Austin
Wenn ich nicht zu schüchtern gewesen wäre, hätte ich Dylan beim Abschied am Vortag geküsst. Verschlafen drehte ich mich im Bett herum, da ich nicht aufstehen wollte. Mom hatte mich schon mehrfach aufgefordert nach unten zum Frühstück zu kommen. Als ich zum wiederholten Mal ein Klopfen an meiner Tür hörte, drückte ich mein Gesicht ins Kissen.
„Austin, aufstehen. Mom zerrt dich sonst aus dem Bett", meinte Riley, während sie meine Vorhänge aufriss, um Sonne herein zu lassen. „Es ist so bequem", murrte ich, aber dann wurde mir auch noch die Decke weggerissen.
Böse schaute ich zu Riley, aber stand auf, da es nichts brachte. Nach einer schnellen Dusche, lief ich nach unten. Mom saß lächelnd am gut gedeckten Küchentisch. Anscheinend schien sie ziemlich gute Laune zu haben, denn sie beschwerte sich nicht mehr, dass ich so lange gebraucht hatte.
„Ich muss euch beiden etwas erzählen", sagte Mom.
Das bedeutete mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts gutes. Riley und ich tauschten skeptische Blicke aus, bevor wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf Mom lenkte. Sie knetete sich nervös die Hände. Mir wurde es ein wenig mulmig bei ihrem Anblick, besonders da sie nicht anfing zu reden.
„Ihr wisst ja, dass ich gestern auf einem Date war", fing Mom wieder an. „Jetzt sag bitte nicht, dass der Typ hier einziehen wird", hoffte Riley, womit sie auch meinen Gedanken aussprach. „Im Grunde schon, aber dieser sogenannte Typ ist euer Vater. Wir haben lange geredet. Wir haben beide Fehler gemacht", erklärte Mom uns. „Wann?", fragte ich ungläubig. „Im laufe der Woche", nannte sie uns.
In dem Moment wurde es mir dann klar. Dad hing sich wieder so in meine Leistungen, weil er es wieder überwachen konnte. Das musste auch der Grund sein, weswegen Mom nichts dagegen sagte. Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Tisch. Im Flur zog ich mir schnell meine Jacke und Schuhe über, bevor ich das Haus verließ. Mom rief hinter mir her, aber ich ignorierte es. Das Glück war wohl wirklich nicht auf meiner Seite.
„Austin", hielt mich Riley auf, die mir hinterher gerannt war. „Lass mich bitte", bat ich sie so ruhig wie möglich. „Nein, du kannst nicht vor deinen Problemen wegrennen. Du musst endlich mit Dad ein vernünftiges Gespräch führen", versuchte sie auf mich einzureden.
Seufzend schmiss ich meinen Kopf in den Nacken, wobei ich merkte, dass ich nicht sonderlich weit gekommen war. Wir standen nur ein Haus weiter von unserem. Riley legte ihre Hände auf meine Schulter, damit ich sie anschaute, was ich dann auch tat. Ich versuchte mich zu beruhigen in dem ich mehrfach tief durchatmete.
„Kommst du jetzt wieder mit rein?", fragte Riley unsicher nach. „Ich komme später. Mach dir keine Sorgen, aber ich muss meinen Kopf freibekommen", meinte ich, wobei ich ihre Hände in meine nahm. „Oke, aber bau bitte keinen Mist. Dylan hat bestimmt auch ein offenes Ohr für dich, wenn du Mal mit jemand anderem darüber reden möchtest", erinnerte sie mich, weswegen ich kurz nickte.
Ich drückte Riley einen liebevollen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich umdrehte und die fast leere Straße entlang lief. Natürlich hatte ich keine Ahnung wohin ich sollte.
Als ich den Spielplatz vom weitem sah, entschied ich mich dazu, dass ich mich dorthin setzen würde. Beim letzten Mal hatte ich mir den Platz nicht so genau angeschaut, wodurch ich nicht gemerkt hatte, dass es eine Tischtennisplatte aus Stein gab. Da keiner spielte, konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen darauf setzen. Meine Beine hatte ich angezogen, aber meinen Oberkörper hatte ich auf die Steinplatte abgelegt. Die Sonne erwärmte mein Gesicht, was ich tatsächlich sehr genoss.
Als sich ein Schatten über mich zog, dachte ich erst, dass eine Wolke wäre, aber die würde sehr unwahrscheinlich nach Parfüm riechen, wodurch ich meine Augen öffnete. Dylan schaute von oben auf mich hinab.
„Hey, Riley hat mir erzählt, dass es dir nicht so gut geht. Da dachte ich, dass du vielleicht etwas unternehmen möchtest", erzählte er mir lächelnd. „Und was?", wollte ich wissen. „Wir könnten was essen gehen. Spazieren. In die Stadt gehen. Oder was auch immer dir hervor schwebt", meinte er. „Kino", sagte ich, obwohl wir erst am Vortag dort waren.
Dylan nickte einverstanden, wodurch ich aufstand. Gemeinsam liefen wir das kleine Stück zurück. Selbst auf der ganzen Fahrt herrschte Stille zwischen uns, aber ich genoss es. Es fühlte sich ungezwungen an. Ich war zwar nicht sonderlich erfreut darüber, dass Riley ihm Bescheid gegeben hatte, aber anscheinend hatte sie ihm zumindest nicht den Grund genannt.
Dieses Mal entschieden wir uns für einen Horrorfilm, der wahrscheinlich total langweilig wäre. Ich ließ es über mich ergehen, dass Dylan wieder alles bezahlte, obwohl ich mich dabei unwohl fühlte.
„Danke", murmelte ich, als ich meine Beine auf den Sitz zog. „Wofür?", fragte Dylan irritiert. „Hier für. Das ist eindeutig nicht deine Aufgabe", meinte ich. „Ich mache das gerne", ich sah ganz leicht das Lächeln auf seinen Lippen.
Dylan zog nun ebenfalls seine Beine an sich heran. Typischerweise kam nach wenigen Minuten ein Verkäufer mit Eis herein. Ich versuchte mich auf den Film zu konzentrieren, als dieser begann. Leider fiel mir das nach einer Zeit schwer, denn Dylan hatte sich gegen mich gelehnt. Seine Körpernähe machte mich nervös. Ich wusste nicht woher mein Mut kam, aber ich legte meinen Arm um seine Schultern.
„Kann ich eventuell bei dir schlafen?", fragte ich unsicher. „Klar", schaute Dylan kurz zu mir hoch.
Mit meinen Fingern zeichnete ich unsichtbare Zeichen auf Dylans Oberarm. Wirklich verstehen tat ich beim Film nicht mehr. Ich fing an mich zu fragen, woran es lag, dass Dylan sich gegen mich gelehnt hatte. Selbst die Armlehne zwischen uns störte ihn nicht. Zumindest lenkte mich seine Körpernähe von meinem Vater ab. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass er sich versuchte noch mehr an mich zu drücken, aber damit hatte ich kein Problem. Erneut versuchte ich mich auf den Film zu konzentrieren, wo gerade ein Mädchen einen Aufzugsschacht herunter geschubst wurde.
—
Nach dem Film waren wir direkt zu Dylan gefahren. Da es noch nicht zu allzu spät war, wollten wir uns noch etwas in den Garten setzen. Zu meiner Überraschung saßen dort Calvin und Riley, wobei sie gemütlich Bier tranken. Dylan und ich setzten uns ebenfalls mit einem Bier zu den beiden. Riley lächelte mich direkt an, da sie merkte, dass es mir etwas besser ging.
„Ihr beide sehr ja ziemlich glücklich aus", merkte auch Calvin. „Hatten auch einen schönen Mittag", grinste Dylan. „Dich habe ich auch schon lange nicht mehr so glücklich gesehen", meinte Riley, wobei sie mir zuzwinkerte.
Dylan betrachtete mich skeptisch von der Seite, aber sagte nichts dazu. Zufrieden vom ganzen Tag lehnte ich mich im Stuhl nach hinten, wobei ich ein Bein an mich heran zog. Der Tag hatte nicht so scheiße geendet wie er angefangen hatte, aber das war kaum mit Dylan möglich.
Für mich war es kaum vorstellbar, dass man mit ihm einen schlechten Tag haben konnte. Er war fast wie der Frieden in Person. Meiner Meinung nach konnte ihn nichts aus dem Konzept bringen. Ich war mir sicher, dass ich noch nie so einen Menschen zuvor in meinem Leben kennengelernt habe.
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Der Verrat in Person
Подростковая литератураDylan Wheeler, die Vertrauensperson seiner Freundesgruppe. Seit eh und je schreibt er jegliches Geheimnis oder witziges Detail, das nicht jeder weiß, in ein Notizbuch. Das Notizbuch ist sein Heiligtum, welches niemals an die Öffentlichkeit kommen da...