Kapitel 33

75 1 0
                                    

Die restliche Woche verging wie im Flug. Die Mannschaft machte sich früh am Freitagmorgen schon auf den Weg nach Stuttgart und würde dort auch die Nacht verbringen. Und ich musste gestehen, ich war etwas aufgeregt vor dem heutigen Abend. Ich wollte unbedingt, dass Nanna und ich uns weiterhin so gut verstehen. Und ich war gespannt, was ich noch von ihr und ihrem Leben erfahren würde.
Anpfiff war um 20 Uhr, ich machte mich eine Stunde früher auf den Weg zu ihr. Noch einmal tief durchatmen, dann klingelte ich.
„Hi, schön, dass du da bist!", begrüßte sie mich mit einer herzlichen Umarmung.
„Danke für die Einladung!", antwortete ich.
„Komm rein! Kalle schläft schon so wir haben ganze Abend für uns alleine!", lächelte sie. Sie zeigte mir erst ihre Wohnung, dann setzten wir uns ins Wohnzimmer auf ihr Sofa. Der Fernseher war schon angeschaltet, auf dem Tisch vor uns standen Snacks und Getränke bereit.
„Das sieht ja toll aus!", lächelte ich.
„Bitte setz dich!", sagte sie. Wir hatten noch etwas Zeit uns zu unterhalten bevor das Spiel losging. Nanna fragte, wie die Arbeit so war und erzählte von ihrem Tag.
„Was ist das jetzt eigentlich mit dir und Mathias? Seid ihr zusammen?", fragte sie dann.
„Ähm...wir...ich weiß nicht...", stammelte ich. Waren wir zusammen? Wir hatten bisher immer nur gesagt, dass wir verliebt waren.
„Wir haben noch nicht darüber gesprochen, ob wir jetzt offiziell zusammen sind", erklärte ich.
„Aber es ist ernst mit euch?"
„Ja", stimmte ich zu und nickte lächelnd.
„Das ist schön. Lasse hat viel erzählt von euch beide. Hoffentlich, er hat nicht zu viel eingemischt", kicherte sie.
„Du kennst deinen Mann echt gut!", lachte ich, „er hat viel Zeit investiert uns zu verkuppeln. Er hat einfach nicht verstanden, dass er das eigentlich gar nicht braucht!"
„Ja, das habe ich mir schon gedacht..."
„Aber ich weiß, dass er es gut gemeint hat."
„Und ich glaube er ist froh, dass Mathias hat jetzt jemand ausgesucht, die Lasse auch mag. Mathias' Ex-Freundin und Lasse haben nur gestritten. Sie war sehr komisch zu uns, so Lasse und er hatten nicht so viel Kontakt. Als Mathias dann zu Füchsen kam, seine Freundin wollte nicht nach Deutschland. Dann haben die beide sich getrennt und Mathias konnte wieder mit uns sein ohne dauernd Streit."
„Oh...das...das wusste ich gar nicht...", stellte ich fest.
„Mathias erzählt nichts von der Trennung. Uns auch nicht. Wenn etwas verletzt ihn, er ist still. So das ist alles was er tut. Aber nach kurze Zeit in Berlin, er ist wieder wie früher, das ist schön. Und jetzt endlich, er ist wieder verliebt."
Ich lächelte.
„Danke, dass du mir das erzählst! Mathias fragt oft nach meiner Vergangenheit, aber von einer Ex-Freundin hat er nie erzählt."
„Du denkst du bist erste Freundin von ihm?", lachte sie.
„Nein, natürlich nicht!", stieg ich mit ein.
„Als er und Emil waren zusammen in GOG, sie haben sehr viel Spaß mit Mädels und Flirten!", lachte sie weiter. Okay, das möchte ich jetzt aber wirklich nicht weiter wissen! Oder vielleicht schon? War Mathias ein Aufreißer? Nanna holte mich sofort wieder aus diesen negativen Gedanken heraus.
„Kennst du Emil schon?", fragte sie dann, „Mathias' beste Freund."
Ich schüttelte den Kopf.
„So spätestens bei erste Heimspiel gegen Flensburg, du wirst ihn treffen."
„Meinst du Emil Jakobsen?"
„Ja genau. Die Beide sind eigentlich unzertrennlich. So es ist eigentlich Wunder, dass sie mal nicht spielen für gleiche Verein!"
Ich lachte.
„Ich dachte eigentlich, dass Lasse Mathias bester Freund ist", gab ich zu.
„Hier in Berlin, es ist so. Ja. Aber Emil ist immer Nummer 1! Die beide sind auch fast gleich alt, Lasse ist fünf Jahr älter als Mathias, so das ist auch ein Unterschied denke ich."
Wenn man Lasse und Mathias so sah, fiel der Altersunterschied überhaupt nicht auf. Aber jetzt, wo Nanna es sagte, erinnerte mich an ein Fußballspiel beim Training aufgeteilt in Mannschaft jung und Mannschaft alt. Da spielten Lasse und Mathias auch gegeneinander.
Wir wurden schließlich von Kalle unterbrochen, der aufwachte und anfing zu weinen. Nanna verließ also kurz das Wohnzimmer und kam mit Kalle auf dem Arm zurück. Er beruhigte sich recht schnell wieder auf ihrem Arm. Sie griff nach einer Rassel und spielte mit ihm.
„Eigentlich schläft er gut am Abend. Aber manchmal ich denke, er weiß, wenn Papa spielt. Dann, er will wach bleiben."
Ich lachte. Aber wer weiß das schon, vielleicht bekamen Kleinkinder schon viel mehr mit, als wir dachten. Und so vernarrt wie Lasse in ihn war, konnte ich mir das gut vorstellen. Auch wenn's verrückt klang. Immerhin war Kalle nichtmal ein Jahr alt. Nanna setzte ihn auf seinen Schoß. Ich beobachtete die beiden lächelnd. Es war so ein schönes harmonisches Bild, Nanna war eine sehr liebevolle Mutter.
„Willst du auch mal Kinder?", fragte sie dann.
„Ich weiß noch nicht...irgendwann bestimmt mal...", antwortete ich.
„Und Mathias?"
„Darüber haben wir noch nicht gesprochen", lächelte ich.
„Er wäre eine gute Vater. Er hat immer Spaß mit Kalle. Und er hat auch schon für ein paar Stunde alleine aufgepasst. Lasse will niemals Kalle alleine mit andere Menschen lassen. Er kann nicht gut vertrauen, wenn es um sein Baby geht. Aber er vertraut Mathias. So wenn etwas passiert, wir wissen er ist da für alle drei von uns. Das ist sehr wichtig, wenn Familie ist in andere Land und man ist allein hier."
Die Gespräche mit Nanna waren so aufschlussreich und gaben mir nochmal viel mehr Informationen und viel mehr Tiefe in Mathias, aber auch Lasses Leben. Es war so schön, wie offen sie mit mir darüber sprechen konnte.
„Willst du ihn kurz halten? Dann, ich kann Getränke auffüllen!", sagte sie und wartete kaum meine Antwort ab, da saß Kalle schon auf meinem Schoß. Es war das erste Mal, dass ich ein Baby auf dem Arm hatte. Und ich war etwas unbeholfen und leicht überfordert, als Nanna den Raum verließ. Bitte weine jetzt nicht. Ich hab keine Ahnung, was ich hier gerade tat. Ganz vorsichtig hielt ich ihn fest. Nicht auszudenken, was Lasse mit mir machen würde, wenn ich seinem Baby auch nur ein Haar krümmte. Aber Kalle blieb still und sah mich mit großen Augen an. Ich griff nach seiner Rassel und schüttelte sie. Irgendwie musste ich ihn ja beschäftigen. Oder ihn davon überzeugen, weiterhin still zu sein und nicht zu weinen. Ich durfte nicht langweilig werden. Ich fragte mich kurz, ob ich Nanna - die ich erst zum zweiten Mal sah - mein Kind gegeben hätte. Sie schien mir zu vertrauen. Aber wahrscheinlich wusste sie durch Lasse auch schon viel viel mehr von mir, als ich von ihr. Kalle griff nach seiner Rassel und schüttelte sie selbst mit seinem ganzen Arm. Dabei lachte er hörbar und zappelte glücklich herum. Es brachte mich auch zum Lachen. Er war so ein süßes und positives Kind. Er machte es mir leicht.
„Er mag dich!", lächelte Nanna, als sie zurückkam und setzte sich wieder neben mich.
„Und Babys stehen dir!", fügte sie hinzu.
„Ich denke ich hab da noch ein paar Jahre Zeit!", lachte ich. Ich hob ihn leicht hoch, um ihn Nanna zurückzugeben, doch sie wank ab.
„Lass nur, er fühlt sich wohl bei dir!", lächelte sie. Dann schaltete sie den Fernseher auf laut, denn das Spiel begann.
„Jetzt müssen wir dem Papa die Daumen drücken!", flüsterte ich Kalle ins Ohr und griff nach seinem kleinen Händchen. So langsam wurde ich warm mit dem Wurm auf meinem Schoß. Nanna lachte wieder.
„Held og lykke far!", lächelte Nanna und griff nach der anderen Hand, „viel Glück Papa!"
Kalle schlief relativ schnell in meinem Arm ein, sodass Nanna ihn Mitte der ersten Halbzeit zurück in sein Bett brachte. Nanna fieberte genau wie ich mit. Wir mussten immer wieder lachen, wenn wir sahen, wie ähnlich wir uns waren. Es tat so gut, die Zeit mit ihr hier zu verbringen. Ich war sehr dankbar, dass es sie gab.
Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es ein spannendes Spiel werden würde. Vielleicht war es der Nervenkitzel, den Nanna und ich teilten. Aber auch der Spielstand der letzten Minute: Kai Häfner verwandelte zum 29:30. Noch 30 Sekunden und ein Tor vor. Die Füchse spielten die Abwehr auseinander, Mathias spielte Marsa am Kreis an. Er stand völlig frei und - verfehlte. Es ging also nochmal zurück in die Abwehr. Doch sechs Sekunden reichten Stuttgart nicht, um auszugleichen. Gerade nochmal Glück gehabt! Die Halle buhte, Nanna und ich atmeten auf. Die zwei Punkte waren ihnen sicher. In mir kam ein seltsames Gefühl auf. Sowohl das Spiel gegen Leipzig als auch nun gegen Stuttgart hätte klarer für uns ausgehen müssen. Und nun stand das erste Heimspiel an. Gegen niemand geringeren als den SC Magdeburg. Und das ganze an meinem Geburtstag. Na ob das so schön wird...
Nanna und ich quatschten noch etwas, dann machte ich mich auf den Heimweg. Es war schon dunkel draußen, also rief ich Anna an, um nicht ganz alleine durch Berlin laufen zu müssen. Ich erzählte ihr von den letzten Tagen und von Nanna und ließ sie kaum zu Wort kommen. Erst als ich wieder in meiner Wohnung angekommen war, durfte auch sie mal reden.
„Diese Nanna scheint nett zu sein!", stellte sie fest.
„Nanna ist großartig! Sie erzählt nochmal aus einem anderen Blickwinkel, ich lerne so viel über Lasse und Mathias...und über seine letzte Beziehung..."
„Apropos letzte Beziehung: Chris ist wieder in der Stadt", erzählte sie.
„Wollte der nicht in Österreich bleiben?!", fragte ich nach. Er war für sein Masterstudium dorthin gewechselt.
„Schweiz. Aber egal. Jetzt ist er wieder da. Wir haben ihn beim Feiern getroffen. Aber keine Sorge, Nadine hat ihm einen richtigen Einlauf verpasst! Du hättest dabei sein müssen!", lachte sie, „der wird sich nie wieder auch nur ansatzweise in deine Nähe trauen!"
„Ich bin ja auch weit genug weg!", sagte ich.
„Zu weit! Wir vermissen dich!"
„Ihr könnt mich jederzeit besuchen kommen!"
„Du verbringst jetzt erstmal jede freie Minute mit deinem neuen Freund. Und dann hast du gefälligst erst wieder Zeit für uns, verstanden?! Du hast fast zehn Jahre aufzuholen!"
„Jaja!", stöhnte ich.
„Gute Nacht Malia! Genieß das Wochenende mit ihm! Und sag ihm liebe Grüße!"
„Mach ich! Gute Nacht!"
———————

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt