Kapitel 29

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„Frau Weber", stöhnte mein Arzt und schüttelte den Kopf, „was machen Sie denn für Sachen?"
Ich schwieg erstmal nur und schüttelte den Kopf.
„Sie hatten mehr Glück als Verstand!", fügte er hinzu.
Ich atmete erleichtert auf. Ich hatte es also mit meiner Leichtsinnigkeit am Samstag nicht schlimmer gemacht.
„Ihr Knöchel ist aufgrund der zu hohen Belastung angeschwollen, aber der Knochen ist schon gut verheilt. Sie dürfen mit kleinen Belastungen beginnen!"
„Heißt das, ich brauche die Krücken nicht mehr?!", fragte ich begeistert.
„Kurze Strecken können Sie ohne Krücken laufen, aber bitte nicht solche Aktionen wie am Samstag!"
„Versprochen!", strahlte ich.
„Ich verschreibe Ihnen eine neue Schiene, die Sie vorerst unterstützen soll."
Ich durfte wieder laufen! Ich war endlich diese blöden Krücken und das Rumgehopse los. Endlich! Heute war ein guter Tag, das spürte ich! Vom Arzt ging es direkt auf die Arbeit - ohne Krücken. Ich nahm mir aber diesmal ein Taxi, ich war ohnehin schon spät dran. Ich begrüßte die Mitarbeiter und ging durch zu Bobs Büro. Ich klopfte und drückte die Türklinke runter. Kretzsche war gerade bei ihm.
„Ah, Malia! Komm rein!", lächelte Bob, „was hat der Arzt gesagt?"
„Tada!", strahlte ich und zeigte meinen Fuß mit neuer Schiene aber ohne Krücken.
„Nee! Wir haben uns so Sorgen gemacht, nachdem du beim Sommerfest so viel gelaufen bist!", rief Kretzsche begeistert.
„Es ist alles gut! Ich darf wieder auftreten. Aber ich soll langsam machen!"
„Das ist toll!", stimmte Bob zu, „meine Güte, was war das für ein Start in die Arbeitswelt!"
„Also Lektion Nummer eins", sagte Kretzsche, „lass dich niemals von deinem Chef auf einen Gaul setzen!"
„Nein! Niemals mehr!", nickte ich lachend und setzte mich zu den Beiden.
„Ich würde gerne mit euch nochmal über das Sommerfest sprechen...", begann ich dann und mein Gesichtsausdruck wurde ernst, „wie geht es jetzt weiter? Was sind die Konsequenzen?"
„Tja, Malia...da ist ja ordentlich was schief gegangen!", stöhnte Bob und wurde auch ernst.
„Ich hätte nicht den SCM fragen dürfen! Entschuldigung!"
„Wir müssen jetzt eben schauen, wie es weitergeht...wie wir mit den vorhandenen Geldern klarkommen..."
Maus hat abgelehnt. Ich stöhnte. So viel Arbeit für nichts!
„Immerhin ist das Sommerfest auf Null aufgegangen...noch mehr Minuszahlen können wir uns wirklich nicht erlauben!", machte Bob weiter.
„Null?! Es waren so viele Leute da! Wie kann das sein?!", fragte ich ungläubig.
„Ja, so ist das im Profisport mit so hohen Forderungen...man verschätzt sich schnell..."
„Aber....", stammelte ich, „ich hab alles vorher tausend Mal hin und her gerechnet!"
„Mach dir keinen Kopf, ich muss ja zum Glück nicht drauflegen..."
„Und die Mannschaft?", fragte ich dann. Wieder stöhnte Bob.
„Ja, die werden wir ohne das Geld von Maus wohl nicht halten können..."
„Nein...", murmelte ich.
„Wir sind uns noch nicht einig, von wem wir uns trennen", erklärte Bob, „vielleicht wird es Gidsel, der hat uns den Schlamassel ja eingebroggt!"
Mir lief ein kalter Schauer den Rücken runter. Mathias hatte keine Schuld am verpatzten Sommerfest! Es war meine Planung und es waren meine Worte, die ihn haben so spielen lassen. Ich sah Bob erschrocken an. Mein Herz klopfte und ich biss mir auf die Lippe.
„Nein...", murmelte ich.
„Jetzt spann sie nicht so lange auf die Folter!", forderte Kretzsche und begann lautstark zu lachen, Bob stieg mit ein.
„Mensch Malia, du glaubst doch nicht, dass wir 'nen Weltmeister aus der Mannschaft werfen!", lachte Kretzsche weiter, „Bob verarscht dich!"
„Wie?", fragte ich verwundert. Und noch immer schockiert.
„Maus hat dem Deal zugesagt!", sagte Bob und stand auf, „du hast alles richtig gemacht und ich bin sehr stolz auf deine Leistung! Wir haben ein großes Plus gemacht!" Bob kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ich erwiderte die Umarmung zarghaft.
„Sie steht immer noch unter Schock!", stellte Kretzsche fest und lachte weiter.
„Mein Herz...ihr habt mich so erschreckt!", stotterte ich.
„Keine Sorge, du kannst deinen Mathias behalten!", stellte Bob klar.
„Er ist nicht mein Mathias, wir sind nur Freunde!", beschwerte ich mich.
„Hast du ihm das auch so gesagt?", fragte Kretzsche.
„Dann weiß ich wenigstens, warum er so scheiße gespielt hat!", lachte Bob.
„Er sieht das genau so", antwortete ich, „ich bin mit ihm auf gleicher Ebene wie mit Lasse oder Jerry oder Paul. Da ist nichts und da wird auch nichts sein!"
„Schade", zuckte Kretzsche mit den Schultern, „wär' sicherlich 'n Argument für die nächste Vertragsverlängerung gewesen!"
„Bis 2028 fallen dir schon noch Argumente ein...", murmelte ich etwas abweisend. Dieses ständige Aufziehen würde niemals enden. Wenn Mathias und ich offiziell zusammen waren, würde es noch schlimmer werden. Und wie Kretzsche schon sagte: er würde unsere Beziehung für seine Geschäfte nutzen. Und emotionalen Druck brauchten wir beide nicht!
Ich nahm mir ein paar Minuten Zeit, um mich telefonisch bei Herrn Maus zu bedanken. Er war begeistert von der Organisation und dem Fanaufkommen. Der heutige Tag lief wirklich wie geschmiert! Und mir fiel so eine Last vom Herzen!
Den restlichen Tag verbrachten Bob und ich mit der Einarbeitung. Ich muss zugeben, dass mir die Planung des Sommerfestes besser gefallen hatte, als ihm nun wieder fast auf dem Schoß zu sitzen, aber so war es nunmal. Und je schneller wir fertig waren, desto schneller konnte ich auch wieder alleine und in Ruhe arbeiten.
Mein Kopf qualmte förmlich, als wir in den Feierabend gingen. Ich verabschiedete mich von Bob.
„Ach, Malia?!", rief er mich zurück, „ich habe Jaron und die Mannschaft noch nicht über die Resonanz des Sommerfestes informiert. Ich dachte, das würdest du gerne machen!"
Ich nickte lächelnd.
„Training geht noch bis 19 Uhr!"
Also ging es für mich noch nicht nach Hause, sondern zum Trainingszentrum. Ich besorgte noch drei Kisten Bier und stellte sie nach und nach vor die Tür der Trainingshalle. Dann ging ich hinein. Paul und Valter saßen auf der Bank und verfolgten das Spielgeschehen. Ich setzte mich dazu.
„Hey", lächelte Paul, „wo sind die Krücken?"
„Brauch ich nichtmehr!", strahlte ich und klatschte ihn und Valter ab.
„Das ging ja schnell!", wunderte sich Valter. Ich zuckte mit den Schultern. Ich war einfach nur dankbar. Wir sahen den Jungs noch etwas beim Training zu. Mathias strahlte wieder über beide Ohren und lachte die ganze Zeit. Es war schön zu sehen, wie viel Spaß ihm seine Arbeit machte.
„Okay Jungs, Schluss für heute!", rief Jaron und klatschte. Die Jungs stiegen mit ein. Schwer atmend kamen sie auf uns zu. Als Lasse mich sah, zog er sein Shirt aus und warf es wieder in meine Richtung. Doch diesmal war ich vorbereitet, fing es auf und warf es ihm sofort zurück.
„Du lernst schnell!", grinste er. Ich zuckte mit den Schultern.
„Wenn du schon so frech bist, kannst du auch kurz helfen!", sagte ich, stand auf und zog ihn mit.
„Uhhh Malia", raunte er und drehte sich nochmal zur Mannschaft um, „Männer, es wird interessant!"
„Du bist so ein Idiot!", lachte ich und verdrehte die Augen. Ich legte meine Hände auf seinen Rücken und drückte ihn vor mir her aus der Tür raus.
„Warst du beim Arzt?"
„Ja, es ist alles wieder gut!", antwortete ich kurz, „hilfst du mir tragen?" Ich deutete auf die Bierkästen.
„Klar!", zuckte er mit den Schultern. Ich nahm eine, Lasse zwei und so gingen wir zurück in die Halle zur Mannschaft. Und stellten sie vor der Trainingsbank ab.
„Ich möchte mich nochmal bei euch bedanken für euren Einsatz am Samstag! Ihr habt euch alle an die Einteilung gehalten, kamt pünktlich zu den Interviews und Autogrammstunden - zumindest die meisten von euch", lachte ich und sah zu Mathias und Lasse. Die Mannschaft lachte, „und ihr habt bei den Spielen alles gegeben."
„Die meisten von uns!", wiederholte Lasse und stieß Mathias an. Er verdrehte die Augen. Immerhin konnte er jetzt drüber lachen.
„Ich hab's vorgestern gesagt und ich sage es heute nochmal", begann Jaron, „wir gewinnen und verlieren als Team. Das gilt für Mathias, der etwas geschwächelt hat genau so wie für dich Malia, die sich so sehr reingekniet und uns eine gute Vorbereitung ermöglicht hat. Wir müssen uns also auch bei dir bedanken! Auch wenn wir am Ende nicht gewonnen haben."
„Ja, das stimmt nicht ganz", lächelte ich, „ich war am Samstagabend richtig traurig. Wir mussten das Sommerfest gewinnen, was wir nicht getan haben. Es ging um sehr viel Geld was wir verloren haben. ABER: Der Sponsor war so begeistert von der Atmosphäre, der Stimmung, der Orga, der Mannschaft...ich könnte stundenlang aufzählen, aber Fakt ist: Der Deal ist nicht geplatzt. Weil ihr und wir alle einen guten Eindruck gemacht haben. Und ihr habt mir als Hauptverantwortliche damit sehr geholfen! Wir haben gewonnen!"
„Er hat zugesagt?!", fragte Jaron nochmal. Er wusste, wie viel dahinter steckte. Und was die Streichung des Geldes für den Verein bedeuten würde.
„Ja, er hat zugesagt!", strahlte ich und Jaron nahm mich in den Arm.
„Und Paul?", sagte ich als Jaron und ich uns lösten, „ich danke dir für deine Unterstützung!"
„Team Fußkrank muss zusammenhalten!", lächelte er und strich mir über den Rücken.
„Team Fußkrank wird sich bald auflösen: Mein Fuß ist wieder in Ordnung und ich darf euch allen bald selbst hinterherlaufen, statt Paul zu schicken!", lachte ich.
Die Mannschaft bediente sich an den Bierkästen und stieß an. Es war eine schöne Stimmung wie auch zuvor am Grillabend schon. Es wurde viel über die neue Saison geredet. Ich setzte mich zu Mathias, Lasse, Hans und Fabi dazu.
„Ein Jahr Championsleague könntest du schon noch ranhängen!", hörte ich Fabi sagen.
„Ach weißt du, mit 42 Jahren ist auch mal genug!", entgegnete Hans.
„Worum geht's?", flüsterte ich Mathias zu.
„Hans wird aufhören", antwortete er in normaler Lautstärke und unterbrach Fabi und Hans damit.
„Nein...", murmelte ich.
„Ich sag dir Hans: Wir werden die Championsleague-Quali kriegen! Und dann musst du noch ein Jahr bei uns bleiben!", versuchte Fabi es nochmal.
„Nein, Leute. Ich hab schon ein Jahr verlängert. Ich werde alt. Und ich genieße die letzte Saison mit euch, aber danach möchte ich nach Hause nach Dänemark!"
„Verständlich...wenn auch traurig!", gab ich zu.
„Wir werden dich stolz machen, Bro", sagte Lasse, „jedes Spiel werden wir kämpfen, damit du nicht ohne Titel verabschiedet wirst!"
Ich lächelte. Lasse konnte wirklich süß sein wenn er wollte.
Später am Abend bestellten wir Essen. Damit hatte sich wohl Mathias Einladung, für mich zu kochen erledigt. Aber immerhin waren wir zusammen. Mit seinen Freunden. Mit unseren Freunden. Und ich genoss jede Sekunde mit ihnen.
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Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt