Kapitel 35

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Flashback:

Mir liefen die Tränen die Wangen hinunter. Ich fühlte mich so benutzt und dreckig. Ich drehte mich auf die Seite. Weg von ihm. Er sollte mich nicht weinen sehen. Das war es also? Das erste Mal? Es fühlte sich nicht so an wie immer alle sagten. Nicht geborgen. Nicht schön. Einfach widerwärtig. Als wären wir Frauen nur Gebrauchsgegenstände für unsere Männer.
„So schlimm?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf und wischte die Tränen weg. Ich schämte mich so.
„Hörst du jetzt mal auf zu heulen?", stöhnte er genervt und setzte sich auf. Er zückte sein Handy und machte ein Foto von uns beiden.
„Hey!", beschwerte ich mich und griff nach einer Decke. Vergebens. Chris lachte und stand auf.
„Zu spät", grinste er.
„Was machst du?", fragte ich, „lösch sofort das Foto!"
Er tippte auf seinem Handy rum und drückte dann auf Sprachnachricht.
„So Jungs, Wettschulden sind Ehrenschulden, ich freu mich auf zwei Kästen Bier beim nächsten Spiel!", sagte er und lachte.
„Das hast du nicht gemacht!", rief ich entsetzt. Chris bückte sich und warf mir meine Klamotten zu.
„Los, zieh dich an und verschwinde!", sagte er genervt.
„Was?!"
„Mach schon!"
„Was hast du getan?", fragte ich mit Tränen in den Augen.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir zwei...", er lachte und stoppte im Satz, „du hast wirklich geglaubt, dass ich das selbe für dich fühle?!" Er kam näher und fuhr durch meine Haare, ich wich zurück.
„Fast schon wieder süß, wie du mir gefallen wolltest! Als würde ich dich lieben", grinste er und zog die Augenbrauen nach oben. Ich schwieg und begann damit, mir unter der Decke meine Unterwäsche anzuziehen.
„Aber ey, du warst ein schönes neues Spielzeug!"
„Chris, was soll das?!", weinte ich, als ich endlich wieder einen Ton herausbekam, „was soll das heißen? Wettschulden sind Ehrenschulden?!"
„Du warst nur ne scheiß Wette. Bis zum Ende der Hinrunde hatte ich Zeit, dich ins Bett zu kriegen. Und ich hatte dich so schnell um den Finger gewickelt! Das war viel zu einfach!", lachte er.
„Was?", druckste ich wieder nur herum. Jetzt sah er mich weinen. Ich konnte nicht fassen, was gerade passierte. Und dann kam der Moment. Mein Moment. Es dauerte eine Weile, aber als er sich kurz umgedreht hatte, um sich seine Boxershorts vom Boden aufzuheben und anzuziehen, da kam mein Moment. Ich nahm tief Luft und stellte mich vor ihn.
„WIE KANNST DU NUR?! MACHT DIR DAS SPASS?! MIT DEN GEFÜHLEN ANDERER MENSCHEN ZU SPIELEN?! WEISST DU EIGENTLICH, WIE WEH DU MIR GERADE GETAN HAST?!"
„Mach dich locker, das war doch nur Spaß!"
„Du bist so ein A***!", weinte ich.
„Was kann ich dafür, dass du dich in mich verliebst? Selbst schuld! Du bist ein Kind, such dir jemanden in deinem Alter, der für deinen Kuschelkurs mehr Verständnis hat! Peinlich bist du!" Er griff nach meinen Armen und zog mich zur Haustür, aus der er mich heraus schob und mir die Tür vor der Nase zuknallte. Und da stand ich nun. Völlig neben mir. In einem fremden Hausflur.
Der Weg nach Hause fühlte sich so viel länger an. Ich wollte so schnell wie möglich alleine sein. Nicht in der Öffentlichkeit, wo mich jeder weinen sah. Ich ging an meinen Eltern vorbei sofort hoch und schloss mich im Badezimmer ein. Sie merkten so schnell glücklicherweise nicht, dass es mir schlecht ging. Ich sah in den Spiegel. Meine Mascara war komplett verlaufen, meine Haare zerzaust. Gut, er hat ja auch ständig reingegriffen. Reingegriffen. In meine Haare. Und in meinen Körper eingegriffen. Was hab ich nur getan? Wie konnte ich ihn das nur machen lassen? Wie konnte ich nicht merken, dass ich ihm nichts bedeutete? Und jetzt war ich die Lachnummer vor der gesamten Mannschaft. Das war ich die ganze Zeit schon. Aber jetzt hatten sie Nacktfotos von mir. Und Chris ließ sich feiern. Ich fühlte mich so ekelhaft in meiner eigenen Haut. Die Haut, die er berührt hatte. Ich riss mir die Klamotten runter und schmiss sie in eine Ecke. Dann stellte ich mich unter die Dusche. Ich musste diesen Film von der Haut kriegen. Ich musste dieses ekelhafte Gefühl loswerden. Ich schruppte und schruppte meine Haut und seifte mich wieder und wieder ein. Erst nach einer Stunde stellte ich das Wasser wieder ab.

Flashback Ende

„Ich will mich nie wieder so dreckig und benutzt fühlen wie in diesem Moment", flüsterte ich abschließend nach meiner Erzählung, „ich hielt es nicht mehr aus in meiner eigenen Haut. Ich war wie gelähmt." Mathias sah mich bemitleidend an. So, dass ich ihn kaum angucken konnte, ohne sofort los zu weinen. Ich vermied also erstmal den Blickkontakt mit ihm. Es war besser so. Wir saßen uns im Schneidersitz gegenüber auf meinem Bett. Mathias hielt die ganze Zeit meine Hände. Ab und zu spielte ich mit seinen Fingern, das beruhigte etwas. Aber der schlimmste Teil kam erst noch...

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt