche ohne", erzählte ich. „Aber es fehlt dir, oder?", fragte Austin, wobei sein warmer Atem mir eine weitere Gänsehaut verpasste. „Klar, aber ich habe mich bewusst dafür entschieden aufzuhören", erinnerte ich ihn indirekt. „Glücklich scheinst du mit der Entscheidung nicht zu sein", fiel ihm auf.

Hundertprozentig war ich mit der Entscheidung nicht zufrieden, aber ich wusste, dass es mir gut tun würde. Mittlerweile hatte ich nur ein bisschen zu viel Freizeit, aber die füllte sich gut mit Austin. Jegliche freie Minute verbrachte ich mit ihm oder dachte über ihn nach. Es war schon verrückt wie schnell er sich so tief in mein Bewusstsein eingebrannt hatte.

„Danke fürs zuhören", flüsterte Austin gegen meine Brust. „Habe ich gerne gemacht", gab ich ihm einen Kuss auf die wild abstehenden Haare. „Ich mag dich, wirklich", wisperte er kaum hörbar. „Und ich dich", beteuerte ich nochmal, obwohl ich es ihm schon mal gesagt hatte.

Unsicher legte ich meine Hand unter Austins Kinn, damit ich ihn dazu bringen konnte, dass er mich ansah. Irritiert, aber mit einem Lächeln, schaute er zu mir hoch. Unsere Augen wanderten beim jeweils anderen zwischen den Augen und den Lippen her. Tatsächlich war ich mir viel zu unsicher, dass ich den ersten Schritt wagen würde.

Austin aus einem Flirtversuch zu holen und ihn als „Mein" zu bezeichnen war kein Problem, aber etwas zu machen, um es in die Tat umzusetzen, traute ich mich nicht. Ich spürte wie Austin seine Hand knapp über meinen Nacken legte, während er sich halb auf mich gesetzt hatte. Sein Gesicht hing nur noch wenige Zentimeter über meinem.

„Deine Augen gleichen den eines Teddys", lächelte Austin über mir.

Ich hatte gar nicht mehr die Chance irgendwas zu erwidern, denn in der nächsten Sekunde lagen seine Lippen auf meinen. Erst war ich überrascht, aber erwiderte den Kuss kurz darauf.

Meine eine Hand wanderte zu seinem Nacken und die andere an sein Becken. Kurz hatte ich das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben wäre, aber dann löste Austin sich von mir. In mir tobten bestimmt tausende von Schmetterlingen, die keine Ruhe mehr fanden.

„Das war schön", wisperte Austin gegen meine noch leicht geöffneten Lippen.

Mehr als ein Nicken bekam ich nicht auf die Reihe. Ich fühlte mich so, als ob ich zu nichts anderem mehr im Stande gewesen wäre. Austin lächelte mich nur kurz an, bevor ich sich wieder halb neben, aber auch halb auf mich legte.

Erneut strich ich nur über seinen Rücken und seine Seite, wobei ich an meine Zimmerdecke schaute. Vorsicht zeichnete ich den Anfang seiner Narbe nach, was ihn zum Glück nicht zu stören schien. Als ich seine Hand auf meinem Bauch spürte, zuckte ich kurz zusammen.

„Alles gut?", wollte Austin wissen, wobei er zu mir hoch schaute. „Ja, habe mich nur erschrocken", gab ich verlegen zu. „Ach so, entschuldige, das wollte ich nicht", ruhte seine Hand weiter auf meinem Bauch. „Schon in Ordnung", lächelte ich.

Ich wusste nicht genau wie es dazu gekommen war, aber ein paar Minuten später lag ich halb auf Austin. Mit bereits schweren Augen malte ich kleine unsichtbare Muster auf seinen Bauch. Es war kaum zu bemerken, aber seine Atmung wurde ruhiger und somit gleichmäßiger.

Die Situation überforderte mich schon leicht, da ich nicht wusste, wie dieser Kuss unsere Freundschaft verändern würde. Ich wollte nicht, dass sich etwas änderte. Tatsächlich war ich auch noch nicht bereit für eine Beziehung nach meiner letzten. Allein schon der Gedanke jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt