#43 Du bist mehr

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Dylan

Den restliche Vortag hatte ich nur noch Süßigkeiten gegessen und mir eine Folge nach der anderen von meiner Serie angeschaut. Das Training hatte ich ausfallen lassen, da ich keine Motivation gefunden hatte mich aus dem Bett zu quälen.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn nun schienen die Sonnenstrahlen in mein Gesicht. Aus Gewohnheit wollte ich schon auf mein Handy schauen, aber ich schüttelte schnell den Gedanken ab. Als etwas gegen mein Fenster flog, schaute ich irritiert dorthin. Austin stand an seinem Fenster und hielt mir einen Zettel hoch mit der Bitte, das ich meins öffnen sollte. Seine Unwissenheit hatte mich mittlerweile so stutzig gemacht, dass ich seiner Bitte nachkam.

„Was möchtest du?", fragte ich eine Spur zu gereizt als nötig. „Kommst du bitte hier rüber. Wir müssen mit dir reden", bat Austin mich. „Wer ist wir?", wollte ich wissen, aber dann schloss er auch schon sein Fenster.

Austin versuchte mich neugierig zu machen, damit ich seiner Bitte nachkam, leider funktionierte das auch noch. Ohne darauf zu achten, was ich aus meinem Schrank zupfte, zog ich mich kurz um. Da weder Mom noch Dad da waren, konnte ich keinem vom beiden Bescheid geben, dass ich weg wäre, weswegen ich eine knappe Notiz auf den Küchentisch legte.

Drüben stand Austin schon freudig wartend an der Haustür. Ich kam gar nicht erst zu einer Begrüßung, denn er zog mich schon mit sich nach oben. Mir blieb kurz der Atem stocken, als Casper auf seinem Bett liegen sah.

„Glückwunsch zu eurer Beziehung", murrte ich und wollte schon gehen.

Leider hielt Austin mich an der Schulter fest. Kurz schüttelte er mit dem Kopf, bevor er seine Lippen auf meine legte. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl, dass die Welt stehen geblieben wäre. Ich wurde mir unsicher, wenn ich so über die letzten Tage zwischen uns beiden nachdachte. Langsam, aber sicher erwachte ich aus meiner Starre und faltete meine Hände hinter seinem Nacken.

„Schön, dass ihr euch liebt und wiedergefunden habt, aber können wir jetzt bitte endlich reden. Ich möchte gleich nicht angeekelt von eurer Liebe kotzen", beschwerte Casper sich, wodurch ich mich von Austin löste. „Ich hab dich auch ganz doll lieb", zeigte ich ihm meinen Mittelfinger.

Casper kam auf uns zu, damit er sich mir um den Hals schmeißen konnte. Kurz war ich verwirrt von der Situation, denn ich hatte eher damit gerechnet, dass er mir eine reinhauen würde, wenn er mich sehen. Zu meiner Verwunderung roch ich auch kein Alkohol, sondern Parfüm.

Kurz und knapp erklärte Casper mir, warum er nicht allzu sauer auf mich wäre, als er sich von mir gelöst hatte, wodurch mir wirklich ein Stein vom Herzen fiel. Flüchtig lächelte ich zu Austin, da ich ihm dankbar war, dass er ein Gespräch mit Casper gesucht hatte, obwohl ich ihm solche Vorwürfe an den Kopf geschmissen hatte.

„Weiht ihr mich noch in eurer Vermutung an, wer für diese scheiße verantwortlich sein könnte, damit ich dem sein Sozialleben auch zur Hölle machen könnte?", fragte ich, während wir uns aufs Bett setzten. „Wenn es die Person ist, die wir im Verdacht haben, wohnt sie schräg Gegenüber von deinem Zimmer", kratzte Casper sich verlegen am Hinterkopf. „Calvin?", fragte ich ungläubig, aber beide nickten.

Es hörte sich logisch am, aber niemals würde mein eigener Bruder mir so etwas antun. Warum auch? Wir hatten nie Probleme miteinander. Unser Freunde waren fast die gleichen, wodurch es ihm im Nachhinein nur selber schaden würde. Kurz schüttelte ich meinen Kopf, denn ich wollte, dass diese Vermutung nicht stimmte. Es durfte nicht stimmen. Ich fragte die beiden nah ihrem Plan, wie sie es herausfinden wollen würden, denn nur so konnte dieser Verdacht aus der Welt geschafft werden.

„Wenn ihr nüchtern bei diesem Plan wart, bin ich der Weihnachtsmann", meinte ich, denn es hörte sich für mich so dämlich an. „Dann bist du wohl jetzt der Weihnachtsmann", gab Austin mir einen Kuss gegen die Schläfe. „Wir müssen später Mal reden", sagte ich zu ihm, wodurch er kurz nickte.

Die Sache mit dem Nichts war noch immer nicht geklärt. Bis vor einer Stunde hatte ich mich auch nicht mehr beschäftigt. Nun war da wieder seine liebevolle Art und Weise, die mich daran erinnerte. Ich wollte kein Spielzeug sein, welches man benutzte, wenn man dazu Lust hatte.

„Ich verschwinde jetzt, ich habe noch einen Termin", stand Casper auf. „Cas", hielt ich ihn auf. „Ja, ich betrinke mich nicht, mach dir nicht immer Sorgen", verließ er das Zimmer.

Casper wusste direkt, was ich von ihm wollte, wodurch ich kurz schmunzeln musste. Mir war klar, dass er keinen Termin, aber er wollte uns anscheinend alleine lassen. Vielleicht hatte ich es ein wenig zu offensichtlich gemacht.

„Du bist nicht nichts für mich, du bist mehr. Ich kann noch nicht einmal beschreiben, was du für mich bist, aber ich glaube, dass da noch etwas großes zwischen uns steht. Deine letzte Beziehung, aber wie ich es dir schonmal gesagt habe, werde ich dir so viel Zeit lassen, wie du brauchst", erklärte Austin.

Erst nickte ich nur, denn ich musste seine Wörter sortieren. Mir schien es so, als ob ihm meine letzte Beziehung beschäftigen würde. Ihn schien es zu sehr davon abzuhalten mich als irgendwas zu bezeichnen.

„Die Zeit brauche ich auch noch ein wenig. Ich kann dir aber sagen, dass ich dich wirklich sehr mag. Wahrscheinlich zu viel", meinte ich. „Lieber zu viel als zu wenig", grinste Austin.

Dankbar ließ ich meinen Kopf nach vorne gegen seine Schulter fallen. Sofort gab Austin mir einen Kuss auf den Kopf. Du bist mehr. Allein der Bruchteil seines Satzes verpasste mir ein zufriedenes Lächeln.

„Schauen wir noch eine Serie und du bleibst die Nacht hier?", fragte Austin, wodurch ich zu ihm hochschaute. „Das hört sich nach einem guten Plan an", meinte ich.

Ich war froh, dass es so schien, als ob nichts vorgefallen wäre. Mit einem lockeren Griff zog er mich in seine Kissen. Während Austin eine Serie anmachte, kuschelte ich mich an ihn, wodurch er einen Arm um mich legte.

„Wann ist eigentlich die Verhandlung mit meinem Vater?", fragte Austin. „In zwei Tagen, deswegen wollte ich den Plan gegen Calvin nicht vorher durchführen. Ich kann jetzt nicht wirklich noch mehr Stress gebrauchen", erzählte ich. „Kann ich verstehen", gab er mir wieder einen kurzen Kuss in die Haare.

An das Gefühl hätte ich mich gewöhnen können. Immer wieder überlegte ich, ob ich Austin von meiner letzten Beziehung erzählen sollte, aber entschied mich jedes Mal dagegen. Ich wollte den schönen Moment nicht mit so etwas zerstören. Tatsächlich konnte ich mich kaum auf die Serie konzentrieren, weil ich viel zu sehr von Austins Hand abgelenkt war. Immer wieder streichelte er über meinen Oberarm, was mir zusätzlich eine Gänsehaut einjagte.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt