#74 Mission

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Austin

Zwei Wochen waren seit dem Ball vergangen. Casper war noch immer Trübsal am blasen, wobei er seine Finger nicht vom Alkohol lassen konnte. Dylan und ich hatten ihn keinen Augenblick nüchtern erlebt.

Während Dylan auf Casper aufpasste, war ich in die Stadt gefahren. Dylan wollte unbedingt einen Milchshake haben, was ich ihm nicht abschlagen konnte.

Bei der netten Bedienung bestellte ich das gewünschte Getränk, welches ich sofort bezahlte. Zum warten setzte ich mich an einen der Tische. Es dauerte nicht lange, bis ich meine Bestellung bekam. Sie legte mir noch die Rechnung dazu, wo ihre Nummer drauf stand. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf, wobei ich die Rechnung liegen ließ.

Ich wollte Dylan nicht allzu lange mit Casper alleine lassen, wodurch ich schnellen Schrittes zu meinem Auto lief. Abrupt blieb ich stehen, als ich ihn sah. Ben saß mit einer Frau auf einer Bank. So viel zum Thema er wäre verschwunden.

Lange fackelte ich nicht, denn ich wollte ihn zur Rede stellen. Bestmöglich ohne ihm an die Gurgel zu gehen. Oder ein Drama mitten in der Stadt anzufangen. Erschrocken schaute Ben hoch, als ich vor ihm zum stehen kam.

„Können wir reden?", fragte ich, wobei ich ein falsches Lächeln aufsetzte.

Verwirrt schaute Ben zu mir hoch, aber erhob sich schließlich von der Bank. Zügig entschuldigte er sich noch bei seiner Begleitung. Stumm liefen wir wenige Meter.

„Warum?", war das einzige, was ich herausbrachte. „Was?", zog Ben seine Augenbrauen hoch. „Casper", erläuterte ich.

Seufzend fuhr Ben sich durch die Haare. Er wollte wieder gehen, aber ich zog ihn an seiner Schulter zurück.

„Ben", zischte ich seinen Namen wütend. „Wie erkläre ich dir das jetzt am besten? Ben ist mein Zwillingsbruder. Ich bin Merlin, also die bessere Hälfte von uns beiden", offenbarte er mir, während er sich verlegen am Hinterkopf kratzte.

Scheiße. Wie peinlich war das denn bitte? Ich haute selber die Hand gegen die Stirn, denn es war mir so unangenehm. Einen Fremden hatte ich einfach so dumm angemacht. Nun war es wohl positiv, dass ich ihm nicht direkt eine reingehauen hatte oder so.

Merlin wollte wissen, warum ich so wütend auf seinen Bruder war. Wahrscheinlich hatte ich nicht das Recht dazu, aber ich erzählte ihm alles, was passiert war. Sogar das, was Ruby mir erzählt hatte. Er war ebenfalls sehr überrascht von der ganzen Aktion.

„Ben ist nicht so", ein Hauch von Ungläubigkeit schwebte in seiner Stimme. „Wo ist er?", wollte ich hoffnungsvoll wissen. „Bei mir Zuhause. Ich werde Mal mit ihm reden, aber ich muss jetzt wirklich wieder zu meiner Freundin", meinte er.

Wir tauschten noch unsere Nummern, damit er mich erreichen konnte, wenn Ben etwas zu dem Thema sagt. Ich nahm mir vor, dass ich Casper nichts von der Begegnung erzählen würde, denn ich wollte ihm keine Hoffnungen machen.

„Wo ist Casper?", wollte ich wissen, als Dylan seinen Milchshake entgegen hielt. „Mit einem Taxi nach Hause gefahren", meinte Dylan. „Und du weisst, dass es zu kalt ist, um nur in kurzen Klamotten hier draußen zu stehen?", neckte ich ihn. „Dann wärm mich", lehnte er sich gegen mich.

Sofort legte ich meine Arme um seinen Bauch. Zusammen schauten wir auf den Pool, wo noch immer der Flamingo herum schwamm. Erschöpft ließ er seinen Kopf gegen meinen Schulter fallen.

„Ben hat einen Zwillingsbruder", meinte ich. „Was?", drehte Dylan sich schockiert zu mir um.

Ich erzählte ihm vor meiner peinlicher Situation in der Stadt. Erst musste Dylan lachen, aber dann schien er nachdenklich. Als ob er einen Plan hätte zog er mich mit rein, drückte mich auf die Couch, um mich im nächsten Moment als seine Sitzmöglichkeit zu nutzen.

„Du schreibst ihm jetzt. Wir treffen uns mit Ben und dann stellen wir oder ich, mir egal, dieses Arschloch zur Rede", forderte Dylan mich auf. „Aber Merlin wollte mir schreiben, wenn er mit Ben gesprochen hat", erinnerte ich ihn. „Mir egal. Ich kann Casper so nicht mehr sehen. Er braucht zumindest eine Erklärung, um darüber hinwegzukommen", widersprach er mir.

Seufzend griff ich nach meinem Handy, denn er hatte irgendwie recht. Casper so zerstört zu sehen, tat einem weh. Er musste darüber hinwegkommen.

Merlin

Schon mit Ben gesprochen?

Nein

Ich muss mit ihm reden

Warum?

Es ist wichtig

Oke, komm zu mir

~~~

Merlin schickte mir noch die Adresse, wobei er erwähnte, dass er Ben vor das Haus schicken würde. Er wollte nicht, dass irgendein Streit bei ihm ausgerichtet wurde.

„Wenn du jetzt noch von mir aufstehst, können wir los", witzelte ich. „Eigentlich bist du ganz bequem", beugte Dylan sich zu mir runter. „Hatten wir nicht eigentlich eine andere Mission?", fragte ich, nachdem er mir einen Kuss gegeben hatte.

Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, war Dylan aufgesprungen. Er rannte nochmal nach oben, weil er sich umziehen wollte. Kurze Klamotten hielt er dann doch nicht als so sinnvoll im Herbst.

Als Dylan wieder runterkam, sah ich direkt, dass er einen Pullover von mir hatte. Genau genommen meinen Lieblingspullover, den ich seit zwei Wochen am suchen war. Da hätte ich lange suchen können.

„Schau nicht so blöd, den hast du hier liegen lassen", lief Dylan grinsend an mir vorbei. „Bekomme ich den wieder?", fragte ich, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte. „Vielleicht. Mal schauen", gab er mir frech zurück. „Spätestens, wenn ich ihn dir vom Leib reiße", gab ich von mir.

Mit aufgerissenen Augen schaute Dylan mich an, aber lachte schließlich. Er schien mich nicht ernst zu nehmen, aber das war mir egal. Spätestens, wenn ich es in die Tat umsetzen würde, würde er merken, wie Todernst ich das gemeint habe.

Mit einem schlechtem Gefühl ließ ich mich auf den Beifahrersitz nieder. Ich wusste nicht, wie gut es enden würde, wenn wir mit Ben sprechen. Auf der anderen Seite interessierte mich seine Begründung viel zu sehr.

„Adresse", schaute Dylan mich auffordernd an. „Bist du dir ganz sicher, dass du jetzt machen möchtest?", prüfte ich. „So sicher, wie als ich ja zu unserer Beziehung gesagt habe", verglich er.

Ich hielt ihm mein Handy hin, damit er die Adresse in sein Navi eintippen konnte. Das Ziel war am anderen Ende, der Stadt, was für uns eine halbe Stunde fahrt bedeutete.

„Was machst du, wenn Ben wirklich eine plausible Erklärung hat?", wollte ich wissen. „Egal, was er sagt, ich werde versuchen ihn dazu zu bringen, dass er sich zumindest bei Casper erklärt. Er muss nicht mit ihm zusammen bleiben, aber eine Erklärung ist er ihm schuldig", war Dylan der Meinung.

Ansicht stimmte ich ihm vollkommen zu, aber er konnte Ben zu nichts zwingen. Es war im Grunde Bens Entscheidung, wem er eine Erklärung gab und wem nicht. Wahrscheinlich würde es schon an einem Wunder grenzen, wenn er mit uns reden würde.

Der Verrat in PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt