Kapitel 34

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Mein Samstagmorgen verlief recht entspannt, wenn auch voller Vorfreude. Denn Mathias war auf dem Weg zurück nach Berlin und ich freute mich riesig, ihn wiederzusehen. Ich konnte es kaum abwarten, bis es am späten Nachmittag endlich bei mir klingelte. Ich sprintete zur Tür - was glücklicherweise nun wieder möglich war - und öffnete sie lächelnd.
„Hey", begrüßte er mich und zog mich in seinen Arm, bevor er noch mit beiden Füßen im Hausflur stehend zum ersten Mal seine Lippen auf meine legte.
„Ich bin direkt von Bus gekommen", erklärte er und zog seine Trainingstasche hinter sich her in meinen Flur.
„Sieht man!", lachte ich und wuschelte durch seine Haare.
„Hey!", beschwerte er sich und begann mich zu kitzeln.
„Nein! Sofort aufhören!", lachte ich, doch er machte weiter, bis ich gekrümmt am Boden lag.
„Tut mir Leid, ich verstehen kein Deutsch!", lachte er und legte sich auf mich. Noch immer pieksten seine Finger wieder und wieder in meinen Bauch. Irgendwann schaffte ich es, danach zu greifen und sie festzuhalten. Aber bis dahin lag ich mit dem Rücken auf dem Boden, er über mir, seine Beine rechts und links neben meiner Hüfte. Wir stoppten und er legte wieder seine Lippen auf meine, bevor er von mir runter ging und mich hochzog.
„Nicht so entspannt hier auf Fliesen", stellte er fest.
„Ahja, ich lag unten, du lagst auf mir, also beschwer' dich ja nicht!", neckte ich ihn. Er lachte wieder.
„Was soll ich tun, wenn du bist so frech zu mir?", fragte er, stellte sich vor den Spiegel und strich durch seine Haare.
„Ich bin also frech?!", fragte ich nach und er nickte.
„Ich war viele Stunde in eine Bus und ich kommen direkt zu dir so sei lieber nett!", lachte er.
„Das bin ich! Ich hab sogar für dich gekocht. Ich dachte du hast vielleicht Hunger nach der langen Fahrt..."
„Ja und wie!", lachte er.
„Ich hab was Dänisches versucht...ich hoffe es schmeckt...", sagte ich auf dem Weg in die Küche.
„Du hast extra für mich dänisch Essen gemacht?", fragte er nochmal nach und ich nickte.
„Stegt fæsk. Entschuldige die schlechte Aussprache..."
Mathias schüttelte lächelnd den Kopf, zog mich zu ihm und küsste mich wieder. Und dann wieder. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und stellte mich auf Zehenspitzen, doch dann stoppte ich uns.
„Das Essen wird kalt", erinnerte ich.
„Egal!", schüttelte er den Kopf und küsste mich wieder.
„Nein, ich bin zu gespannt, wie du es findest!", sagte ich und drückte ihn sanft weg. Er half mir beim Tisch decken, dann servierte ich das Essen. Viel Zeit hatte Mathias nicht, bis ich mein erstes Feedback forderte.
„Und?", fragte ich gespannt.
„Richtig lecker", lächelte er.
„Und das sagst du auch nicht einfach nur so?"
Er schüttelte den Kopf.
„Schmeckt fast wie Zuhause", ergänzte er. Ich lächelte erleichtert.
„Du hast nichtsmehr zu trinken", stellte ich fest und sprang auf, „was möchtest du?"
„Malia, entspann dich!", lachte er und ich dann auch.
„Ich hatte wirklich Angst, dass es nicht schmeckt!", gab ich zu, „also?"
„Ach, einfach Wasser!"
Ich nickte und stand auf.
„Kannst du mein Handy mitbringen? Ich muss jetzt ein Foto an Lasse schicken. Wir haben heute in Bus noch darüber gesprochen, dass dänische Essen ist besser als deutsch. Und dann wir hatten alle Hunger!", lachte er.
„Klar, mach ich", lachte ich.
„Das ist in mein Tasche!", sagte er. Ich nickte und ging in den Flur. Ich ging davon aus er hatte es in einem der kleinen Fächer an seiner Tasche verstaut. Ich öffnete einen Reißverschluss nach dem nächsten, doch fand zunächst nichts. Ich öffnete nun den dritten Reißverschluss. Dort war eine schwarze Verpackung, die ich sofort erkannte. Meine Augen wurden weit. Ich nahm sie aus seiner Tasche. Er hatte Kondome dabei. Okay, durchatmen. Er will nur vorbereitet sein. Das ist alles. Aber...wie sehr hielt ich ihn hin? Wie lange hatte er noch Geduld? Ich steckte sie zurück in seine Tasche und schloss den Reißverschluss. Ich ließ das Schicksal entscheiden, wann es soweit war mit uns. In der nächsten Öffnung fand ich dann auch, was ich gesucht hatte. Ich stand mit seinem Handy in der Hand wieder auf. Doch dann stoppte ich. Ich ging zurück zur Tasche und öffnete erneut das dritte Fach. Nein, Malia. Geh zurück. Tu das nicht....und ich tat es: Ich nahm die Packung mit den Kondomen heraus, schloss die Tasche und versteckte die Packung in einer Schublade in der Kommode. Durchatmen Malia. Du überlässt nichts dem Schicksal. Du entscheidest. Und deine Entscheidung ist gefallen.
Ich brachte Mathias sein Glas Wasser und sein Handy an den Tisch. Tatsächlich schickte er Lasse ein Foto und eine kurze Memo auf dänisch. Ich hörte ihm gerne zu. Er klang nochmal anders, wenn er dänisch sprach. Und auch, wenn ich kaum ein Wort verstehen konnte, so könnte ich ihm stundenlang zuhören.
„Wir müssen an meinen Dänisch-Fähigkeiten schrauben!", sagte ich dann entschlossen.
„Was?", fragte er amüsiert, „woran schrauben?"
„Lernen. Dänisch", wiederholte ich.
„Na gut. Aber erst du erzählst mir wie war dein Abend mit Nanna."
„Super schön...", begann ich und schwärmte dann von den tollen Gesprächen, die wir hatten. Seine Ex ließ ich dabei aber raus, ich wollte die Stimmung nicht zerstören. Ich fühlte mich heute richtig befreit und glücklich. Ich konnte mir vorstellen, dass Nanna was damit zu tun hatte. Sie bestätigte mir nochmal, was für ein toller Mann Mathias doch war. Ich ließ mich mehr fallen. Und ich vergaß völlig, dass ich ihn doch eigentlich gerade beklaut hatte...
Wir kuschelten uns nach dem Essen aufs Sofa.
„Okay also...was heißt: Mein Name ist Malia?"
„Mit navn er Malia."
„Mit navn er Malia", wiederholte ich, „okay das war einfach. Was heißt...ähhmm: Ich komme aus Köln?"
„Jeg er fra Köln", antwortete er wieder und schlang seine Arme um mich. Wieder wiederholte ich.
„Und...was heißt: Jetzt arbeite ich in Berlin bei den Füchsen."
„Nu arbejder jeg i Berlin for Füchse."
„Das klingt alles so...leicht...und logisch...wie Holländisch mit seltsamen Akzent!"
Mathias lachte.
„Nein, jetzt mal im Ernst. Vielleicht kann ich nicht sprechen, aber vielleicht verstehe ich dich ja trotzdem, wenn du einfach Dänisch mit mir sprichst. Dann lerne ich es so."
„Das klappt nicht!", schüttelte er den Kopf.
„Komm schon! Sag noch was!"
„Jeg er meget glad for, at jeg er sammen med dig. So, was heißt das jetzt?", fragte er lachend.
„Nochmal! Langsamer!"
„Jeg er meget glad for, at jeg er sammen med dig."
Ich sah ihn an und überlegte. War vielleicht doch nicht so einfach, wie die ersten Sätze.
„Kannst du mir das aufschreiben?"
„Ich soll also jetzt alles aufschreiben, wenn wir reden?", fragte er amüsiert.
„Naja, ich hab oft gehört, das eure Aussprache grässlich ist!" Wieder lachte er. Er zückte sein Handy und tippte den Satz ein.
„Jeg heißt ich", tastete ich mich ran. Er nickte.
„glad for klingt wie im englischen froh sein...", machte ich weiter.
„Und...jeg er sammen med dig....ich bin zusammen mit dir? Also...du bist froh, dass du mit mir zusammen bist?", fragte ich und er nickte lächelnd. Zusammen. Waren wir denn zusammen?
„Aussprache wir müssen üben!", lachte er dann.
„Frechheit!", beschwerte ich mich, „ich hab ganz genau vorgelesen, was da stand. Und ich konnte es verstehen. Also seid ihr Dänen mit eurer komischen Aussprache das Problem! Nicht mein deutscher Kopf!", beschwerte ich mich und Mathias lachte wieder. 
„Og dig?", fragte er dann.
„Hm?"
„Bist du auch froh, dass wir sind zusammen? So dass ich kann sagen, wenn jemand aus mein Mannschaft fragt?"
Ich nickte und lächelte. Er lächelte ebenfalls und küsste mich wieder. Ich kuschelte mich dabei eng an seine Brust und ließ es einfach geschehen. Wir waren nun also Freund und Freundin. So richtig. Das war schwer zu beschreiben...
Es wurde später und später. Noch immer lagen wir knutschend auf dem Sofa. Dann zog Mathias mich hoch auf die Beine, griff in meine Kniekehlen, was mich erschreckte. Ich rechnete gar nicht damit, dass er mich hochhob.
„Ah", wimmerte ich kurz, „was machst du?"
„Location Wechsel", antwortete er.
„Ist dir aufgefallen, dass mein Fuß wieder in Ordnung ist?", fragte ich lachend.
„Ich mag das", zuckte er mit den Schultern und lächelte dann. Seine Lippen fanden wieder den Weg zu meinen. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und tatsächlich: Erst im Schlafzimmer ließ er mich wieder runter. Er legte mich sanft auf dem Bett ab und beugte sich dann über mich.
„Bin sofort wieder da!", flüsterte er dann und verließ das Schlafzimmer. Ich wusste genau, was er vorhatte und schon hörte ich auch den Reißverschluss seiner Tasche und wie er anfing zu wühlen. Mein Herz klopfte schneller. Er hätte mich also heute gefragt, ob ich bereit war. Wollte ich das? Ja. Und Nein. In Anbetracht dessen, dass er eh nichts finden würde, musste ich mir die Frage gar nicht beantworten. Er kam nach einer Weile zurück ins Schlafzimmer geschlurft und kratzte sich irritiert am Hinterkopf.
„Alles okay?", fragte ich scheinheilig.
„Ja", lächelte er und kam zurück ins Bett, „ich dachte nur ich...habe Kondome dabei...also für den Fall, dass du das möchten..." Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und küsste mich wieder. Ich erwiderte den Kuss.
„Und?", fragte er.
„Und was?"
„Willst du?"
„Naja, die Frage erübrigt sich ja...", antwortete ich ausweichend.
„Ich meine...bin ich zu schnell?", fragte er. Ich seufzte.
„Nein...bist du nicht...", gab ich zu und setzte mich auf, „du bist perfekt..." So langsam machte sich nun doch ein schlechtes Gewissen in mir breit. Mathias war so süß und ich vergraulte ihn mal wieder...
„Alles okay?", fragte er und legte einen Arm um mich.
„Nein...ich hab dich nicht verdient...", sagte ich und senkte den Blick.
„Wie meinst du?"
„Ich sabotiere unsere Beziehung...", erklärte ich dann.
„Nein! Wieso denkst du das? Du kannst immer sagen, wenn ich bin zu schnell! Das ist doch okay!"
„Aber es gibt Dinge, die eben nicht okay sind, Mathias..."
„Ich verstehe nicht", lächelte er irritiert. Ich seufzte, stand auf und ging zurück in den Flur. Das war zu viel, Malia. Und das weißt du auch...
Ich öffnete die Kommode, nahm die Kondompackung und ging damit zurück ins Schlafzimmer. Tief durchatmen Malia. Du tust das Richtige. Ich setzte mich an die Bettkante, auf der Mathias auf mich wartete.
„Die hab ich in deiner Tasche gefunden und sie versteckt. Das war doof, entschuldige...", murmelte ich und gab sie ihm zurück. Mathias sah mich erstaunt und irritiert an. Vielleicht fast schon bemitleidend, auch wenn diese Emotion gerade überhaupt nicht passte. Und wieder war eine Entschuldigung fällig. Wann hörte ich endlich auf damit? Wann traf ich von Anfang an mal die richtige Entscheidung?
Mathias nahm die Verpackung und legte sie auf dem Nachtisch ab. Dann griff er in meine Haare und zog mich an sich heran.
„Du musst das nicht machen. Erst wenn du auch willst, okay?", sagte er und löste sich dann wieder von mir.
„Hältst du mich jetzt nicht für total bescheuert?", fragte ich beschämt und er schüttelte den Kopf.
„Nein, warum soll ich das denken?"

Flashback:
„Warte!", stoppte ich ihn, „ich...ich...hab noch nie..." Hoffentlich wurde ich nicht in diesem Moment rot wie eine Tomate. Nicht vor ihm...
„Ja und? Ist doch keine große Sache!", lachte Chris, „komm schon! Oder bist du doch etwa noch nicht reif genug für eine Beziehung mit mir?"
„Doch! Ich...ich wollte nur..."
„Es wäre echt doof, wenn unser Altersunterschied uns einen Strich durch unsere Beziehung macht...findest du nicht?!" Er spielte mit meinen Haaren.
„Ja schon...aber...ich bin 15, ich hab gehofft wir könnten vielleicht...langsamer..." Er unterbrach mich mit seinem Blick. Diesen Blick kannte ich. Es war unangenehm, ihn auf mir zu spüren. Er sagte etwas aus wie ‚Nicht dein Ernst jetzt?!' oder so in der Art. Ich mochte ihn nicht. Diesen Blick.
„Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Wir machen weiter oder du gehst. Aber dann brauchst du auch nicht wieder angekrochen zu kommen...das wäre dann schon ziemlich peinlich, weißt du? Wenn die ganze Mannschaft wüsste, wie du dich anstellst... Du willst doch immer erwachsen sein? Jetzt kannst du's beweisen! Deine Entscheidung."
Ich war kurz still. Hier, so halbnackt unter ihm beeinflussten mich seine Worte wohl nochmal mehr. ‚Peinlich' - nein. Das wollte ich nicht sein.
„Na - na gut."
„Na also, ist doch nicht so schwer."

Flashback Ende

„Weil ich dich beklaue statt mit dir zu sprechen", antwortete ich, „wie peinlich..."
„Nein, weißt du, was peinlich ist? Für dich gar nichts. Für mich, dass ich habe dir Gefühl gegeben, dass du musst das verstecken vor mir. Das wollte ich nicht."
„Das hast du nicht!", ich griff ihm in den Nacken und küsste ihn. „Es ist nur, ich...bin es nicht gewöhnt, dass ich die Wahl habe."
„Was?", fragte er ungläubig.
„Ich konnte nicht einfach ‚Nein' sagen. Er hat mich erpresst...", gestand ich und senkte wieder meinen Blick.
„Ich glaube es ist Zeit, dass du mir erzählst alles was er hat gemacht!", sagte er.
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Ihr Lieben, ich hoffe ihr hattet ein tolles verlängertes Wochenende! :) Ich würde mich riesig über Rückmeldung freuen!

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt