Dylan
Als ich am Ziel ankam, konnte ich Ben schon sehen. Bevor ich aussteigen konnte, hielt Austin mich fest. Mit einem Blick verständigte er mir, dass ich mich zurückhalten sollte.
„Was möchtet ihr hier?", wollte Ben wissen, als wir ihm gegenüber standen. „Das fragst du noch? Wie wäre es mit einer Erklärung?", verlangte ich.
Unsicher verlagerte Ben sein Gewicht vom einem Bein zum anderen. Was konnte Casper bloß an diesem Typen finden? Er stand nie auf zurückhaltenden Menschen, denn er brauchte jemanden, der ihm die Stirn bot.
„Es ist kompliziert", fuhr Ben sich durch die Haare. „Ach, so kompliziert, dass du deine scheiß Wohnung räumst? So kompliziert, dass du einfach so meinen besten Freund stehen lässt? So kompliziert, dass du ihn zu einer Beziehung zwingst, um dann zu verschwinden", bei jedem Wort wurde ich lauter.
Ich merkte, dass Austin nach meiner Hüfte packte. Vorsichtig zog er mich zwei Schritte zurück, da ich unbewusst auf Ben zugegangen war. Leise flüsterte er mir zu, dass ich mich beruhigen sollte.
„Casper hat etwas besserer verdient", seufzte Ben seltsam erschöpft. „In seinen Augen bist du das beste, obwohl ich persönlich es nicht nachvollziehen kann. Dieser Junge trinkt seit zwei Wochen durchgängig Alkohol, weil du gegangen bist. Diese Reaktion ist ganz alleine deine Schuld", warf ich ihm vor. „Scheiße", murmelte er.
Ja, scheiße. Das konnte er laut sagen. Erneut zog Austin mich zurück, um dieses Mal seine Arme fester um mich zu legen. Ich versuchte mich ein wenig zu entspannen, denn die Passanten schauten uns schon blöd an.
„Erklärung, jetzt!", herrschte ich ihn wütend an. „Ich hatte beschissene Angst. Und ja du hast richtig gehört, ich hatte Angst. Zufrieden?", keifte Ben mich an.
Angst? Was war denn nun mit der Welt kaputt? Ich verstand nichts mehr. Die Verwirrung musste mir ins Gesicht geschrieben sein. Seufzend drehte Ben sich einmal um die eigene Achse, wobei er sich Mal wieder durch die Haare fuhr.
„Es war mir zu viel, okay? Ich hatte noch nie wirklich so etwas, wie eine Beziehung. Dieser Junge hat bei mir Gefühle hervorgerufen bei denen ich dachte, dass sie nicht existieren", wurde Ben nun auch ein wenig lauter.
Seine Stimme zeichnete pure Verzweiflung. So etwas wie Mitleid breitete sich in mir aus. Es war anscheinend nie sein Ziel gewesen Casper zu verletzen, aber trotzdem hatte er es getan.
„Warum hast du Casper dann zu einer Beziehung gezwungen?", wollte ich wissen. „Weil ich angst hatte, dass er mich sonst verlässt. Er es als eine Affäre oder so etwas ansieht. Ich habe doch keinen Plan von Beziehungen", erklärte Ben. „Selbst wenn du keinen Plan von Beziehungen hast, gibt es keinen Grund ihn in eine zu zwingen. Bloß nicht zu vergessen, dass du ihn dafür geschlagen hast", erinnerte ich ihn. „Das kann doch Mal passieren", zuckte er mit den Schultern.
Bei den Worten wurde Austins Griff noch fester um mich. Er merkte, dass ich auf Ben losgehen wollte. So etwas durfte nicht passieren, weder in einer Beziehung noch außerhalb einer Beziehung.
„Du machst es nicht besser, wenn du ihn jetzt schlägst. Du bist dann kein Stück besser als er", meinte Austin. „Manchmal hasse ich es, wenn du recht hast", gab ich zu.
Austin gab mir einen Kuss gegen die Wange, womit er versuchte mich zu beruhigen. Ben hob bei unserem Benehmen seine Augenbrauen an.
„Was ist jetzt dein Plan?", wollte ich von Ben wissen. „Keine Ahnung", zuckte Ben Mal wieder mit den Schultern. „Ein Anfang wäre es doch, wenn du mit Casper reden würdest", schlug Austin vor. „Der hasst mich doch jetzt", warf Ben theatralisch seine Hände in die Luft.
Kurz kam ich mir ziemlich verarscht vor. Hatte Ben mir etwa die letzten zwanzig Minuten nicht zugehört? Seufzend ließ ich meinen Kopf nach hinten gegen Austin Schulter fallen. Ich konnte zu ihm hoch schauen, wodurch ich merkte, dass er mich anlächelte.
„Ihr seid euch sicher, dass er mich jetzt nicht hasst?", schaute Ben uns skeptisch an. „Cas wird sauer sein, aber dir verzeihen. Aus irgendwelchen Gründen liebt er dich. Wenn es nicht so wäre, würde er nicht so reagieren", meine Worte waren eindeutig nicht aufbauend, aber er schien zu verstehen. „Gut, ich fahre morgen zu ihm. Könnt ihr eventuell schauen, dass er nüchtern ist?", bat er uns. „Werden wir hinbekommen", meinte Austin, bevor ich antworten konnte.
Austin schien sehr überzeugt davon zu sein, aber ich wusste, dass es nicht leicht werden würde. Meiner Meinung nach sollte es auch eher eine Überraschung sein, wenn Ben wieder zu ihm kommt. Zusätzlich hatte ich die Sorge, dass Ben sich nicht daran halten würde. Casper sollte keine falschen Hoffnungen haben.
—
Zum wiederholten Mal klingelte Austin bei Casper. Genervt lief ich um das Haus, um durch Casper Fenster zu schauen. Er saß in seinem Bett und war am trinken. Ich klopfte gegen das Glas, wodurch er mich bemerkte.
„Mach Mal auf", forderte ich ihn auf, als er ans Fenster kam.
Als ich an der Haustür ankam, öffnete mein bester Freunde diese. Austin betrachtete ihn skeptisch, bevor er mit seinem Kopf schüttelte. Gemeinsam betraten wir das Haus, um direkt in Casper Zimmer zu gehen.
„Cas du musst nüchtern werden", setzte ich mich gegenüber von seinen Bett auf den Boden. „Für was? Es gibt nichts wofür es sich lohnt", wollte er wissen. „Es bringt dir nichts, wenn du dich weiter betrinkst", meinte Austin, der sich neben mich gesellte.
Am liebsten hätte ich ihm von dem Ereignis mit Ben erzählt, aber das ging nicht. Casper griff zu seinem Bier, welches auf seinem Nachttisch stand. Sofort nahm ich es weg, wodurch er sich beschwerte, was ich schon erwartet hatte. Es war der Punkt gekommen, wo ich leider Mal ein Machtwort sprechen musste.
„Ich habe mich nie, wirklich nie, in deinen Alkoholkonsum eingemischt, aber jetzt ist Ende. Du wirst nüchtern, denn selbst du brauchst Mal eine Pause von dem Zeug. Deine Leber wird es dir danken", gab ich leicht wütend von mir. „Du bist ein guter Freund", nuschelte Cas.
Ich hatte erwartet, dass er weiter mit mir diskutieren würde, aber war dann auch erleichtert, dass er nachgab. Allzuoft hatten wir in dem Thema schon gestritten, aber er wusste, dass ich es nur gut meinte.
„So scheiße die jetzige Situation ist, aber es werden bessere Zeiten kommen. Du wirst noch glücklich werden", redete Austin ihm liebevoll zu. „Was würde ich bloß ohne euch beide machen?", gab Casper theatralisch von sich. „An deinem Alkoholkonsum sterben", vermutete Austin, wodurch auch Casper lachen musste.
Es war schöner ihn lachend zu sehen, anstatt weinend und Trübsal blasend. Wenn Ben sich an seine Worte hält, wird Casper hoffentlich wieder der Alte sein. Er würde es dann auch kein Stück bereuen, dass wir ihn vom nüchtern werden überzeugt hatten.
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Der Verrat in Person
Teen FictionDylan Wheeler, die Vertrauensperson seiner Freundesgruppe. Seit eh und je schreibt er jegliches Geheimnis oder witziges Detail, das nicht jeder weiß, in ein Notizbuch. Das Notizbuch ist sein Heiligtum, welches niemals an die Öffentlichkeit kommen da...