Kapitel 13

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Der Sonntag verlief ähnlich langsam und ähnlich langweilig wie der Samstag. Nicht zu glauben, dass Mathias sich noch immer nicht gemeldet hatte. Ich hatte gehofft, er hätte gestern einfach keine Zeit gehabt, aber gar nicht melden? Zwei Tage lang? Ich war abgeschrieben für ihn. Und das tat bei weitem mehr weh als mein Fuß.
Montags konnte ich mich zumindest etwas mit Arbeit ablenken. Kretzsche hatte mir den Laptop gebracht und sich zu einem schnellen Kaffee zu mir gesellt, bevor er dann aber wieder ins Trainingslager musste. Heute stand der Laktat-Test an. Auf den freute sich wohl niemand. Und ich hätte gerne dabei zugesehen, aber ich war gezwungen meinen Fuß hochzulegen und still zu halten. Aber Kretzsche versprach, mir abends davon zu berichten. Und dann setzte ich meine Arbeit fort. Ich schrieb GOG an und fragte, ob sie als vierte Mannschaft bei unserem Sommerfest dabei sein wollten. Hoffentlich würde ich eine schnelle - und vor allem positive Rückmeldung bekommen. In meiner Mittagspause klingelte plötzlich mein Handy. Ich stöhnte und stand von der Couch auf, hüpfte rüber zum Schreibtisch und sah auf den Bildschirm. Mathias. Sollte ich rangehen? Oder ich ließ ihn einfach genau so zappeln wie er mich?
„Hallo", begrüßte ich ihn schließlich und versuchte so neutral wie möglich zu klingen. Aber mein Herz schlug bis zum Anschlag.
„Hi, hier ist Mathias", meldete er sich und ich musste lächeln, als ich seine Stimme hörte.
„Mathias, es tut mir so Leid, ich wollte am Freitag wirklich kommen, ich"
„Schon gut! Bob hat unsere Mannschaft erzählt, dass du bist verletzt. Wie geht es dir?"
„Mein Fuß ist gebrochen, sonst geht's mir gut."
„Ich hab mir Sorgen gemacht. Ich habe versucht anzurufen, aber Handy war aus."
„Ja, ich bin vom Pferd gefallen und mein Handy ist kaputt gegangen..."
„Oh nein, tut sehr weh?"
„Nein, schon okay. Aber mein schlechtes Gewissen dir gegenüber bringt mich um."
„Ich wollte gehen zu deiner Wohnung, aber dann, ich dachte, dass du das vielleicht nicht willst..."
„Ich war im Krankenhaus, es wäre niemand da gewesen. Ich habe gestern versucht, dich anzurufen. Aber du hast mich weggedrückt."
„Ich war in Podcast und anonym ich kann nicht zurückrufen! Ich wusste nicht, dass du das bist...", erklärte er. Jetzt wurde mir so einiges klar...mein neues Handy war noch nicht umgestellt. Und ich machte mir einen Kopf darüber, dass er absichtlich nicht mit mir sprechen wollte. Mir fiel eine solche Last ab, ich atmete auf.
„Ich dachte du wolltest nichts mehr von mir wissen!", gestand ich.
„Was? Nein! Natürlich nicht! Ich mag dich", antwortete er und lachte dabei. Und ich bekam mein Grinsen nicht aus dem Gesicht.
„Ey, ist das Malia?", hörte ich im Hintergrund Paul fragen.
„Natürlich ist das Malia, guck mal wie er grinst", hörte man Hans' Stimme.
„Hey!", beschwerte sich Mathias.
„Hat die Arme nicht mal Ruhe, wenn sie krankgeschrieben ist...", seufzte Paul, „jetzt rück mal das Handy raus, Gidsel!"
„Hey!", hörte ich Mathias nochmal rufen.
„Hi, hier ist Paul", meldete sich dann eine neue Stimme.
„Hi", lachte ich, „hast du Mathias jetzt wirklich sein Handy weggenommen?!"
„Ich wusste falls er deine Nummer hat, würde er sich nach der Info von Bob sofort bei dir melden und fragen wie's dir geht. Da dachte ich, ich geh mal hinterher. Also: wie geht's dir?"
„Es ist okay. Das Wochenende war total langweilig, jetzt arbeite ich von Zuhause aus."
„Aber Fräulein, eine Sache müssen wir schon noch besprechen: ‚Wende dich an Paul' heißt nicht automatisch, ‚ahme seine Verletzungen nach'! Ein Fußkranker pro Mannschaft reicht!", neckte er mich.
„Sorry, da hab ich wohl nicht richtig zugehört!", spielte ich mit und lachte dann.
„So, wir müssen wieder rein. Heute ist Laktat-Test. Seh zu, dass du schnell wieder fit wirst, wir brauchen dich hier!", verabschiedete er sich.
„Danke dir, bis dann!", sagte ich. Dann legte er auf. Und ich wäre - wenn ich denn gekonnt hätte - einmal vor Glücksgefühlen durch die ganze Wohnung geflitzt. Es war nur ein blödes Missverständnis, mit Mathias und mir war alles in Ordnung. Blieb nur noch der Fuß und das Sommerfest. Und so arbeitete ich den Rest des Tages weiter an der Umsetzung des Sommerfestes. Mein Kopf war nun wieder viel freier und die Ideen sprudelten so aus mir heraus. Im Laufe des Tages bekam ich viele Nachrichten von der Mannschaft. Von Lasse, Hans, Marsa, Nils, Fabi...eigentlich von allen. Sogar Jaron meldete sich kurz. Das wäre mir in meiner früheren Mannschaft auf dem Land nicht passiert. Ich verspürte wieder dieses wahnsinnige Glück, was ich doch hier hatte. Und ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder vor Ort zu sein. Aber erstmal hieß es: Fuß hochlegen. Daher arbeitete ich die meiste Zeit auf der Couch und mit dem Laptop auf dem Schoß.
Nach Feierabend meldete sich meine Mutter wieder. Sie rief seit dem Unfall täglich dreimal an und kontrollierte, ob ich mich genug schonte.
„Ja Mama, mach dir keine Sorgen!", lachte ich immer wieder.
„Ich hab mit Papa gesprochen. Es wäre besser, du kommst nach Hause", erklärte sie dann.
„Nach Hause? Mama, ich arbeite!"
„Du bist krank geschrieben. Und du hast doch deinen Laptop. Komm nach Hause, wir können uns um dich kümmern, du musst nicht einkaufen gehen, nicht kochen, nicht putzen...du legst dich entspannt auf die Couch und wir machen den Rest."
„Mama, das ist total lieb, aber nicht nötig!", widersprach ich.
„Denk an deine schnellere Genesung, Kind! Es ist sicher nicht von Vorteil, wenn du den halben Tag auf dem anderen Fuß rumspringst!"
„Mama...ich bin nicht totkrank!", lachte ich.
„Willst du nicht nach Hause?", fragte sie dann enttäuscht.
„Och Mama, doch natürlich, aber mein Zuhause ist doch jetzt hier in Berlin...was nicht heißt, dass ich euch nicht vermisse!"
„Eine Woche. Du kommst eine Woche nach Hause, bis sich dein Fuß beruhigt hat und dann fahren wir dich wieder zurück!"
„Und meine Kontrolltermine?!"
„Kannst du auch in Köln machen!"
„Na gut...aber ich muss noch mit meinem Chef sprechen!", stöhnte ich. Zugegeben: Ein bisschen freute ich mich natürlich schon auf meine Familie und meine Freunde. Aber ich war nun mal auch gerne in der Nähe von Lasse und Mathias. Aber vielleicht hatte Mama recht. Einkaufen und putzen mit Krücken war etwas schwieriger. Und nach Bob's Zustimmung ging es für mich am nächsten Tag dann tatsächlich nach Hause. Ich versprach ihm, im Homeoffice weiterzuarbeiten, aber ich glaube, ich musste ihm keine Argumente nennen. Man merkte, dass er ein schlechtes Gewissen hatte...
Papa fuhr extra die lange Strecke von Köln nach Berlin mit dem Zug, dann mit dem Taxi zu meiner Wohnung, um mich abzuholen. Ich hatte derweil die wichtigsten Dinge in einen Rucksack eingepackt und wartete nun auf ihn.
„Ich habe ein Vierer-Abteil gebucht, dann kannst du im Zug dein Bein hochlegen!"
„Och Papa...", lachte ich.
Mein Plan war es, auf der Rückfahrt weiter zu arbeiten. Das erste, was ich sah, war eine Absage von GOG. Ich seufzte und klappte den Laptop erstmal wieder zu. Jetzt also doch Magdeburg...
„Schlechte Nachrichten?", fragte Papa.
„GOG hat keine Zeit..."
„Ostderby?", grinste er.
Ich zuckte mit den Schultern und überlegte. Ich starrte lange einfach aus dem Fenster. Und dann setzte ich auf Kontakte. Denn für eine weitere Absage war keine Zeit. Kretzsches Sohn Elvis spielt in der Jugend von Magdeburg, er hat sicher gute Kontakte und eine höhere Chance auf eine Zusage. Also schrieb ich ihn an und bat ihn um Hilfe. Und im gleichen Moment überlegte ich mir weitere Alternativen. An einem vierten Teilnehmer sollte es nicht scheitern!

Es war bereits dunkel, als wir Zuhause ankamen. Mama hatte für uns gekocht und stellte sich auf einen langen Abend ein. Schließlich hatten wir uns länger nicht gesehen. Aber ich verabschiedete mich nach dem Essen sofort ins Bett und lächelte bei dem Gedanken, nochmal in meinem alten Kinderzimmer zu schlafen. Aber es fühlte sich gut an, hier zu sein. Und vielleicht half es meinem Fuß ja wirklich, schneller zu heilen. Wer weiß das schon.

Ich verbrachte die meiste Zeit in der Woche - wie ich bereits angekündigt hatte - mit meinem Laptop auf der Couch. Meine Mama rannte für jede Kleinigkeit los, damit es mir an nichts fehlte. Am Mittwoch kam endlich auch die Zusage von Magdeburg, die mich aufatmen ließ. Das große Ganze war geschafft. Jetzt kam die Feinarbeit und der Zeitplan. Und natürlich die Werbung nach außen über Social-Media und Plakate. Darauf setzte ich Lisa an, die sich um den Füchse-Account kümmerte. Und so viel ich auch Zeit auf der Couch verbrachte, so anstrengend waren meine Tage trotzdem. Abends gegen 20 Uhr klingelte mein Handy.
„Hallo?", meldete ich mich.
„Hey pretty girl, Date-Night, mach die Tür auf!"
„Lasse?!"
„Ich hör dich noch nicht durch deine Wohnung springen. Bist du schneller, wenn ich dir sage, dass Mathias auch kommt?"
„Ich bin in Köln", antwortete ich.
„Wie? In Köln?"
„Ich bin Zuhause, Lasse."
„Oh, das ist...blöd...wir wollten dich überraschen!"
„Ich bin auch überrascht!", sagte ich, „danke!"
„Wann bist du wieder in Berlin?"
„Nächste Woche denke ich..."
„Na gut, muss ich halt mit Mathias rummachen, wenn du nicht da bist!"
„Lasse!", beschwerte ich mich und hörte ihn lachen, „jetzt hört doch alle mal auf damit!"
„Komm schon, Malia! Wir helfen nur nach!"
„Aber vielleicht wollen wir das ja gar nicht!"
Kurze Stille.
„Lasse, bist du noch da?"
„...Du willst nicht?", fragte er nach. Ich seufzte.
„Hey, du bist sein bester Freund. Ich kann nicht mit dir über ihn sprechen!"
„Komm schon Malia, so mies kann eure erste Nacht nicht gewesen sein!"
„Unsere was?! Lasse, da läuft nichts!"
„Jaja, ich weiß. Ihr habt nach dem Grillen nur auf einer Bank gesessen und geredet..."
„Ja, so war's auch!"
„Ich hab mit meiner Frau auch nur geredet, neun Monate später kam Kalle auf die Welt!"
„Lasse, hör auf diese Gerüchte zu streuen! Das ist nicht lustig!"
„Spießer!", lachte er, „alle beide!"
„Bist du fertig?"
„Ja, dann sag ich Mathias jetzt mal Bescheid, dass du ihn nicht sehen willst..."
„Das wirst du nicht machen!"
„Okay, Spaß beiseite. Bist du verliebt?"
Ich stockte kurz. Bin ich schon verliebt?
„Wir kennen uns kaum, keine Ahnung..."
„Ich rede nicht von Liebe. Ich rede von verliebt sein. Das kommt meistens schon bevor man sich richtig kennt", half er mir auf die Sprünge.
„Ich mag ihn. Mehr weiß ich noch nicht", antwortete ich stattdessen.
„Dir fällt es schwer zuzugeben, dass da was ist. Ich glaube dein Ex-Freund hat was damit zu tun..."
„Nein, Chris ist", ich stockte, „Lasse! Hör auf mich zu manipulieren!"
„Es gibt also einen Ex-Freund und sein Name ist Chris...", stellte er fest, „und er hat dir das Herz gebrochen. Und du hast Angst, dass dir das nochmal passiert und wir alle das mitbekommen werden!"
Treffer versenkt. Wie machte er das nur?
„Die Beziehung ist ewig her, das hat nichts damit zu tun!"
„Also, was sag ich ihm jetzt?", fragte Lasse nochmal nach, „soll er sich erstmal fernhalten?"
„Nein...aber hör auf damit, seinen Wingman zu spielen! Was passiert, passiert und wenn nicht, auch okay."
Lasse seufzte. Aber er konnte mich schon besser lesen, als mir lieb war. Noch mehr musste er erstmal nicht erfahren...
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Ihr Lieben :)
Was ein Wochenende beim Pokal Final 4 :O Zwei Niederlagen für die Füchse :( Es tat echt weh in die enttäuschten Gesichter zu sehen :(
Glückwunsch an Magdeburg!

Wie sind eure Gedanken zu dem neuen Kapitel? Lasst es mich gerne wissen :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt