Die Pinnwand füllte sich immer weiter mit Begriffen. Lasse war nicht der Einzige, der „Meisterschaft" als höchstes Ziel angegeben hatte. Kevin hing die Zettel um und sortierte sie. Meinen Zettel hing er ganz nach oben.
„Wir haben viele Begriffe gesammelt", begann er, „aber das aller wichtigste, um all eure Ziele zu erreichen, ist die Basis: Vertrauen." Er zeigte auf mein Schild und fuhr fort.
„Vertrauen in euren Trainer Jaron, dass er euer Training so gestaltet, dass ihr gut vorbereitet in die Spiele geht. Vertrauen in eure Betreuer, dass sie immer alle wichtigen Utensilien an Ort und Stelle haben. Vertrauen in eure Mannschaftskollegen, dass sie Assists geben statt immer selbst auf's Tor zu werfen. Vertrauen in die Fans, die euch anfeuern. Vertrauen in die Geschäftsführung, die sich unter anderem ums Sponsoring kümmern, damit ihr als Mannschaft weiterhin zusammen Bundesliga spielen könnt. All das und noch viel mehr ist wichtig. Am allerwichtigsten aber - und Malia hat es eben schon gesagt - Vertrauen in euch selbst. In eure Fähigkeiten. Wie sollt ihr den anderen Vertrauen, wenn ihr nicht auch davon überzeugt seid, selbst einen guten Job zu machen?! Wie wollt ihr die großen Vereine wie den THW Kiel oder den amtierenden Champions League Sieger Magdeburg bezwingen, wenn ihr euch das nicht zutraut?! Vertraut. Habt Spaß. Seid ein Team. Und mit diesen Worten geht's in die Mittagspause, wir treffen uns in einer Stunde wieder hier", beendete Kevin seinen Monolog. Es wurde lauter im Saal, Stühle wurden geschoben, Gespräche begonnen. Mijajlo Marsenic drehte sich zu mir um und stellte sich vor. Wir saßen die ganze Zeit ja schon nebeneinander und hatten noch keine Zeit auch nur ein Wort zu wechseln.
„Na du Streber, das fängt ja schon gut an mit dir...", begrüßte mich Hans lachend.
„Zeig mir den Erdboden, in dem ich mich verkriechen kann!"
„Ach was, entspann dich. Kommst du mit zum Essen?"
„Ich weiß nicht, was Bob geplant hat, ich muss mich nach ihm richten."
„Ich geb dir einen Tipp", sagte Hans und legte einen Arm um meine Schulter, „Bob mag es gar nicht, wenn man ihm am Rockzipfel klebt."
„Ja, aber...", stotterte ich, als auch Mathias hinzukam und mich zur Begrüßung anlächelte.
„Wenn er was von dir will, kann er rufen", stimmte Lasse Hans zu.
„Gehen wir los?", fragte Mathias.
„Ich denke ich werde ihn trotzdem kurz fragen...", antwortete ich.
„Malia, lauf ihm nicht hinterher wie ein Hund", sagte Hans wieder, „sonst wird er dich irgendwann genau so behandeln."
„Wie...einen...Hund?", fragte ich nochmal nach.
„Triff deine eigenen Entscheidungen, sonst übernimmt er das ganz schnell für dich", erklärte Hans.
„Macht ihr keine Angst, so schlimm ist er nicht!", mischte sich Mathias ein.
„Zu dir nicht. Weil du seine wertvollste Investition bist!", widersprach Hans.
„Das stimmt nicht", Mathias schüttelte lachend den Kopf, Hans sah ihn nur schief an.
„Let's go", Lasse legte einen Arm um meinen Nacken und zog mich mit sich aus dem Raum. Wir gingen an Bob vorbei, ich sah vorher schon seinen Blick auf mir.
„Malia?", sprach er mich dann an und ich stoppte, „brauchst du zwingend die Pause oder können wir weitermachen? Ich habe gleich ein Gespräch mit einem wichtigen Sponsor und da wäre es eigentlich wichtig, wenn du dabei bist."
„Klar kein Problem!", antwortete ich und löste mich von Lasse. Hans seufzte.
„Ich besorge schonmal Leine und Halsband...", murmelte er Paul zu und sie verließen den Raum. Jetzt hatte ich nicht ein Wort mit Mathias gewechselt und ärgerte mich sehr darüber. Sicher ging es jetzt zurück zur Geschäftsstelle, dabei wäre ich gerne hier geblieben.
Bob stand auf und ich folgte ihm durch das Gebäude nach draußen. Ja, gerade musste ich Hans Recht geben. Ich lief ihm nach wie ein Hund. Aber das war doch normal in der Einarbeitung oder nicht? Vor dem Gebäude stand ein Mann im Anzug und kam auf uns zu.
„Herr Maus, schön Sie wiederzusehen!", begrüßte Bob ihn mit einem Handschlag, „darf ich vorstellen, Malia Weber, neu in der Geschäftsführung."
„Richard Maus von der AOK, freut mich", begrüßte er mich ebenfalls mit Handschlag. Die AOK ist Premium Partner der Füchse Berlin und Bobs Interesse an der weiteren Zusammenarbeit war groß. Wir gingen die Straße entlang Richtung Innenstadt. Bob und Herr Maus unterhielten sich über die Stadt und das Wetter, die wichtigen Themen schienen beide aufzuschieben. Wen interessierte denn das Wetter, wenn es um so viel Geld ging?! Wir stoppten schließlich vor dem Eingang eines noblen Restaurants. Bob hatte hier einen großen Tisch in einer schönen ruhigen Ecke reserviert, sodass man ganz entspannt und ohne unerwünschte Zuhörer frei über Finanzen sprechen konnte.
„Zum Tagesmenü empfehlen wir eine Flasche Chardonnay", sagte der Kellner, nachdem Bob für uns bestellt hatte.
„Sicher, sehr gerne", antwortete er.
„Ähm, für mich gerne ein stilles Wasser", fügte ich hinzu und der Kellner sah mich kurz verwundert an.
„Malia", flüsterte Bob, „bei einem solchen Geschäftsessen trinkt man kein stilles Wasser!"
„Naja andererseits: Chardonnay klingt auch gut!", korrigierte ich mich und lächelte den Kellner an.
„Ich möchte nicht mit der Tür ins Haus fallen", begann Herr Maus, „aber wenn dieses Jahr der Einzug ins Rewe Final 4 und die Champions League Qualifikation wieder nicht klappen, bin ich gezwungen von weiteren Investitionen abzusehen."
„Ich kann Ihnen versichern, dass wir auf einem sehr guten Weg sind! Wir hatten im letzten Jahr viel Verletzungspech, sonst wäre sicherlich ein Tabellenplatz mehr bzw. vielleicht sogar der Titel drin gewesen. Wir haben viele junge Spieler, die wir vermehrt einbinden und aufbauen und wir werden dieses Jahr wieder ganz oben mitspielen", erklärte Bob.
„Wir werden den finanziellen Stock erstmal runterfahren und uns den Beginn der Saison anschauen. Sollte der Saisonstart gut gelingen, können wir gerne wieder auf das alte Budget erhöhen."
„Herr Maus, bitte. So kurzfristig...ich plane mit dem Geld!", entgegnete Bob.
„Und ich plane mit Leistung und Erfolg."
„Mach wir es anders: Sie bleiben beim alten Budget und wenn meine Jungs einen schlechten Start hinlegen - was nicht passieren wird - dann setzen wir uns nochmal zusammen!", schlug Bob vor. Das Ganze ging noch etliche Male hin und her, aber Herr Maus blieb hart. Zwischendurch wurde der Ton etwas ruppiger, das Gespräch blieb aber höflich. Als unser Essen zu Tisch gebracht wurde, entspannte sich die Stimmung, die Worte wurden weniger, vielmehr lag nun der Fokus beim Essen. Ich nippte an meinem Chardonnay und konzentrierte mich darauf, nicht das Gesicht zu verziehen. Trockener Wein war absolut nicht mein Fall. Gegen Ende des Essens wurde die Diskussion wieder aufgelebt, Argumente hin- und hergeworfen und ich folgte dem Gespräch weiterhin schweigend. Bis mir eine Idee kam. Doch ich blieb still. Bob erwartete von mir, dass ich alles vorher mit ihm besprach. Er wäre sicher sauer, wenn ich mich einfach einmischen würde. Ich dachte an Hans' Worte. Komm schon Malia, sei kein Hund! Trau dich. Und wenn du rausfliegst, dann...nun dann würde mir das wahrscheinlich mein Herz brechen...Aber was auf Amateurbasis funktionierte, könnte doch auch im Profibereich funktionieren...
„Wir machen ein Vorbereitungsturnier", begann ich und erschrak, als beide Männer schlagartig schwiegen und mich erwartungsvoll ansahen.
„Wir...wir machen ein Vorbereitungsturnier in Verbindung mit einem Sommerfest. Die Spieler stehen zwischen ihren Spielen für Autogramme und Fotos bereit, das gesamte Sommerfest wird von der AOK präsentiert. Auf jede einzelnen Autogrammkarte drucken wir Ihr Logo auf die Rückseite und Sie bekommen einen Infostand. Sie werden sehen, die Füchse werden das Vorbereitungsturnier gewinnen und der Vertrag kann bestehen bleiben! Wir haben so viel Qualität in der Mannschaft, wir haben Weltmeister, Europameister und U21-Weltmeister im Kader. Die Leute werden in Strömen erscheinen! Und Sie bekommen neben Ihrer normalen Werbung auf der Website und bei den Heimspielen ein Event on Top!"
Ich sah erst Bob an, dann Herrn Maus. Beide schwiegen. Für meine Verhältnisse etwas zu lange. Das machte mich nervös. Ich hätte einfach still sein sollen. Bob verzog keine Miene. Ich deutete seinen Blick als leicht irritiert, nichts weiter. Und Herr Maus dachte nach. Sehr lange. Dann begann er plötzlich zu lachen und Bob stieg mit ein. Danke Hans, ich wäre lieber der Hund geblieben!
„Also", begann Herr Maus, „da haben Sie sich aber jemanden angelacht!", sagte er in Bobs Richtung. Bob lachte weiter, langsam klang es etwas verzweifelt. Er drehte mir gedanklich wahrscheinlich gerade den Hals um.
„Mir gefällt Ihre Art zu Denken, Frau Weber!", sagte er dann, „erzählen Sie mir mehr!" Bob hörte augenblicklich auf zu Lachen.
„...was denn zum Beispiel?"
„Wann soll das Turnier stattfinden? Wer sind die Gegner?"
„Tja, also...ich denke unmittelbar vor Saisonstart wäre nicht schlecht. Vielleicht zwei Wochen vorher. So können wir danach noch ausführlichst analysieren, was noch besser funktionieren muss. Und die Gegner...also...wir haben eine Kooperation mit Potsdam, wir könnten"
„Ich will Größen sehen!", unterbrach er mich.
„Die Anfragen sind noch nicht raus..."
„Drei Erstligisten oder Championsleague-Teilnehmer und wir haben einen Deal!", er stand auf und streckte mir die Hand zu. Ich stand ebenfalls auf. Bob hinderte mich nicht daran einzuschlagen. Und so tat ich es.
„Frau Weber, ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit!", sagte er dann und setzte sich wieder, „ich würde vorschlagen, darauf trinken wir noch ein Gläschen Chardonnay. Geht auf mich!"
Ich nickte freudestrahlend. Ich war schon froh mir Glas Nummer eins runtergewürgt zu haben, jetzt folgte noch ein zweites. Bob und Herr Maus unterhielten sich ausgiebig über die Pläne der neuen Saison, über das Trainerteam und die Arbeit mit den jungen Spielern. Und es folgte Glas Nummer drei. Und noch immer hatte ich kein Wasser bekommen.
„Jetzt erzählen Sie doch mal Frau Weber, was sind Ihre Visionen mit dem Verein?", fragte Herr Maus.
„Heute ist mein zweiter Tag, ich muss mich erstmal einfinden."
„Aber Sie kennen den Verein doch sicher von außen schon."
„Ja...ich sehe uns beispielsweise sicher im Final Four der European League und oben in der Bundesligatabelle. Und in den nächsten Jahren wird dieser Kader sicher das Niveau für die Champions League haben!"
„Das Niveau haben wir schon jetzt!", korrigierte Bob mich, „aber die Chance wird bald kommen. Da sind wir sicher."
„Darauf sollten wir ein letztes Mal anstoßen!", beschloss Herr Maus und hob sein Glas. Und mit diesem Schluck hatte ich dann auch mein drittes Glas Wein überstanden.
DU LIEST GERADE
Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)
FanfictionMalia ist die Neue im Orgateam rund um die Füchse Berlin. Als rechte Hand von Bob Hanning soll sie nach und nach für Entlastung sorgen und die Finanzierung und Beliebtheit des Vereins vorantreiben. Schnell knüpft sie enge Kontakte mit den Spielern d...