Kapitel 17

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Ein letzter Blick in den Spiegel, dann öffnete ich Mathias die Tür. Bepackt mit zwei Einkaufstaschen kam er zur Tür herein. Er stellte sie kurz im Flur ab und umarmte mich dann.
„Schön, dass du da bist!", sagte ich und erwiderte die Umarmung. Dieses niemals enden wollende Lächeln von ihm brachte mich schon wieder um den Verstand. Er griff nach den Taschen und folgte mir in die Küche, dort stellte er sie auf dem Tisch wieder ab.
„Was kochen wir denn?", fragte ich neugierig und sag mir den Inhalt der Taschen an.
„Lass dich überraschen!", antwortete er. Dann verschaffte er sich einen Überblick in den ganzen Schränken und Schubladen.
„Was suchst du?"
„Messer, Schneidebrett, Pfannen, Topf...alles!"
„Such ich dir raus!", lächelte ich und sprang durch die Küche.
„Neeeein, du musst dich ausruhen und ich werde kochen!", lachte er und zog einen Stuhl nach vorne, „hinsetzen!"
„Wirklich?", fragte ich lachend.
„Ja!" Er brachte noch einen zweiten Stuhl und hob meinen kaputten Fuß darauf, was mich wieder zum Lachen brachte. Aber viel lieber hätte ich ihm geholfen. Und so beobachtete ich ihn einfach eine Zeit lang.
„Ich könnte doch wenigstens was schnibbeln!", schlug ich vor.
„Was?", fragte er, „was ist das? Schnibbeln?"
„Schneiden", korrigierte ich mich lachend.
„Na gut", gab er nach und reichte mir ein Schneidebrett, ein Messer, eine Paprika und eine Zucchini.
„Fleisch und Gemüse also", stellte ich fest.
„Ich hoffe du magst das. Ist ein Rezept von Zuhause."
Am Ende kam eine Art Ratatouille heraus. Dazu gab es Nudeln. Und es schmeckte hervorragend.
„Eigentlich, ich wollte Wein mitbringen, aber...", lachte er während dem Essen, „dann ich dachte besser nicht!"
„Kriegst du keinen Ärger, wenn du Alkohol trinkst? Jetzt gerade in der Vorbereitung, wo jede Kleinigkeit immer und immer wieder getestet wird?"
„Das hätte ich dann herausgefunden!"
Ich nickte und lachte dann wieder. Ich genoss jede Sekunde, in der ich ihm in die Augen sehen und ihm einfach zuhören konnte. Seine positive Art war so ansteckend. Ich erwischte mich selbst, wie ich nicht mehr aufhören konnte zu grinsen. So hatte ich mich ewig nicht gefühlt...Nach dem Essen standen wir auf und gingen ins Wohnzimmer. Mathias betrachtete kurz nochmal sein Werk: Die Regale an der Wand, die er nach meinem ersten Arbeitstag mit Lasse, Paul, Hans und Jerry hier zusammengebaut hatte.
„Das war ein schöne Abend!", sagte er und deutete auf die Regale.
„Ja. Ich war so perplex, dass Paul euch mitgebracht hat."
„Perplex?"
„Äh das heißt verwundert."
„Ich muss noch besser deutsch lernen!", lächelte er und schüttelte den Kopf.
„Dein Deutsch ist gut. Mach dir keinen Druck! Was meinst du wie viel wir reden könnten, wenn ich dänisch sprechen müsste? Kein Wort!"
„Das können wir ändern. Jeg kan lære dig at tale dansk."
„Das hab ich sogar verstanden!", lachte ich, „du willst mir dänisch beibringen?"
„Klar", er lächelte und legte sanft seine Arme um meine Hüfte, „was willst du wissen?"
„Oh, äh...vielleicht Sätze, die man im Alltag so gebrauchen kann?"
„Jeg er blevet forelsket i dig og kan ikke vente med endelig at komme tættere på dig!", er grinste nach dem Satz. Ich fuhr mit meinen Augen hin und her und überlegte.
„Das war ein langer Satz für den Anfang!", lachte ich, er stieg mit ein, „und was bedeutet das?"
„Das verrate ich nicht!", grinste er, „das wirst du herausfinden!"
„So läuft das mit dem Lernen aber nicht!", beschwerte ich mich.
„Dann bleiben wir bei deutsch", zuckte er mit den Schultern. Es war kurz still zwischen uns. Wir standen einfach nur so da und sahen uns in die Augen. Es war keine unangenehme Stille, aber trotzdem wartete ich gespannt, was als Nächstes passieren würde.
„Du hast schöne Augen", sagte er dann, „ich schau sehr gerne rein."
Ich lächelte. „Du auch." Er lachte kurz und strich mir dann eine Haarpartie hinter mein Ohr. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt für einen Kuss. Mein Herz klopfte schneller, ich erwartete ja schon, dass er noch näher kam. Aber dann sah er zu Boden.
„Besser wir setzen uns mit dein Fuß!", sagte er. Wir gingen langsam zu meiner Couch und setzten uns dann darauf. Mathias griff nach meinen Beinen und zog sie auf seinen Schoß.
„Du sollst doch Fuß hochlegen, oder?", grinste er.
„Hm", stimmte ich zu und sah auf seine Hände, die meine Beine auf seinen hielten. Er lächelte wieder. Nein, nicht wieder. Er hatte ja den gesamten Abend noch nicht damit aufgehört. Ich merkte, wie er mich ansah und darauf wartete, dass ich ihm wieder in die Augen schaute. Und das tat ich auch wenig später. Seine rechte Hand verließ mein Bein und legte sich um meine Schulterblätter. Mit seinem Daumen strich er über meinen Arm, was mir eine Gänsehaut verpasste. Ich war ihm wieder nah, genoss seinen Geruch und seine Berührungen und legte meinen Kopf wieder auf seiner Schulter ab. Minuten vergingen in denen wir einfach nur schwiegen. Dann wurden wir von Mathias Handy aus unserem Film gerissen. Er nahm es aus der Hosentasche, wobei ich meinen Kopf von seiner Schulter nahm. Er stellte sein Handy auf lautlos und grinste kurz, als er auf den Bildschirm sah. Dann drehte er es zu mir. Lasse hatte ihm geschrieben. Logischerweise auf dänisch, ich hatte also keine Chance es zu entziffern.
„Immer er!", er rollte die Augen und legte sein Handy vor uns auf den Tisch. Ich lachte kurz.
„Willst du nicht antworten?", fragte ich.
„Nein. Er stört", antwortete er und drehte seinen Oberkörper seitlich, sodass er nun frontal vor mir saß. Meine Beine lagen weiterhin auf seinen. Er strich langsam mit seiner Hand meinen Oberschenkel hinauf und sah mir wieder in die Augen. Als ich gerade überlegte, was ich antworten sollte, griff er in meine Haare und legte seine Handfläche auf meine Wange. Sekunden später lagen seine weichen Lippen auf meinen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch tobten wie wild umher, ich wusste gar nicht wirklich, wie mir geschieht. Ich erwiderte den Kuss sofort und schloss meine Augen. Dieser Moment war unbeschreiblich schön. Und gerade war mir auch völlig egal, ob das vernünftig oder unvernünftig war. Nur er und ich. Und niemand der uns störte. Nach dem Kuss fing er augenblicklich wieder an zu grinsen, wie er es immer tat. Und er steckte mich damit an. Dann küsste er mich ein zweites Mal. Mit so viel Gefühl, dass ich kurzzeitig alles um mich herum vergaß. Wir ließen überhaupt nichtmehr voneinander ab, es folgten weitere Küsse, einer schöner als der andere. Mein Herz explodierte fast, ich war so aufgeregt und gleichzeitig so entspannt. Ich spürte, wie er mit seiner Zunge meine Lippen streifte, bis ich ihm schließlich Einlass gewährte. So viel zu meinem Vorsatz: Nicht knutschen beim ersten Date. Aber es war mir egal. Alles war mir egal. Ich ließ mich voll und ganz auf ihn ein. Ich war einfach nur glücklich.
Mathias drückte mich sanft nach hinten in den weichen Stoff meines Sofas und beugte sich selbst über mich. Kurz ließ er von mir ab und sah nach hinten, um sich zu vergewissern, dass er meinen kaputten Fuß nicht belastete. Dann lehnte er sich wieder lächelnd über mich und seine Lippen trafen meine erneut. Ich legte meine Hände sanft auf seinem Rücken ab. Mit einem Arm stützte er sich neben mir ab, mit dem anderen fuhr er meine Taille auf und ab, bis er schließlich den Saum meines Shirts etwas nach oben und seine Hand darunter schob. Ich stoppte unseren Kuss kurz und überlegte mir, was hier gerade passierte. Noch bevor ich aber den Gedanken zu Ende fassen konnte und mich fragen konnte, ob er das gerade wirklich schon tat und ob das alles nicht viel zu schnell war, lagen seine Lippen wieder auf meinen. Er war noch immer sanft, aber nichtmehr so vorsichtig wie noch zu Beginn. Der Kuss wurde fordernder von ihm aus, seine Berührungen selbstverständlicher. Seine Hand unter meinem Shirt fuhr weiter nach oben, seine Hüfte legte er nun auf meine ab und strich mit der anderen Hand über meine Wange und durch meine Haare. Meine Hände verweilten immer noch einfach auf seinem Rücken. Ich befand mich in einem Zwiespalt mit mir selbst. Ich konnte ihn noch nicht so selbstverständlich anfassen, wie er mich. Aber ich wollte auch nichts kaputtmachen. Ich hätte nicht gedacht, dass wir an diesem Abend schon so weit gehen würden. Klar, wir waren beide single und beide erwachsen, wir konnten machen was immer wir wollten. Aber war es wirklich auch das Gleiche was wir wollten? Ich wollte eine Beziehung. Wollte Mathias vielleicht eher eine Freundschaft und zwischendurch etwas Spaß haben? Ich hoffte nicht, aber wieso blieben wir dann nicht erstmal bei der Kennenlernphase? Wieso lagen wir gerade knutschend übereinander auf meinem Sofa, statt uns kuschelnd einen Film anzusehen? Oh man, Malia, wo bist du hier nur wieder reingeraten...Andererseits, ich war verliebt in ihn. Und jetzt hatte ich ihn für mich alleine. Ich sollte doch einfach mal im Moment leben und mal nicht darüber nachdenken, was danach passiert. Aber ich griff nun nach Mathias Hand, die meinen Oberkörper auf und ab fuhr, zog sie aus meinem Shirt raus und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Nur, dass er ein paar Gänge zurückschaltete. Aber sagen wollte ich ihm das auch nicht.
Mathias grinste wieder und drückte unsere Arme über meinen Kopf. Dann folgte unser nächster Kuss. Er ließ dabei meine Hand los und streichelte meinen Arm hinab, meine Seite hinunter bis zu meinem Hosenbund. „Sei kein Feigling, Malia! Mach es nicht kaputt!", hörte ich meine innere Stimme immer wieder sagen. Aber als er den Knopf meiner Hose geöffnet hatte, drückte ich doch seine Hand weg und unterbrach unseren Kuss.
„Ähm...", stammelte ich, nicht sicher, ob und was ich sagen sollte.
„Besser wir gehen zu Schlafzimmer?", fragte er und wieder lächelte er so süß und verschmitzt, dass ich kurz darüber nachdachte, einfach Ja zu sagen. Zeitgleich fiel mir aber auch alles aus dem Gesicht. Ich hatte mir den Abend mit ihm ganz anders vorgestellt. Ich wollte ihm näher kommen, ja. Aber ich wollte doch nicht sofort mit ihm ins Bett. Möglich, dass wir einfach mit völlig anderen Erwartungen an diesen Abend herangegangen sind. Aber enttäuscht war ich trotzdem, wie sich das Ganze hier entwickelt hatte.
„Malia?", hauchte er mir gegen die Lippen und holte mich aus den Gedanken. Ich legte meine Hände an seine Brust und drückte ihn langsam weg von mir. Er richtete sich auf und bat mir eine Hand an, um mich hochzuziehen, aber ich drückte mich selbst nach oben.
„Wir...wir...müssen morgen fit sein. Es ist schon viel zu spät geworden...", sagte ich und klatschte mir innerlich gegen den Kopf. Ich vergraulte gerade einen Mann, der mir eigentlich viel bedeutete. Wegen einem Missverständnis? Weil ich nicht offen sagen konnte, dass ich irritiert und enttäuscht war. Weil ich nicht wollte, dass er sich meinetwegen Gedanken machte.
„O-okay...dann vielleicht können wir uns morgen nochmal sehen!", lächelte er und strich über meinen Arm.
Ich stand einfach auf und schloss den Knopf meiner Hose. Dann ging - oder besser hinkte - ich voraus in den Flur und öffnete die Tür.
„Danke für den schönen Abend. Und fürs Kochen. Gute Nacht", lächelte ich und hielt mich an der geöffneten Tür fest. Mathias schlang seine Arme um meine Hüfte.
„Bis morgen?", fragte er nochmal und zog die Augenbrauen nach oben. Ich lächelte und nickte leicht. Völlig konfus zu dem, was ich eigentlich dachte. Als ich die Tür geschlossen hatte, rutschte ich einfach an ihr herunter und setzte mich auf den Flurboden. War er zu schnell oder ich zu spießig? Redeten wir aneinander vorbei? Haben wir unterschiedliche Absichten? Konnte ich die Zeichen so falsch deuten? Ich erinnerte mich an unseren ersten Kuss und wie glücklich ich war. Nie hätte ich gedacht, dass es so enden würde. Dass ich nach diesem Abend so traurig und enttäuscht sein würde...
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Ohje, das lief wohl nicht so rund wie geplant....mich würden eure Reaktionen und Gedanken soooo sehr interessieren :) Was denkt ihr über Mathias' Verhalten? Und was bedeutet das für Malia im weiteren Lauf der FF? Lasst es mich gerne wissen :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt