Kapitel 20

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Schon wieder eine Nacht, in der ich vor lauter Kopfzerbrechen kein Auge zubekam. Vielleicht war es ganz gut, dass ich am nächsten Tag mal durchatmen konnte - zumindest was Mathias anging. Denn Bob, Kretzsche und ich verbrachten den ganzen Tag an und in der Arena, halfen beim Aufbau, bei der Organisation und beim Feinschliff. Ich hätte Mathias anrufen können. Oder er hätte mich anrufen können. Aber nachdem, was ich ihm gestern an den Kopf geknallt hatte würde er das wohl kaum tun...ich musste mich wohl entschuldigen. Aber nicht jetzt. Das wollte ich lieber persönlich klären und heute war dafür absolut keine Zeit, wenn auch fürs Sommerfest soweit alles nach Plan lief. Bob und Kretzsche waren sehr zufrieden mit dem, was ich da auf die Beine gestellt hatte. Und ich war schon ein bisschen stolz darauf, dass alles so funktionierte, wie ich mir gewünscht hatte. Fast krampfhaft versuchte ich, in dieser positiven Stimmung zu bleiben und nicht an Mathias zu denken. Aber das war kaum möglich: Sein Gesicht war überall. Auf jedem Banner, auf jedem Werbeschild, einfach überall. Klar, er war ja auch sehr beliebt bei den Fans.
Trotz der funktionierenden Planung blieben wir noch bis spät am Abend in der Halle. Auch Jaron kam nochmal vorbei und sah sich an, was wir dort geschaffen hatten. Und auch er war begeistert und freute sich auf den morgigen Tag. Wir standen noch lange zu viert zusammen und quatschten bei kühlem Bier über Gott und die Welt. Es wurde später und später, bis Bob mich gegen 23 Uhr dann vor meiner Haustür absetzte. Und spätestens jetzt begann die Nervosität. Morgen musste nicht nur äußerlich alles klappen, sondern auch die Mannschaft musste funktionieren und sich gut präsentieren. Für die AOK und Herrn Maus. Vielleicht sogar dafür, dass ich meinen Job behalten durfte. Aber darüber wollte ich gar nicht nachdenken, Bob machte nicht den Anschein, als würde er mich wieder loswerden wollen. Und er sah selbst, dass ich alles getan hatte, um das Fest in gutem Licht darstellen zu können.
Um halb 7 klingelte schließlich mein Wecker. Anders als sonst war ich sofort hellwach und aufgeregt. Ich brauchte kein zweites Klingeln, um wach zu werden. Heute war der Tag. Der Tag, auf den ich drei Wochen lang hingearbeitet hatte. Und der Tag, an dem ich Mathias entweder aus dem Weg gehen oder mich bei ihm entschuldigen musste. Vielleicht redete er ja auch gar nichtmehr mit mir.
Heute brauchte ich etwas länger im Bad. Ich schminkte mich etwas mehr, benutzte Eyeliner und dezenten Lidschatten und lockte meine Haare leicht. Vielleicht war es eine Maske, um meine Unsicherheit zu verbergen. Aber ich fühlte mich heute etwas seriöser und wichtiger als all die Tage sonst. Und das wollte ich auch nach außen strahlen. Ich griff nach meinen Füchse-Poloshirt und kombinierte es mit einer Jeans. Trotz des guten Wetters blieb ich bei einer langen Hose. Erstens weil es seriöser war. Zweitens, weil die blauen Flecken vom Unfall nicht zum Vorschein kommen sollten. Die Schiene an meinem Fuß reichte schon. Über das Shirt zog ich zumindest für heute morgen noch einen schwarzen Blazer, dann griff ich nach meiner Handtasche und wartete vor der Tür auf Bob.
„Aufgeregt?", grinste er, als ich ins Auto stieg.
„Nein", log ich, „es wird alles gut gehen."
„Ja, das wird es! Dank dir!"
Ich lächelte. Es tat gut das zu hören!
Die Fahrt zog sich heute mehr als sonst. Ich konnte es kaum erwarten, endlich anzukommen und loszulegen. Und alle Gäste zu begrüßen. Das war mein Tag und ich fühlte es nun richtig. Als wir aus dem Auto ausstiegen, war das Areal rund um die Arena noch völlig leer. Klar, wir hatten noch zweieinhalb Stunden bis zum Beginn der Veranstaltung. Es fühlte sich an wie die Ruhe vor dem Sturm. Und das genoss ich. Ich drehte nochmal eine Runde um die ganzen Stände und in der Halle. Es sah alles gut aus. Es wird gut werden. Wir mussten nur dran glauben.
„Hallo Fremde!", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir, „hübsch siehst du aus!"
„Paul? Was machst du denn schon hier?"
„Ich war neugierig. Jaron schrieb mir gestern Abend, dass sich da wohl jemand sehr viel Mühe mit der Orga gegeben hat", lächelte er.
„Ich mach eben keine halben Sachen!"
„Nee wirklich, Malia. Das ist unglaublich! So viele Stände, überall die AOK im Vordergrund! Der Typ kann gar nicht anders, als bei uns zu bleiben!"
„Hoffen wir's mal!"
„Ich hab gehört, Team Fußkrank kontrolliert den Zeitplan heute?"
„Team Fußkrank?", fragte ich lachend, „du willst mir helfen?"
„Na klar! Spielen kann ich ja nicht!"
„Du musst um"
„12 bei der Autogrammstunde sein? Mit Valter. Ja ich weiß!"
Ich lächelte. Natürlich wusste er das.
„Ich hab mir eine Liste geschrieben, wann ich wen wohin schicke", begann ich und kramte den Zettel aus meiner Hosentasche. Paul nahm sein Handy aus seiner und zeigte mir das Display.
„Dito", antwortete er, „die Jungs haben die Erinnerung heute morgen nochmal in unsere WhatsApp-Gruppe bekommen!"
„Paul, ich weiß nicht, was ich"
„Was du sagen sollst?", fiel er mir wieder ins Wort, „schau dir an, was du alleine geleistet hast! Und jetzt lehn dich zurück und genieß den Tag!"
Ich lächelte dankend.
„Ach übrigens, ich bin gerade zu Fuß auch etwas schneller! Ich hinke schon seit Monaten! Und wenn ich jemanden suche, finde ich ihn spätestens in der Kabine!"
„Ja, also in der Kabine kann ich mich schlecht blicken lassen!"
„Komm nackt, bring Bier mit!", lachte er und schüttelte den Kopf, „bis später, Malia!"
Ich verdrehte die Augen. Jaja Paul, bis später. So langsam trudelten die ersten Schausteller ein und auch die Mannschaftsbusse der Gäste fuhren vor. Allen voran der amtierende Champions-League Sieger SC Magdeburg. Das wird ein Brett werden. Ich konnte nur hoffen, dass Herr Maus vielleicht ein Auge zudrückt, falls das Spiel nicht für uns ausging. Ich begrüßte den Trainer Bennet Wiegert, dann auch Jens Bürkle, den Trainer vom HBW Balingen-Weilstetten (A/N: Stand Sommer 2023) und Rúnar Sigtryggsson vom SC DHfK Leipzig. Außerdem hatten wir zwei Schiedrichter-Gespanne aus der zweiten Liga eingeladen und beauftragt. Mit dieser kleinen Menschenansammlung gingen wir kurz durch die Halle. Bob ließ es sich natürlich nicht nehmen, bei der Begrüßung an meiner Seite zu sein. Die Spieler der Mannschaften verteilten sich in den Kabinen, manche von ihnen verschafften sich selbst erstmal einen Überblick.
„Die Zeitpläne haben alle bekommen?", fragte ich und sah in nickende Gesichter, „die Spiele haben eine verkürzte Dauer von zweimal 15 Minuten. Jeder spielt gegen jeden, am Ende entscheidet das Punktesystem gemäß Bundesliga und bei Punktgleichheit das Torverhältnis", erklärte ich trotzdem nochmal. Etwas später kam auch Jaron dazu. Aber er kannte das Gesamtkonzept ja sowieso schon. Der ein oder andere Aussteller hatte noch eine kurze Frage, sonst blieb es zum Glück ruhig.

Eine Stunde vor Beginn des Sommerfestes traf dann auch unsere Mannschaft in der Max-Schmeling-Halle ein. Wir hatten noch genug Zeit, sodass sie sich erstmal umschauten und schließlich aufs Spielfeld kamen, um sich die neuen Banner rund um die Arena anzusehen. Ich saß auf der Auswechselbank und hakte meine To do Liste weiter ab, als nach und nach mehr Spieler die Halle betraten. So auch Mathias und Lasse. Ich sah kurz hoch, dann wieder runter und tat, als hätte ich unglaublich viel zu tun. Vielleicht rechnete ich damit, dass zumindest Lasse zu mir kam. Aber dem war nicht so. Er stellte sich ins Tor und Mathias machte seine ersten lockeren Würfe. Aber immerhin Fabi und Nils begrüßten mich per Handschlag, dicht gefolgt von Hans.
„Na? Dreht Bob schon durch?", begrüßte Hans mich und setzte sich neben mich auf die Bank.
„Er ist erstaunlich ruhig!", widersprach ich.
„Er weiß mittlerweile vielleicht, dass er dir vertrauen kann!"
„Ich genieße das mit Vorsicht! Ich weiß ja auch gar nicht, was nach dem Sommerfest mit dem Sponsoring passiert..."
„Hey!", begrüßte uns Jerry, ebenfalls mit einem Handschlag, „du siehst wunderschön aus, Malia!"
Ich lächelte kurz. Eigentlich machte man sich ja schick, um Komplimente zu bekommen. Und dann war es doch unangenehm. Hans runzelte die Stirn und sah Jerry schief an.
„Äh, also...ich meine nur...", stammelte Jerry dann und drehte sich zu Mathias und Lasse um, die noch immer am Tor standen, „egal, der hört eh nicht zu!"
„Darfst du mir keine Komplimente machen, wenn Mathias in der Nähe ist? Hab ich was verpasst?", hakte ich nach.
„Nein, ich mein nur...mir ist aufgefallen, dass du anders aussiehst als sonst...nicht, dass du sonst nicht hübsch bist, aber heute eben besonders...", stammelte er wieder. Hans und ich begannen zu lachen.
„Ich red mich hier um Kopf und Kragen! Kann man nicht einmal ein Kompliment ohne Hintergedanken verteilen?!", lachte jetzt auch Jerry.
„Alles gut Jerry, lass dich nicht ärgern!", antwortete ich nur. Die beiden gingen zusammen aufs Spielfeld und begrüßten ein paar der Spieler der Gastmannschaften. Ich las mir nochmal meine Checkliste durch, als ein Ball vor meine Bank rollte. Ich hob ihn auf und sah nach oben. Es war Mathias' Ball. Er hob die Hand als Zeichen, dass ich ihn zurückwerfen sollte. Aber ich stand auf. Ich musste kurz mit ihm sprechen. Als er merkte, dass er seinen Ball erstmal nicht zurückbekam, ging er auf mich zu. Und dann stand er plötzlich vor mir. Und ich stand einfach nur da wie erstarrt. Ich sah in seine wunderschönen Augen, noch immer mit seinem Ball in meinen Händen.
„Ich...", begann ich und Mathias zog erwartend die Augenbrauen hoch.
„Malia?!", rief Bob plötzlich, „kommst du bitte?Herr Maus ist da!"
Ich öffnete nochmal den Mund, um irgendwas zu sagen. Aber ich wusste einfach nicht was. Stattdessen gab ich ihm einfach den Ball wieder, griff nach meinen Krücken und ging. Super Timing, Bob. Danke! Ich verdrehte kurz die Augen vor meiner eigenen Dummheit. Und dann war ich vielleicht doch ganz dankbar, dass Bob mich gerufen hatte. Mir fiel einfach kein Wort mehr ein, wenn ich Mathias sah. Mein Kopf war leer. Völlig überfordert. Aber da war noch immer dieses Kribbeln. Stärker als vorher. Er machte mich verrückt. Meine Gedanken waren wieder nur bei ihm. Und es wurde auch nicht besser, denn um den AOK-Infostand herum war sein Gesicht überall. Es hörte einfach nicht auf...
„Herr Maus, wie schön Sie wiederzusehen!", legte ich ein Lächeln auf.
„Frau Weber, die Freude ist ganz meinerseits. Meine Kollegen Herr Fathi und Frau Schuster unterstützen mich heute am Stand", stellte er sie vor, „Sie haben ja mächtig was auf die Beine gestellt!"
„Wie abgesprochen, Herr Maus. Wir wollen doch eigentlich alle das Gleiche, oder nicht?!"
Er lachte. Bob stieg mit ein, nicht sicher, wie es sich verhalten sollte.
„Sie gefallen mir immer besser, Frau Weber! Sagen Sie: Was ist mit Ihrem Fuß passiert?!"
„Ein kleiner Unfall, nichts wildes!", wank ich ab und sah Bob an.
„Ich hab", begann Bob, doch ich unterbrach ihn sofort.
„Er hat sich rührend gekümmert und mich überall hingefahren. Wir sind ein gutes Team!", lächelte ich. Er erwiderte mein Lächeln.
„Ja das sehe ich! Ich bin sehr gespannt, was der Tag so bringt!", antwortete Herr Maus.
„Wann immer sie etwas brauchen: Melden Sie sich! Bei mir, bei Bob oder bei Paul Drux, unserem Kapitän!"
„Das werde ich, vielen Dank!", nickte er. Und damit war die nächste Hürde überwunden. Herr Maus war zufrieden. Den Rest mussten die Jungs auf dem Spielfeld regeln...
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Hallo zusammen, wie gefällt euch das neue Kapitel? :) Wie wird es wohl mit Mathias und Malia weitergehen? Und was passiert beim Sommerfest? :)
Schickt mir eure Ideen, ich freue mich sehr über Feedback!! :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt