Kapitel 44

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Am Sonntag war es etwas ruhiger, ich verbrachte den Tag in meiner Wohnung. Räumte auf, machte sauber. Was man eben so tat, wenn man einmal frei hatte und alleine war. Nachmittags kuschelte ich mich auf mein Sofa und sah mir das Spiel gegen die Bergischen Löwen an. Die Füchse führten das ganze Spiel über und gewannen am Ende souverän mit 30:34. Es war das erste Spiel, an das ich mit weniger Nervosität ranging. Ich konnte nach langer Zeit endlich mal wieder entspannt Handball schauen. Und ich nahm mir vor, früh ins Bett zu gehen. Ausgeschlafen hatte ich nun schon länger nichtmehr. Und Mathias würde eh erst spät am Abend oder sogar erst nachts wieder in Berlin ankommen. Entsprechend freute ich mich schon auf Montagnachmittag, wenn wir uns endlich wiedersehen. Aber zunächst standen Sponsorengespräche mit Bob auf dem Programm. Heute war es nochmal wichtig, die Geldgeber mit passenden Argumenten bei Laune zu halten. Da spielte auch der erste Eindruck eine große Rolle und somit hatten Bob und ich einen Dresscode verabredet. Ich band meine Haare zu einem strengen Zopf nach hinten und schminkte mich etwas stärker. Wie schon beim Sommerfest kam mir der Gedanke, ich würde mir dadurch mehr Seriosität oder Mut aufmalen, aber dem war nicht so. Das ließ mich vor dem Spiegel kurz schmunzeln. Ich zog ein dunkelblaues, knielanges Kleid an und kombinierte es mit einem weißen Gürtel und weißen Schuhen mit Absatz. Die ersten Meter waren schwierig. Mein Fuß war zwar wieder in Ordnung, aber etwas wackelig war es trotzdem noch. Ich wünschte mir sofort meine Turnschuhe zurück. Aber heute trafen wir wohl auf hochrangige Geschäftsleute, da mussten wir Eindruck schinden.
Bob nahm mich heute mit seinem Auto mit zur Geschäftsstelle, so musste ich nicht in dem Aufzug durch die Stadt laufen.
„Gut siehst du aus", begrüßte er mich.
„Gleichfalls!", lächelte ich und stieg ein. Er trug einen grauen Anzug. Das sah wirklich gut an ihm aus, wenn auch ungewöhnlich. Man war von Bob ja eigentlich immer etwas Farbenfrohes gewohnt. Unser erster Termin erfolgte auf unserer Geschäftsstelle. Ich ließ Bob vorerst das Gespräch führen und band mich dann später mit ein. Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich erinnerte mich an das erste Sponsorengespräch mit Herrn Maus vor ein paar Wochen. Ich wollte es besser machen. Und ich erinnerte mich auch an die Worte von Hans ‚Sei kein Hund'. Ich konnte also nicht einfach nur so dasitzen und Bob reden lassen, zwischendurch vielleicht mal nicken. Ich musste von Beginn an Stärke zeigen. Und jetzt war es soweit. Und es lief gut. Besser als ich dachte. Mir fielen plötzlich Fachbegriffe und Fremdwörter ein, die meine Sprache nochmal um einiges hoben. Ich sah in interessierte Augen.
„Was ist das Ziel für diese Saison?", fragte einer der Männer. Ich sah Bob an. Er breitete seine Handfläche aus und deutete auf mich. Er ließ mir den Vortritt.
„Nun, es gibt mehrere Ziele für diese Saison: Nicht nur die Bundesliga und damit die nächste Chance auf die Deutsche Meisterschaft, sondern vor allem auf das Erreichen der Champions League und die Titelverteidigung des EHF-Pokals."
„Und im DHB-Pokal werden wir auch angreifen", ergänzte Bob.
„Richtig. Es gibt viel zu tun, aber die Mannschaft hat die Qualität und den Willen und wir sind sehr zuversichtlich, den Verein in dieser Saison weiterzubringen...", es folgte ein langer Monolog meinerseits. Bob nickte anerkennend. Wir verabschiedeten uns schließlich von den Herren mit einem Handschlag. Als die Tür schließlich zuging, atmete ich erleichtert auf.
„Das war super, Malia!", lächelte Bob und strich mir über den Rücken, „ich bin stolz auf dich!"
„Oh, danke Bob!", sagte ich überrascht. Ich griff an meine Kette. Sie war wohl wirklich nun mein Glücksbringer.
„Frühstück?", fragte Bob und ich nickte.
„Na komm, ich lade dich ein!"
„Das ist aber nicht nötig!"
„Das mache ich gerne. Als kleines Dankeschön für dein Engagement." Wir verließen die Geschäftsstelle und gingen in ein Café, wo Bob zwei Frühstücksmenüs orderte und wir uns dann in eine ruhige Ecke auf zwei gemütliche Sessel setzten.
„Ich bin wirklich froh, wie wir uns ergänzen", begann er, „ich muss zugeben, ich hatte meine Zweifel."
„Ich auch", gab ich zu, „aber du hast mich so nett aufgenommen."
„Das ist selbstverständlich. Jeder kriegt seine Chance. Und du hast deine genutzt."
Ich lächelte und nippte an meinem Kakao. Es war ein tolles Gespräch mit Bob, wir redeten nochmal über das Sommerfest und die nächsten, anstehenden Termine. Dann ging es zurück zur Geschäftsstelle. Langsam drücken meine Füße in den engen Schuhen, aber wie sagt man doch so schön: Wer schön sein will muss leiden. Das spürte ich gerade. Ich hätte ein zweites Paar Schuhe mitnehmen sollen...
Die Gäste für unser zweites Gespräch sahen der ersten Runde ähnlich. Alles Anzugsträger. Aber es ging auch um echt viel Geld und es brachte eine gewissen Größe ins Gespräch. Wir setzten uns an den Besprechungstisch, Bob stellte mich vor. Dann war es kurz still.
„Bitte", sagte er und machte wieder seine berühmte Handbewegung um mir den Vortritt zu lassen. Er wollte wirklich, dass ich das Gespräch leitete? Bob Hanning nahm sich zurück? Und ließ mich ein derart wichtiges Gespräch führen? Ich lächelte dankend und nahm die Herausforderung an. Und es war ein tolles Gefühl. Ich konnte helfen. Ich konnte was verändern. Und ich konnte die Sponsoren davon überzeugen, uns finanziell stärker zu unterstützen, als eigentlich geplant. Am Ende des Tages hatten wir eine gute Summe plus gemacht, mit der wir nun planen konnten.
„Schlag ein!", lächelte Bob und hielt mir seine Hand hin, „das war großartig!"
„Es hat Spaß gemacht!"
„Und genau das ist der Grund, warum die finanziellen Mittel aufgestockt wurden: Herzblut. Und das hast du!"
„Ich dachte wir müssen um die einkalkulierten Summen kämpfen...", gab ich zu.
„Dachte ich auch. Aber du hast es grandios gemacht!", lachte er und nahm mich kurz in den Arm.
„Das sieht nach einem erfolgreichen Tag aus!", lachte Kretzsche und kam auf uns zu.
„Malia war unschlagbar", erzählte Bob, „wenn es irgendwas gibt, was ich tun kann, um das zu würdigen, dann sag gerne Bescheid!"
„Danke, Bob!", lächelte ich und wank ab. Jetzt etwas fordern? Nein! Es war vielleicht auch etwas Glück, dass die Sponsoren so nett waren. Morgen sah die Welt vielleicht schon wieder anders aus. Aber...gerade war er so glücklich und befreit. Und Verhandlungen hatte ich heute schon on masse durchgespielt.
„Ähm...also...ehrlich gesagt...da wäre eine Sache...", gab ich zu und spielte nervös mit meinen Fingern.
„Lasse?", fragte Kretzsche und ich nickte. Die beiden sahen sich an. Bob zuckte mit den Schultern. Hatte ich es übertrieben?

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt