Kapitel 48

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Zurück in meiner Wohnung kamen mir erneut die Tränen. Ich war selbst schuld, aber ich schob all meine Schuld und Wut auf Chris. Ich legte mich in mein Bett und starrte die Decke an. So würde es jetzt immer sein. Tag aus, Tag ein. Arbeit und Bett. Mehr nicht. Klang grausam, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Mannschaft davon erfuhr. Ich hörte meine Klingel, doch ich rührte mich nicht. Wer immer es auch war, sollte verschwinden. Erneut klingelte es. Und erneut dachte ich nicht eine Sekunde darüber nach, aufzustehen und die Tür zu öffnen. Doch dann klingelte es Sturm. Ich nahm mein Kissen, drückte es an meine Ohren und stöhnte. Konnte man mir nicht meine Ruhe lassen?! Schließlich schlurfte ich doch zur Tür. Dieser Lärm machte mich wahnsinnig!
„WAS?!", brüllte ich in den Hörer, der mit der Haustür verbunden war, „HALLO?!" Niemand antwortete. Aber es klingelte weiter. Na warte! Für blöde Klingelstreiche war ich heute echt nicht zu haben. Ich riss die Wohnungstür auf und wollte runter zur Haustür, doch stoppte dann plötzlich.
„Hi", lächelte Jerry mich an.
„Jerry - warum klingelst du Sturm?!"
„Ich dachte mir, du würdest nicht aufmachen."
„Richtig. Ich will alleine sein."
„Schau mal", sagte er und zeigte mir eine große Packung Schoko-Eis und zwei große Löffel, „Schokolade heitert bestimmt auf! Und hilft gegen Liebeskummer."
„Aber ich hab gar keinen...na schön, komm rein!"
Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Jerry öffnete die Eispackung und reichte mir einen Löffel.
„Ich will nicht reden...", murmelte ich nochmal.
„Musst du gar nicht. Ich wollte nur, dass du nicht alleine bist!"
„Das ist lieb", seufzte ich und nahm meinen ersten Löffel Eis. Und es war tatsächlich lange still zwischen uns. Er ließ mich in Ruhe, aber er war trotzdem für mich da. Und ich war vielleicht auch ein bisschen froh, dass er mich ablenkte.
„Wie war das Spiel?", versuchte ich dann zumindest irgendein Gesprächsthema aufzugreifen.
„Du warst doch dabei!", lachte er.
„War nicht so ganz bei der Sache..."
„Viele Bälle hab ich nicht bekommen...Lasse war ein bisschen neben der Spur. Hat das mit eurem Streit zu tun?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Tut mir Leid, ich frag nicht weiter", ruderte er zurück.
„Sag mal...wie ist es eigentlich so in Schweden?", lenkte ich das Thema um.
„Wunderschön", strahlte er und begann einen ewig langen Monolog. Ich hörte ihm gerne zu, wie er von seiner Heimat sprach. Und wie glücklich er dort war. Und er brachte mich zum Lächeln. Nicht nur einmal. Und so nahm der doch so schreckliche Tag ein versöhnliches Ende.
„Wir haben das ganze Eis gegessen", stellte ich fest und lachte.
„Na und? Du lachst wieder. Es hat geholfen!"
„Danke Jerry", sagte ich und umarmte ihn. Er erwiderte die Umarmung.
„Ich hab keine Ahnung, was abging. Aber ich finds nicht richtig, dich alleine stehen zu lassen. Du kannst immer zu mir kommen, okay?"
Ich nickte, während mein Kopf immer noch an seiner trainierten Brust verweilte. Dann lösten wir uns langsam wieder. Ich verabschiedete ihn an der Haustür. Es war wirklich schön, dass er da war. Es ließ mich etwas aufatmen. Ich war nicht allein.

Einige Tage vergingen. Ich hatte Lasse versucht anzurufen, hab ihm geschrieben, dass wir reden müssen und war noch zwei Mal beim Training. Jedes Mal das Gleiche. Er ignorierte mich und war höchst aggressiv und genervt von mir, schrie mich an, wenn ich ihn ansprach und ließ mich ziemlich blöd aussehen. Und das tat weh. Sehr weh. Hans versuchte, ihn zu besänftigen, aber das ließ Lasse nicht zu. Ich war ihm dankbar, aber ich konnte ihm nichtmehr in die Augen sehen. Ich schämte mich einfach so sehr, dass er nun Bescheid wusste und sich den restlichen Teil denken konnte. Hans suchte ab und zu das Gespräch mit mir, aber ich ging ihm aus dem Weg, lief quasi fast vor ihm weg. Eigentlich machte mich dieses Verhalten keinen Ticken besser als Lasse. Aber ich konnte nicht reden. Ich wollte nicht reden. Und Mathias? Der ließ sich sehr von Lasse beeinflussen. Und Lasse nutzte das aus. Er ließ Mathias gefühlt keine Minute aus den Augen, wenn ich in der Nähe war, um ihn scheinbar auf seiner Seite zu halten. Ich war mir sicher, er hätte mich angesprochen, aber nicht, während Lasse anwesend war. Wollte Lasse mich wirklich so sehr verletzen? Ich nahm auf jeden Fall erstmal Abstand zur Mannschaft und konzentrierte mich auf meinen Job. Aber es machte mich unglücklich, so außen vor zu sein. Wie damals.

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt