Kapitel 25

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Eine Person vergaß ich an diesem Abend völlig: Nämlich den, der uns allen das Fest hier eingebroggt hatte. Na gut, in erster Linie war ich das gewesen. Aber was ich meinte: Ich hatte völlig vergessen, das Gespräch mit Herrn Maus zu suchen. Klar, ich hatte Bob hingeschickt, aber ich wusste, dass er lieber mit mir sprach. Und als mir dies wieder eingefallen und ich auf dem Weg nach oben zu seinem Stand war, war er natürlich schon weg. Dafür aber warteten Anna und Nadine geduldig auf einer Bank auf mich. Ich lächelte und ging zu ihnen rüber.
„Habt ihr Bob mit einem großen Mann von der AOK gesehen?", fragte ich.
„Sorry Malia, keine Ahnung wie Bob aussieht...", antwortete Anna. Na gut, musste ich mich eben gedulden. Er war auch nirgends aufzufinden.
„Okay Mädels, was ist der Plan für diesen Abend? Was wollt ihr von Berlin sehen?", lächelte ich.
„Deine Wohnung! Du musst dringend den Fuß hochlegen und schonen!", sagte Nadine.
„Mach ich morgen!", antwortete ich.
„Nee, machst du jetzt!", widersprach Nadine. Ich stöhnte.
„Da seid ihr einmal in Berlin und wollt euch in eine Wohnung setzen?! Dann geht doch wenigstens zu zweit ohne mich in die Stadt!"
„Mitgehangen, mitgefangen, wir bleiben bei dir!", sagte Anna, „wir können auch bei dir Zuhause einen schönen Abend haben!"
Die beiden waren einfach zu gut zu mir. Ein schlechtes Gewissen hatte ich trotzdem, aber sie wollten es nicht anders. Und so machten wir uns mit den Straßenbahnen auf den Weg nach Hause. Die Beiden erzählten mir, dass sie noch bis morgen blieben und wir somit noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen konnten. Wobei das für sie eher hieß, dass sie mich bewachen werden und dafür sorgen, dass ich so wenig wie möglich herumlief. Mein Weg führte direkt zur Couch, Nadine und Anna sahen sich derweil meine Wohnung an. Dann kamen sie zurück ins Wohnzimmer und setzten sich zu mir.
„Voll schön hier!", sagte Nadine, „und viel größer, als ich dachte!"
„Ja, da hatte ich Glück! Wobei die Wohnung auch echt teuer ist, gerade in diesem Stadtteil!", gab ich zu. Anna brachte mir ein Kühlkissen und legte es auf meinen Fuß. Die beiden öffneten Snacks und Getränke und somit verbrachten wir einen typischen, gemütlichen Mädels-Abend. Und? Worüber redet man an solchen Abenden immer? Richtig: Über Männer.
„Ich hab mit Mathias gesprochen", begann ich und hatte sofort die volle Aufmerksamkeit, „ich hab mich entschuldigt. Und es ist scheinbar alles wieder gut."
„Was hat er denn gesagt?", fragte Anna.
„Er war erleichtert. Und er hat gesagt, dass er verliebt ist...", den letzten Satz murmelte ich wohl eher.
„Aww!", seufzten die beiden und strahlten. Und ich musste auch grinsen.
„Habt ihr euch geküsst?", fragte Nadine, ich schüttelte den Kopf. Aber der Gedanke daran, wie gut sich unsere Küsse angefühlt hatten und dass ich das wohl bald wieder spüren durfte, ließen mein Herz höher schlagen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch waren nichtmehr zu überbieten.
„Du siehst glücklich aus! Das ist so schön zu sehen, nach allem, was mit Christopher war!", lächelte Anna und strich mir über den Arm.
„Und bitte genieße es!", sagte Nadine, „denk nicht an das was war! Das ist vorbei, okay?"
Ich atmete tief durch und nickte.
„Lass dich einfach auf Mathias ein! Er wird dir schon nicht wehtun! Der ist echt süß!", lächelte Anna.
„Das habt ihr über Chris auch gesagt!", erinnerte ich sie.
„Das stimmt nicht! Anna war hin und weg, aber ich mochte ihn überhaupt nicht!", widersprach Nadine.
„Du warst die Einzige, die er nicht geblendet hat...", erinnerte ich mich.
„Und deswegen werde ich alle Typen ganz genau abchecken, die dir jemals zu nah kommen werden!", lächelte sie.
„Naja, vielleicht ist Mathias ja auch der erste und letzte, den du unter die Lupe nimmst!", sagte ich und erschrak mich kurz selbst, wie sicher ich mir war, dass aus uns ein Paar werden könnte.
„Ich bin auch mit Mathias noch nicht ganz durch, aber der erste Eindruck und deine Erzählungen sind schonmal sehr positiv!"
„Das heißt, er darf sich Mali nähern, ohne Ärger mit dir zu kriegen?", lachte Anna.
„Er kriegt Ärger, wenn er's nicht tut!", lachte Nadine, „Mali soll all die Erfahrungen machen, die sie verdient!"
Ich lächelte. Die beiden waren immer an meiner Seite. Sie haben mich damals aus dem tiefen Loch, in das ich psychisch und emotional gefallen war, herausgezogen und mich aufgebaut. Mir war ihre Meinung wichtig. Und ich war so froh, dass Mathias ihnen gefiel.
„Wir haben heute", begann Anna, als es plötzlich klingelte. Ich runzelte die Stirn.
„Kriegst du noch Besuch?", fragte sie und ich schüttelte den Kopf. Ich nahm meine Krücken und wollte aufstehen.
„Na, na, na! Du bleibst schön hier! Wir gehen schon!", sagte Nadine. Ich seufzte, aber ließ sie dann machen. Sicher wollte nur irgendein Nachbar wieder Mehl oder sonst etwas ausborgen. Ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
„Oh, Hallo!", hörte ich Anna sagen.
„Ehm...falsche Tür...?", hörte ich eine männliche, sehr bekannte Stimme.
„Nein, nein! Komm rein! Malia ist im Wohnzimmer!", sagte Nadine. Die beiden kamen grinsend zur Tür herein. Und im Schlepptau hatten sie Mathias, der mit dem Blumenstrauß von Bob und meinem Blazer in der Hand nun näher kam. Seine riesige Sporttasche stellte er in der Ecke ab. Und er lächelte, wie immer.
„Hey", sagte er.
„Hi."
„Das hier hast du vergessen! Ich dachte, ich komme kurz vorbei und bringe es zurück!"
Ich lächelte und nahm die Sachen an.
„Danke!", sagte ich dann, „geht's dir wieder besser?"
„Ja, mir geht's gut", lachte er, „und dir?"
„Ich werde gut umsorgt!", lächelte ich und sah die beiden Mädels an. Sie standen immer noch im Türrahmen und grinsten wie zwei verliebte Teenager. Mathias sah zu ihnen und ging auf sie zu.
„Mathias, hi", hielt er erst Anna und dann Nadine die Hand hin, „Entschuldigung, ich habe mich nicht sofort vorgestellt. Ich dachte es ist falsche Tür!"
„Das sind Nadine und Anna, meine besten Freundinnen aus Köln!", stellte ich sie vor.
„Freut uns sehr, dich kennenzulernen!", sagte Nadine und Anna nickte.
„Setz dich doch! Willst du was trinken?", grinste Anna.
„Danke, aber ich will nicht stören!", lehnte er ab.
„Du störst nicht!", sagten beide gleichzeitig und lachten.
„Nee, weil wir wollten...äh...wir wollten gerade gehen!", stammelte Anna.
Mathias sah auf den Tisch mit den drei vollen Gläsern und den geöffneten Snacks und runzelte die Stirn.
„Weil...", machte Nadine weiter, „weil wir...wir waren noch nie in Berlin! Wir wollten uns die Stadt ansehen!"
Mathias grinste wieder. Er wusste genau, dass die beiden ihn anlogen.
„Ein bisschen Sightseeing bei Nacht!", lächelte Anna weiter. Nadine nickte wieder.
„Und ihr habt sicher noch was zu besprechen...also...wegen dem Sommerfest und so...äh...tschüss!", stammelte Nadine. Und dann verschwanden die beiden aus unserem Sichtfeld und dann aus der Haustür. Mathias lachte.
„Was war denn das?", fragte er. Ich lachte auch.
„Die Beiden wollten, dass wir alleine sprechen können!", erklärte ich ihm ehrlich, „das sollte nicht abweisend rüberkommen!"
„Ach weißt du...ich lerne sie gerne kennen, aber ich wollte gerne auch nochmal alleine sein mit dir!", lächelte er und setzte sich aufs Sofa auf meine Hüfthöhe. Er erkundigte sich nochmal nach meinem Fuß, aber da mussten wir nun einfach abwarten. Er griff nach meinen Händen.
„Ich habe gehofft, dass wir haben noch Zeit heute Abend!", gab er zu und ich lächelte wieder.
„Es ist schön, dass du hier bist!", bestätigte ich. Mathias strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und nahm mich dann in den Arm. Sein Geruch und seinen Oberkörper so nah an meinem zu spüren fühlte sich vertraut und einfach wunderschön an. Als wir uns wieder lösten, griff er wieder nach meinen Händen.
„Wie war dein Tag?", fragte ich und er lachte.
„Nicht gut! Bis nach letzte Spiel!"
„Entschuldige! Blöde Frage! Ich hab's ja gesehen!", lachte ich auch.
„Es war ein sehr schön Fest, es war super Stimmung, viele Fans...so, das war toll! Aber ich habe schlecht gespielt!"
„Und ich habe das Gefühl, dass ich daran schuld bin...was ich gesagt habe"
„Okay, stop!", unterbrach er mich, „egal, was du hast gesagt: Ich kann nicht verstecken hinter so ein Ausrede! Du bist nicht schuld!"
„Trotzdem tut es mir Leid!", wiederholte ich. Mathias legte eine Hand auf meine Wange und sah mir in die Augen.
„Vergiss das jetzt! So wie ich, okay?", sagte er und ich nickte, „es ist wichtig, dass du nicht wirklich so fühlst wie du hast gesagt. Alles andere ist egal!"
Ich nickte dankbar.
„Naja, also irgendwann, ich möchte schon wissen was hat passiert, aber nicht heute."
Wieder nickte ich.
„Ich denke es ist wichtig. Aber erst, wir genießen mehr Zeit zusammen! Und dann, du wirst merken, dass du kannst mir alles sagen! Und ich werde nicht schlecht denken. Ich werde besser verstehen, was ich habe falsch gemacht!"
„Du hast nichts falsch gemacht!", sagte ich und drückte seine Hände, „du warst nur sehr schnell...und damit kann ich nicht gut umgehen!"
„Okay. So bitte sag mir, wenn ich bin zu schnell, ja?" Ich nickte. Mathias zog seine Schuhe aus und schwang seine Beine auf die Couch. Dann legte er einen Arm um mich. Ich wartete einen kurzen Moment. Wieder schwankte ich zwischen drauf einlassen und noch kurz warten. Aber das musste ich nicht entscheiden, denn Mathias zog mich sanft an sich heran. Also legte ich meinen Arm um seinen Oberkörper und lehnte meinen Kopf an seine Brust ab. Ich konnte hören, wie sein Herz schlug und es beruhigte mich so sehr. Ich genoss es, in seinem Arm zu sein und die Stille nach diesem anstrengenden Tag zu genießen. Mathias streichelte meine Arme. Irgendwann rutschten wir die Couch weiter hinunter, sodass wir beide darauf lagen und uns aneinander kuschelten. Seine Nähe, seine Wärme, diese Geborgenheit, die ich nie zuvor so gespürt hatte. All das ließ mich für einen Moment wieder den Alltag vergessen. Einfach alles vergessen. Wir lagen auf der Seite zueinander gedreht, unsere Nasenspitzen berührten sind. Jedes Mal, wenn sie das taten, mussten wir lächeln. Mathias griff in meine Haare und spielte damit. Er strich mit seinen Fingern über meine Wange. Ich wartete gebannt darauf, dass er seine weichen Lippen wieder auf meine legte. Ich wartete schon eine ganze Weile, es machte mich fast verrückt! Sollte ich ihn einfach küssen? Konnte ich ihm irgendwie anders klar machen, dass er nun bitte endlich diese Spannung zwischen uns lösen sollte? Nein. Konnte ich nicht. Und Mathias machte mich damit wirklich verrückt. Aber immerhin war klar, dass ich mehr von ihm wollte. Und nach unserer Auseinandersetzung konnte ich eigentlich auch nicht glücklicher sein, als nun in seinem Arm zu liegen.
Von einem Zucken von Mathias gelang ich zurück in die Realität. Wir waren wohl beide kurz weggetreten. Mathias griff nach seinem Handy und schaute auf die Uhr.
„Oh...", murmelte er dann. Es war schon zwei Uhr nachts. Wir hatten einfach fast fünf Stunden miteinander verbracht. Und die Zeit war verflogen.
„Ich sollte...ich sollte gehen", beschloss er, „oder ich kann bleiben, wenn du möchtest!"
Na klar wollte ich ihn in meiner Nähe haben. Aber gleich mit ihm das Bett teilen? Vielleicht würden wir wieder eine Grenze überschreiten. Vielleicht würden wir uns näher kommen. Und selbst wenn nicht, war gemeinsam einschlafen mindestens genauso intim. Ich konnte ihn doch nicht in mein Schlafzimmer lassen! Aber ich konnte ihm auch schlecht sagen, er solle auf der Couch schlafen. Mathias sah mich an und erwartete eine Antwort. Aber die hatte ich nicht.
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Hallöchen, ein neues Kapitel :) Ich hoffe es gefällt euch. Wie wird sich Malia entscheiden und wie geht es wohl weiter? :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt