Immer wieder ging ich die Fehler dieses Tages durch. Immer wieder hätte ich mir gegen den Kopf schlagen können. Na gut zugegeben, das tat ich auch.
„Ach, komm schon! Ist doch nicht so schlimm!", versuchte Mathias mich zu trösten.
„Nicht so schlimm?! Was daran ist bitte nicht schlimm?!"
„Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Und wenn du das nicht machen, das wäre seltsam, oder?", fragte er mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. So locker, wie er einfach immer war.
„Ach Mathias, wie kannst du nur immer so positiv sein?"
„Ich versuche, einfach alles zu genießen! Das solltest du auch!", antwortete er, kam auf mich zu und drückte uns beide auf die Couch, sodass er oben lag und mir nun die Haare aus dem Gesicht strich.
„Jetzt nicht!", sagte ich und löste mich wieder von ihm, „ich will den Superstar nicht ablenken..." Gut, den letzten Halbsatz hätte ich weglassen sollen. Mathias stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah zu Boden. Man merkte, dass er überlegte. Er überlegte, wie er mir helfen konnte. Und plötzlich schien ihm was einzufallen, denn er sah erschrocken nach oben und verabschiedete sich dann.
„Mathias, wo willst du hin?!", rief ich ihm hinterher. Schnellen Schrittes gingen wir beide zur Haustür.
„Wir sehen uns morgen, okay?", sagte er und drückte schnell seine Lippen auf meine.
„Was? Aber, du"
„Bis morgen!" Dann verschwand er aus meinem Sichtfeld. Ich seufzte. Ich konnte mich glücklich schätzen, ihn zu haben. Aber jetzt hätte ich ihn lieber hier statt irgendwo sonst wo er sich vielleicht um mein Problem kümmerte. Ich wollte gar nicht, dass er sich darum kümmerte. Ich wollte das selber lösen. Aber ich musste wiederum ehrlich zu mir selbst sein: ein Mathias Gidsel hat es bei Bob Hanning nun mal deutlich leichter als ein No Name. Ich konnte mir schon denken, was er tat. Er würde mit Bob sprechen und die Schuld auf sich nehmen. Und das konnte entweder gut sein für mich oder eben auch katastrophal. Fakt war aber: ich hätte ihn nicht davon abbringen können. Und so brachte ich mal wieder meine zwei besten Freundinnen auf dem aktuellsten Stand. Etwas später am Abend schrieb ich dann noch einmal Lasse, um mich nach Nanna zu erkundigen. Momentan kam einfach auch wieder alles zusammen. Ich würde sie morgen besuchen und auch versuchen zu trösten. Ich meine, ich wusste ja, wie sie sich fühlte. Und Lasse und Mathias wussten, dass ich das wusste, was sie aber nicht wusste. Ihr seht schon: alles sehr kompliziert. Zu formulieren, auszusprechen und zu lösen. Kompliziert. Vielleicht war dieses Wort das Wort meines Lebens. Dabei hatte ich doch nun einen Menschen in meinem Leben, der eigentlich alles andere als kompliziert war.Ich schlurfte praktisch zur Arbeit. Ich hatte mir schon eine Entschuldigung zurecht gelegt. Ich wollte es nochmal bei Bob versuchen. Gestern war er sicher sehr emotional, nun hatte er eine Nacht darüber geschlafen und vielleicht könnte man wieder besser mit ihm sprechen. Das hoffte ich. Insgeheim wusste ich aber: Wenn er mich zerreißen wollte, dann könnte er das auch tun. Ganz leichtes Spiel. Und das war ihm klar. Wollte er mich also nun wirklich loswerden? Oder weiß er insgeheim, was er an mir hat? Da ging es schon wieder los. Fragen über Fragen in meinem Kopf. Aber diese Fragen müssen raus! Und ich war bereit dazu, sie ihm offen zu stellen.
„Malia, kommst du bitte mal?", rief er, als ich zu Beginn meines Arbeitstages an seinem Büro vorbei ging und ein neutrales ‚Guten Morgen' durch seine offene Bürotür verlauten ließ. Mein erster Weg führte also heute nicht in mein Büro, sondern direkt zu Bob.
„Ich glaube, es ist noch nicht alles gesagt", begann er und bat mir mit einer Handbewegung einen Stuhl gegenüber von ihm an.
„Ja, ich wollte das Gespräch ebenfalls nochmal suchen!", antwortete ich. Groß machen, Brust raus. Blick in die Augen. Keine Schwäche zeigen. Fehler eingestehen. Aber nicht mehr. Keine persönliche Ebene.
„Hast du Mathias gestern Abend zu mir geschickt?"
„Nein, aber ich habe mir gedacht, dass er gerne was dazu sagen würde."
„Das hat er", sagte er knapp. Was hat er denn gesagt? Diese Information blieb mir vorerst verwehrt. Ich merkte, wie ich schluckte. Keine Schwäche zeigen!
„Gut."
„Ich nehme die Abmahnung zurück. Bedank dich bei Kretzsche, Paul und Mathias."
„Gut", sagte ich wieder. Solange er mich mit diesem einen Blick ansah. Mit diesem Blick, der so intensiv von oben herab, so finster war, so lange konnte ich nicht klein beigeben. Ich war nun mal kein Hund. Danke dafür, Hans.
„Ich verlange trotzdem, dass so etwas nie wieder vorkommt. Und ich verlange, dass eure Beziehung rein gar nichts mit euren Jobs zu tun haben wird. Macht privat, was immer ihr möchtet, hier gilt absolute Professionalität!"
„Logisch."
„Gut, dann darfst du jetzt gehen."
„Bevor ich gehe", begann ich und erschrak selber, dass ich mich tatsächlich traute, nun noch etwas zu sagen. Mein Herz schlug schon bei den ersten Worten. Malia, warum kannst du nicht einfach still sein?
„Ich hätte da auch noch ein Anliegen", kündigte ich an. Bob zog die Augenbrauen nach oben. Es war immer noch eine sehr angespannte Stimmung zwischen uns. Aber ich war stark. Und stolz.
„Mir ist bewusst, dass der Termin gestern sehr wichtig war. Mir ist auch bewusst, dass mir dort ein Fehler unterlaufen ist. Ich hätte diesen Termin nicht vergessen dürfen. Ich habe mir gleich heute früh alle Termine in mein Handy eingetragen und werde doppelt daran erinnert. Mir ist es nicht egal, Bob! Ich hab das nicht mit Absicht gemacht. Und es wird nie wieder vorkommen. Was alles andere angeht: Ich finde, ich mache hier einen guten Job. Fehler passieren, wir sind alle Menschen. Für diesen Fehler stehe ich gerade, aber alles andere was ich dem Verein gebe, war bisher nur positiv. Und ich verlange, dass das ebenfalls berücksichtigt wird." Hab ich das gerade wirklich zu Bob Hanning gesagt? War das frech? Aber... So von oben herab, wie er gerade mit mir redete, musste ich ihm das sagen! Ich kann mir das nicht bieten lassen. Natürlich bin ich neu und jung, aber trotzdem erwarte ich einen gewissen Respekt. Und als auch dieser Gedanke vorüber war, erschrak ich mich wieder vor mir selbst. Bin ich plötzlich so stark geworden? Hatte das vielleicht mit der Partynacht mit Nanna zu tun? Merkte ich nun, dass ich mich wehren konnte, in vielerlei Hinsichten? Vielleicht. Und wenn es Nanna nun besser ging, würde ich ihr auch sicherlich davon erzählen. Und sie wüsste die Antwort. Ich freute mich auf sie.
„Du hast recht", sagte Bob knapp, nachdem wir uns eine ganze Minute angeschwiegen hatten. Ich nickte.
„Also... ist es nun geklärt."
„Ja", er stand auf und streckte mir seine Hand hin. Ich schlug ein und schüttelte sie.
„Auf weitere gute Zusammenarbeit", sagte er dann. Seine Stimme war noch immer sehr angespannt.
„Auf gute Zusammenarbeit."
In meinem Büro angekommen, musste ich einmal durchatmen. Ich glaubte der Sache nicht so ganz. Aber solange wir respektvoll miteinander umgehen konnten, sollte er eben seine Meinung zu meinem Privatleben haben. Das konnte ich sowieso nicht ändern.
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Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)
FanfictionMalia ist die Neue im Orgateam rund um die Füchse Berlin. Als rechte Hand von Bob Hanning soll sie nach und nach für Entlastung sorgen und die Finanzierung und Beliebtheit des Vereins vorantreiben. Schnell knüpft sie enge Kontakte mit den Spielern d...