Kapitel 64

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„Hallo Malia, wie schön dich zu sehen!", begrüßte Jaron mich, als ich während des Trainings zur Tür hereinkam. Mathias lächelte mich an, bevor er sich dann wieder auf den Ball konzentrierte. Ich sah auf die Uhr, lange konnte das Training nichtmehr dauern. Aber ich genoss es, den Jungs dabei zuzusehen. Ob ich in Flensburg auch direkt solchen Anschluss finden würde? Ein paar der Spieler kannte ich durch Mathias ja schon. Aber nur flüchtig. Und vielleicht wollten sie auch keine Zuschauer. Als Jaron das Training beendete, kam Mathias freudestrahlend auf mich zu und küsste mich zur Begrüßung.
„Bist du gekommen für mich abzuholen?", fragte er und ich nickte.
„Cool, ich beeile mich!", er griff nach seiner Tasche und verschwand in der Kabine. Die anderen Jungs begrüßten mich auch schnell mit einem Handshake, als Lasse kam, zog ich ihn am Handgelenk zur Seite.
„Und? Wie geht's Nanna?", fragte ich sofort.
„Ganz okay. Wir waren bei der Polizei, aber ob die jemanden finden weiß ich nicht..."
Ich nickte. Klar, was hatte ich auch erwartet?
„Handy und Portemonnaie sind immerhin wieder aufgetaucht. Nur das Geld fehlt...", ergänzte er mit zuckenden Schultern.
„Und Mathias?"
„Unverändert."
„Hm..."
„Selbst schuld, ich wollte nichts sagen!"
„Lasse...", seufzte ich.
„Nee, im Ernst: Für dich ist es einfach nur schade, für mich bedeutet es, dass ich meinen Job nicht richtig machen kann!" Mit den Worten ging er ebenfalls in die Kabine. Ich versuchte die Gedanken eines schlechten Gewissens abzuschütteln. Immerhin war er derjenige, der uns in diese Situation gebracht hatte. Ich seufzte erneut und schlurfte zurück zur Bank. Hakún und Jerry übten derweil noch Dreher von der Außenlinie. Ich spürte, dass Jerry oft zu mir rüber sah, also stand ich nach geraumer Zeit auf und ging zu ihm. Er kam etwas auf mich zu, sodass Hakún in Ruhe weiter üben konnte. Jerry warf mir seinen Ball zu, den ich mit einer Hand fing und ihm dann zurückwarf. Er lachte.
„Na das klappt ja immer besser trotz Harz!"
„Haha, witzig!"
„Wie gehts dir? Wir konnten lange nicht alleine reden!"
„Wie's mir geht? Keine Ahnung, viele Gedanken...erzähl mir lieber von dir!"
„Machst du dir Sorgen?", ignorierte er meine Frage völlig.
„Mathias und Lasse..."
„haben Streit. Ja, das merken wir alle beim Training."
„Wirklich?"
„Es sieht aus als würde Lasse sich bemühen, aber Mathias ihm die kalte Schulter zeigen..."
„Das trifft es ziemlich gut..."
„Was ist denn passiert?"
„Jerry, das kann ich nicht sagen! Das müssen die beiden klären!"
„Aber du bist traurig, dass die Situation so ist?"
Ich nickte und senkte meinen Blick.
„Na gut, dann bringen wir dich mal auf andere Gedanken", lächelte er und griff nach meinem Handgelenk, „komm mit!"
Er ging mit mir zu Hakún und warf direkt den ersten Dreher ins Tor.
„Okay, jetzt du!", sagte er und warf mir den Ball zu, den er gerade aus dem Netz gefischt hatte.
„Du willst mich nur vor Hakún blamieren!", lachte ich.
„Das schafft er nicht!", sagte dieser. Na gut. Ich übte einmal ohne den Ball loszulassen.
„So?", fragte ich nach.
„Mit viel mehr Schwung!", sagte Hakún.
„Mehr aus dem Arm!", erklärte Jerry und machte die Bewegung nochmal vor. Ich versuchte es, der Ball verließ meine Hand, flog und rollte dann am Tor vorbei.
„Ich glaube das Tore-Werfen überlasse ich lieber euch!"
„Das war doch schon richtig gut!", lächelte Hakún.
„Ja, schon viel besser als beim ersten Mal, weißt du noch?", lächelte Jerry und gab mir den nächsten Ball. Wie könnte ich das nur vergessen? Ich nickte, ebenfalls lächelnd.
„Malia!", hörte ich Mathias rufen. Er kam auf uns zu, „wir können los!"
„Lass sie noch einmal werfen!", rief Jerry. Ich nickte und versuchte es erneut. Der Ball rollte knapp am Tor vorbei.
„Du hast den Dreh raus! Wortwörtlich!", sagte Jerry und ging den Ball holen.
„Komm schon, jetzt klappt es!", sagte Hakún und gab mir seinen Ball. Und er hatte recht. Der Ball rollte und rollte und überquerte dann die Torlinie.
„YEEEESS!", rief Jerry lachend und klatschte mich ab.
„Na gut, aber den hätte ein Blinder mit Krückstock gehalten!", sagte ich.
„Wie werden ja auch eigentlich nicht von der Außenlinie!", sagte Hakún.
„Das war gut!", nickte Jerry, „oder Mathias?"
„Ja! Das war wirklich gut!", lächelte er.
„Das sollten wir öfter machen!", schlug Jerry vor und strich mit seiner Hand über meinen Arm.
„Ich glaube dazu hat sie keine Lust!", sagte Mathias, schlug Jerrys Arm weg und stellte sich vor mich. Ich runzelte irritiert die Stirn.
„Äh...okay?", druckste Jerry.
„Gehen wir?", fragte Mathias dann. Ich nickte irritiert. Mathias legte einen Arm um mich und zog mich sanft aus der Halle. Ich wank den Jungs zum Abschied zu, für mehr war wohl keine Zeit.
„Was war denn das?", fragte ich, als wir im Foyer standen.
„Nichts!" Er steuerte den Besprechungsraum an und zog mich mit hinein.
„Gut, also ich wollte dir was erzählen und vielleicht", begann ich, doch er unterbrach mich mit einem Kuss.
„Was machen wir hier?", fragte ich, Mathias schüttelte nur den Kopf und küsste mich wieder. Er griff nach dem Schlüssel, der von innen steckte und drehte ihn im Schloss um.
„Mathias!", lachte ich irritiert. Er drückte mich gegen die Tür und strich mit beiden Händen über meinen Körper. Dann drehte er uns und steuerte auf einen Tisch zu. Er hob mich hoch und setzte mich darauf, sodass er zwischen meinen Beinen stand. Er streichelte über meine Oberschenkel und spielte dann an dem Knopf meiner Hose. Ich stoppte ihn.
„Hey! Geht das auch Zuhause?!"
„Ist doch egal wo!", antwortete er und küsste meinen Hals. Ich drückte ihn an der Brust zurück.
„Mathias, was ist denn los mit dir?", fragte ich kichernd.
„Nichts, es ist nur Spaß. Und neues ausprobieren!", antwortete er und schlang wieder seine Arme um mich. Ich ließ es zu, dass er mich wieder küsste und mit seinen Händen in meine Haare fuhr. Er fuhr unter mein Oberteil und zeichnete kleine Kreise auf meiner Haut, bevor er mich wieder verlangend an ihn heranzog. Ich war gespannt, was passierte und wie es sich anfühlen würde, aber zeitgleich war es auch seltsam. Es war unsere Arbeitsstelle.
„Bist du sicher, dass wir nicht lieber Zuhause"
„Nein", antwortete er und küsste mich wieder.
„Hast du überhaupt Kondome dabei?"
„Brauchen wir nicht!", antwortete er und küsste mich wieder. Warte - was?
„Woh, okay, Stopp!", rief ich und drückte ihn weg, „was war das gerade?!"
Schweratmend sah er mich an und zuckte dann mit den Schultern.
„Das ist nicht dein Ernst!"
Wieder zuckte er mit den Schultern. Ich sprang vom Tisch und griff nach seinen Handgelenken.
„Mathias, was ist denn los mit dir?!", fragte ich und schüttelte ihn.
„Er kriegt immer alles was er will...", murmelte er und senkte den Kopf.
„Was? Was meinst du?"
„Er hat alles..."
Ich musste kurz nachdenken, was er meinte. Und dann wurde es mir klar.
„Lasse...du bist eifersüchtig auf Lasse!"
„Wenn wir sind auch ein Familie, dann ist Lasse egal."
„Willst du mich mit dieser Schwachsinns-Idee an dich binden?! Bist du jetzt völlig wahnsinnig?!", schrie ich ihn fast schon an. Das hatte ich noch nie getan. Mathias suchte nach Worten, aber er schwieg.
„Lasse und ich - das wird niemals passieren!"
Mathias kniff die Augen zusammen und drehte sich weg von mir. Ich sah, wie er zitterte.
„Weinst du jetzt?", fragte ich und ging um ihn herum, um ihn wieder anzusehen. Und ich erschrak. Mein Herz pochte wie verrückt. Es war das erste Mal, dass ich ihn weinen sah. Ich strich über seine Arme.
„Hey...es ist alles okay, ja?", versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich legte meine Hände auf seine Wangen, stellte mich auf Zehenspitzen und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss, aber es tröstete ihn nicht. Ich nahm ihn in den Arm.
„Es tut mir Leid, was ich wollte machen! Das war blöd!"
„Ja, das war es! Aber es ist nichts passiert, also beruhige dich!"
„Ich kann das nichtmehr! Streit mit mein beste Kumpel hier in Berlin, Angst, dass Kuss mit ihm war besser als mit mir und dann noch Jerry, der nur auf unser Trennung wartet!"
„Also der Kuss war definitiv nicht", ich stoppte, „ich habe gar nichts gefühlt!" Ich musste Lasse nicht noch in die Pfanne hauen.
„Vielleicht er hat gefühlt..."
„Du hast ihn erlebt, er war stockbesoffen!"
Mathias runzelte die Stirn. Ich stöhnte.
„Zu viel Alkohol!", erklärte ich. Er zuckte mit den Schultern.
„Oder er hat vorgetäuscht."
„Er liebt Nanna und Kalle und ich liebe dich!"
„Aber trotzdem ich muss mit ihm Abstand nehmen, das ist scheiße!"
Ich stöhnte. Ich ließ kurz von ihm ab, er wischte sich die Tränen weg. Ich zückte mein Handy und wählte Lasses Nummer.
„Du! Ins Foyer! Sofort!", meldete ich mich.
„Ich bin auf dem Heimweg!" Wow, da war er einmal nicht der letzte aus der Kabine.
„Sofort, Lasse!", sagte ich nochmal deutlicher und legte sofort wieder auf.
„Was soll das?", fragte Mathias, der sich mittlerweile auf einen der Stühle gesetzt hatte. Ich schüttelte den Kopf und ging auf ihn zu. Er tat mir Leid. Ich wollte nicht, dass er wegen mir weinte. Ich setzte mich auf seinen Schoß, sodass ich ihm direkt in die Augen sehen konnte. Dann wischte ich mit meinen Daumen seine Tränen weg und fuhr durch seine Haare. Ganz zaghaft legte er die Hände an meine Hüfte. Als ich merkte, dass er vermehrt Blickkontakt vermied, drückte ich mit dem Finger sein Kinn nach oben.
„Ich habe mich in dich verliebt, nicht in Lasse. Und das wird immer so bleiben. Niemand auf der ganzen Welt, nicht Lasse oder irgendwer sonst kann meine Gefühle für dich ändern! Ich wollte keine Beziehung! Schon gar nicht hier in Berlin und schon gar nicht mit einem Handballer. Und dann kamst du und hast das alles geändert! Ich habe noch nie jemanden getroffen für den ich das empfinden konnte, was ich für dich empfinde!"
Ein kleines Lächeln zog durch Mathias' Gesicht. Ich legte meine Lippen auf seine, als wir von meinem Handyklingelton unterbrochen wurden.
„Ich stehe jetzt im Foyer. Und weiter?", meldete sich Lasse. Ich stand auf und öffnete die Tür. Er stand gerade mit Paul und Hans zusammen, die wohl länger in der Kabine gebraucht haben.
„Herkommen!"
„In den Besprechungsraum? Wir beide alleine? Heiß. Malia, das wirst du nie vergessen!", grinste er und zog sich seine Jacke aus. Ich sah ihn schief an.
„Wir fangen genau an dem Punkt an, Lasse! Du hörst in Zukunft auf damit. Ich will sowas nie wieder aus deinem Mund hören!"
„Jetzt entspann dich mal, das ist doch nur Spaß!"
„Findest du nicht, du hast mit deinem Spaß in letzter Zeit ziemlich übertrieben?!"
„Äh...das ist doch unser Ding so..."
„Nein, das ist dein Ding, mich widert es an!", sagte ich, bevor ich ihn in den Raum drückte und hinter ihm von außen die Tür verschloss.
„Hey, was soll das?!", rief er und klopfte gegen die Tür.
„Ihr redet jetzt! Und solange lass ich euch nichtmehr raus!", rief ich ihm entgegen und zog den Schlüssel ab. Ich rutschte an der Tür herunter und setzte mich auf den Boden. Hans und Paul sahen mich erstaunt an.
„Was?!"
„Hat Lasse scheiße gebaut?", fragte Paul amüsiert.
„Ja!", sagte ich klar.
„Oh, das war deutlich", lachte Hans, „geht's um gestern Abend?"
„Nein."
Und Lasse begann tatsächlich mit Mathias zu sprechen. Ich legte einen Finger auf meinen Mund, damit wir die beiden nicht störten.
„Soll ich übersetzen?", fragte Hans grinsend. Natürlich würde ich kein Wort verstehen. Ich schüttelte den Kopf. Er sollte nicht auch noch wissen, was vorgefallen ist.
„Na gut, dann....einen schönen Abend euch noch!"
„Ich leiste dir Gesellschaft", beschloss Paul und setzte sich neben mich vor die Tür. Wir hörten den beiden lange zu. Immerhin redeten sie.
„Verstehst du was?", fragte Paul und ich schüttelte den Kopf.
„Und du?"
„Kein Wort!", lachte er.
„Eigentlich wollte ich von Mathias nur wissen, was seine dänischen Kollegen in Flensburg abgezogen haben..." Ich zeigte Paul die Mail von Holger Glandorf, die ich ausgedruckt in meiner Hosentasche hatte.
„Ja, hab ich schon gehört...Kretzsche hat gefragt, ob ich was wüsste...", begann er, „willst du gehen?"
„Nein, ich denke nicht...aber ich würde gerne wissen, warum Emil das gemacht hat."
„Du denkst Jakobsen hat dir das eingebrockt?"
„Er hat mitbekommen wie Bob ausgerastet ist und sich vor mich gestellt..."
„Aber würde er seinen besten Freund die Freundin wegnehmen?"
„Ich denke er will einfach, dass es mir gut geht..."
„Ich denke er will, dass sein Freund nach Flensburg kommt!"
„Du denkst ich bin für ihn ein Druckmittel?!"
„Ich denke ich bin der falsche Ansprechpartner, wenn es um diese Mannschaft geht...ich bin nicht der größte Fan von Emil und Co!"
„Er hat mir geholfen bevor er überhaupt wusste, dass ich Mathias' Freundin bin!", verteidigte ich ihn.
„Du bist eine junge, hübsche Frau, natürlich hat er dir geholfen!"
Ich runzelte die Stirn. Was sollte das denn bedeuten?
„Gefühlt die halbe Flensburger Mannschaft kommt von GOG."
„Die haben einen guten Ruf!"
„Ja, aber hinter den Kulissen geht's richtig zur Sache. Und allen voran: Mathias und Emil. Halt dich fern von Flensburg, ich trau denen nicht über den Weg!"
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Ihr Lieben, ganz wichtig: Pauls Kritik an GOG und Flensburg ist rein fiktiv und von mir ausgedacht! Es dient nur meiner Storyline

Ansonsten hoffe ich, dass es euch gefallen hat und freue mich sehr über Rückmeldung! :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt