Kapitel 15

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„Und? Aufgeregt alle wiederzusehen?", fragte Bob, als er mich am nächsten Tag abholte und schaltete den Wagen hoch.
„Ich freue mich auf sie", lächelte ich.
„Und auf einen ganz besonders?", fragte er und grinste.
„Auf alle", widersprach ich und sah in meinen Schoß.
„Schon gut, ich frage nicht weiter", lachte er, „aber er hat oft nach dir gefragt." Ich sah hoch.
„Alle haben sich Sorgen gemacht und nach dir gefragt. Aber er am meisten."
Ich nickte.
„Er hat mir öfter mal geschrieben und gefragt, wie es mir geht. Sogar auf deutsch", lächelte ich.
„Ich will mich nicht einmischen, aber ist da mehr zwischen euch?", fragte Bob.
Ich schüttelte den Kopf.
„Aber ihr findet euch schon gut", widersprach Bob mir.
„Ist das so offensichtlich, dass alle darüber reden müssen?", stöhnte ich.
„Er strahlt, wenn er dich sieht."
Ich lächelte kurz und sah wieder runter.
„Was hindert euch?", fragte er dann.
„Was uns hindert ist...vielleicht die Arbeit?"
„Die Geschäftsführung und der Vorstand sind locker damit."
„Wir hatten kaum Zeit miteinander. Wir kennen uns kaum."
„Das könnt ihr ändern. Und zwar genau jetzt. Wir sind da", sagte er und parkte sein Auto vor der Tür der Trainingszentrums. Ich griff nach meinen Krücken und kroch ebenfalls wie er aus dem Auto. Dann hinkte ich ihm hinterher zur Trainingshalle.
„Leer?", wunderte Bob sich, „die müssen doch irgendwo sein..."
„Videoanalyse!", rief ihm ein Betreuer zu. Bob zeigte ihm einen Daumen hoch und ging aus der Halle.
„Wir müssen hoch zu den Konferenzräumen...", sagte er, „schaffst du das?"
„Ja klar, ich brauch nur was länger!", antwortete ich. Treppenstufe für Treppenstufe sprang ich nach oben. Bob ging geduldig neben mir her. Es war schon etwas unangenehm, aber was sollte ich machen? Oben angekommen klopfte mein Herz bis zum Anschlag. Ich war aus der Puste von den Treppenstufen, aber sicherlich auch aufgeregt.
„Alles gut?", fragte Bob und legte eine Hand auf meinen Rücken.
„Klar!", antwortete ich. Dann klopfte er an die Tür und steckte den Kopf durch.
„Bob! Komm rein, wir sind mit der ersten Hälfte durch!", begrüßte Jaron ihn.
„Jungs, ich hab euch jemanden mitgebracht!", sagte er, bevor er mir die Tür aufhielt und ich in die vielen lächelnden Gesichter schauen konnte.
„Hallo!", lächelte ich etwas schüchtern in die Runde. Sie alle standen auf und kamen auf mich zu. Hans war der Erste, der mich schließlich vorsichtig drückte.
„Wie schön, dass es dir wieder besser geht!", sagte er und strich mir über den Rücken. Naja besser war relativ, mein Fuß war immer noch kaputt, ich hatte mich nur damit arrangiert...Dann irgendwann sah ich Lasse und Mathias direkt vor mir. Lasse drückte mich zuerst, dann strahlte mich ein wunderschönes Augenpaar an. Mathias Augen. Er lächelte und drückte mich ebenfalls. Ich erwiderte die Umarmung und verlor dabei ein bisschen das Gleichgewicht, sodass Mathias mir festhielt.
„Na, na, na, mach sie nicht wieder kaputt!", neckte ihn Jaron und strich mir zur Begrüßung über den Arm.
„Nein, niemals!", antwortete Mathias.
„Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt!", sagte Paul.
„Ich hab mich auch ziemlich erschrocken! Aber so ist das nunmal mit Lebewesen!"
„Aber schön dich wieder auf den Beinen zu sehen!", sagte Marsa und strich mich über den Rücken.
„Schön, euch alle wiederzusehen! Und vielen Dank für die ganzen netten Nachrichten, ich hab mich sehr gefreut!", sagte ich.
„Wir wussten ja, dass Bob nur wenige Leute an seiner Seite duldet, aber dass er dich gleich so aus dem Weg schafft!", lachte Hans.
„Hey!", beschwerte sich Bob, „solange du von mir bezahlt wirst, hältst du dich besser zurück!", lachte Bob.
„Ach, kein Problem, bald wird er von mir bezahlt", sagte ich.
„Es ist immer noch mein Verein!", sagte Bob.
„Und mein Sommerfest und meine Sponsorengelder!", widersprach ich.
„Touché!", lachte Bob. Diese Widerworte hätte ich mir eigentlich nie erlaubt, aber Bob war gerade in der richtigen Stimmung für ein bisschen Spaß.
„Große Klappe hat sie bekommen!", stellte Paul fest.
„Ich hab in meiner ersten Woche zu viel Zeit mit Lasse verbracht!"
„Was heißt denn bitte zu viel Zeit?", beschwerte sich Lasse, „fühl dich geehrt!"
„Jaja!" Ich verdrehte die Augen.
„Na gut Leute, lasst uns weitermachen!", löste Jaron unsere Gesprächsrunde auf. Bob und ich setzten uns in die letzte Reihe und lauschten der Videoanalyse von Jaron. Mathias sah hin und wieder zurück zu mir, wenn unsere Blicke sich trafen lächelte er und drehte sich dann wieder nach vorne. Das ließ mich ebenfalls lächeln. Zeitgleich achtete ich aber sehr darauf, dass Bob nicht so viel mitbekam. Der tippte gerade irgendwas auf seinem Handy, wahrscheinlich beantwortete er Mails. Schwerpunkt der Videoanalyse war die Funktion der Abwehr und deren Fehlervermeidung. Es war ein langer Vortrag mit vielen „wenn's" und „dann's" und obwohl ich inhaltlich ganz gut mitkam, glühte selbst mir am Ende der Kopf. Dabei war es nichtmal relevant für mich. So eine Vorbereitung war wirklich kräftezehrend. Und wenn die Spieler nicht gerade hier oben saßen und geistig gefordert waren, ging es mit den körperlichen Anforderungen weiter. Was ein Leben es doch war. Schön auf der einen Seite, aber verdammt anstrengend auf der anderen.
Nach über einer Stunde kündigte Jaron die nächste Pause an. Bob nutzte die Gelegenheit und zog ihn zum Gespräch beiseite. Auch Kretzsche war derweil eingetroffen und wurde direkt von Bob festgehalten. Worum es wohl ging? Vielleicht um den Einsatz seiner Jugendspieler? Bob brannte für die Jugendarbeit, vielleicht war es also das.
Ich stand auf und wollte nach draußen gehen, etwas frische Luft schnappen, schon stand Mathias neben mir.
„Kann ich dir helfen?", fragte er lächelnd.
„Vielen Dank, aber ich komme eigentlich ganz gut zurecht!", antwortete ich.
„Okay", zuckte er mit den Schultern.
„Willst du mit raus kommen?"
„Ja gerne!", lächelte er.
Wir gingen den Flur entlang bis zur Treppe. Ich hielt mich am Geländer fest und hüpfte die Stufen runter.
„Aber bitte nicht fallen!", sagte er und breitete seine Arme aus, um mich im Notfall auffangen zu können.
„Alles gut!", sagte ich nur. Unten angekommen gingen wir in den kleinen Garten und setzten uns auf die Steinmauer vor dem Blumenbeet. Genau über uns war der Seminarsaal und man hörte Hans die ganze Zeit reden.
„Er unterhält den ganzen Raum!", lächelte ich.
„Er ist immer eine Leader!", stimmte Mathias mir zu. Dann war es kurz still.
„Ich habe mir Sorgen gemacht!", gab Mathias dann zu. Ich lächelte.
„Jetzt bin ich ja wieder heile. Oder zumindest kurz davor!", sagte ich und klopfte auf meine Fußschiene.
„Tut es weh?"
„Es ist okay...es hätte viel schlimmer ausgehen können..."
„Es war schon schlimm! Und ich habe dich vermisst."
„Ich dich auch!", lächelte ich. Er legte einen Arm um mich und strich über meine Schulter. Dann küsste er meine Schläfe und ich lächelte. Das hatte er noch nie vorher gemacht. Eine Gänsehaut durchzog meinen Körper und mein Herz pochte wie verrückt. Aber in diesem Moment, da wollte ich mal nicht zurückhaltend sein und nicht darauf achten, dass bloß niemand zusah. Auch ich schlang also meine Arme um ihn,  er drückte mich an sich und lächelte wieder. Von weitem kamen Paul und Fabi auf uns zu, die scheinbar auch Luft schnappen wollten.
„Lasst euch nicht stören!", rief Paul. Die beiden stoppten kurz bei uns.
„Pass ja gut auf sie auf!", sagte Fabi und zeigte mit dem Finger auf Mathias.
„Werde ich! Ähm...ab jetzt...", sagte er und sah auf meine Fußschiene. Ich lachte und schüttelte den Kopf.
„Mathias hat sein Mädchen wieder und die Welt dreht sich endlich weiter!", sagte Fabi dann.
„Jetzt kann er auch endlich wieder lachen!", meinte Paul.
„Leute, bitte!", sagte ich und verdrehte die Augen.
„Hat er nicht gesagt, er will nicht stören?", fragte Mathias in die Runde. Ich lachte und nickte.
„Schon gut, wir wollten eh ein Ründchen drehen!", sagte Fabi und die beiden gingen an uns vorbei.
„Wie ist das Training?", fragte ich Mathias daraufhin.
„Gut, es ist sehr anstrengend, aber wenn man will Champions League spielen nächste Jahr, man muss hart arbeiten."
Ich nickte zustimmend.
„Also mein Kopf raucht nach Jarons Vortrag!", gab ich zu.
„Er ist sehr engagiert mit Analyse. Aber du musst mal bei Training kommen, das ist viel besser als Analyse!"
„Ich muss gleich wieder los, wir fahren zur Arena und verschaffen uns einen ersten Überblick fürs Sommerfest."
„Schade", sagte er und zuckte mit den Schultern, „wie war denn Zuhause?"
„Ganz schön. Viele kamen mich besuchen, aber ich wäre auch gerne gesund hier bei euch gewesen."
„Lasse und ich wollten auch kommen. Aber du warst schon weg."
„Tut mir Leid, ich wusste nichts davon!"
„Bei nächster Verletzung weißt du, dass wir kommen!", er rempelte mich leicht an und lachte.
„Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich euch einen Krankenbesuch abstatte aber viel höher!"
„Wenn ich also irgendwann mit Kreuzbandriss Zuhause liege"
„Dann komm ich vorbei!", beendete ich den Satz.
„Gut. Dann ist es nicht so schlimm verletzt zu sein."
Ich lächelte wieder verlegen.
„Ich hoffe du willst auch kommen, wenn ich bin nicht verletzt?", wieder lächelte er mich an. Diesem Blick konnte ich nicht standhalten. Ich lächelte auch.
„Oder ich komme zu dir, du musst nicht mit dein Fuß laufen! Heute Abend?", ergänzte er.
Ich nickte - immer noch lächelnd.
„Ich koche für dich", beschloss er.
„Hey, kommt ihr wieder hoch? Es geht weiter", rief Bob uns durch das offene Fenster zu. Wir standen auf und gingen zum Eingang. Dort standen auch Paul und Fabi, die mit uns reingingen. An der Treppe hielt Mathias mich an, griff in meine Kniekehlen und hob mich hoch.
„Ah", erschrak ich kurz und legte meine Arme um seinen Nacken. Paul griff nach meinen Krücken und trug sie die Treppe hoch. Fabi und Mathias mit mir hinterher.
„Du musst das nicht machen, ich kann auch laufen! Außerdem bin ich viel zu schwer!"
Mathias sah mich kurz irritiert an und schüttelte den Kopf. Oben angekommen ließ er mich ganz sanft wieder runter.
„Danke", sagte ich. Aber eigentlich war es mir schon etwas peinlich. Ich nahm meine Krücken und wir gingen zurück in den Seminarraum. An der Tür standen Bob und Kretzsche zusammen und warteten schon auf uns. Knapp vor uns gingen sie auch wieder rein.
„Wie süß er zu ihr ist!", hörte ich Kretzsche Bob zuflüstern. Merkten die beiden nicht, dass ich hinter ihnen war? Aber ich hielt etwas Abstand, ich wollte nicht, dass sie mitbekamen, wie ich lauschte.
„Da bahnt sich doch was an!", sagte Kretzsche dann.
„Ja, er war ja auch völlig daneben, als er von dem Unfall erfahren hat", antwortete Bob.
„Sie gibt aber noch nicht wirklich zu, dass da mehr ist", sagte Kretzsche wieder.
„So vorsichtig wie die miteinander umgehen ist da auch noch nichts gelaufen!"
Wow, so redeten die Chefs also, wenn sie sich unbeobachtet fühlten.
Erst als sie ihre Plätze eingenommen hatten, ging auf die beiden zu und setzte mich wieder neben sie.
„Na, wirst du schön umsorgt?", fragte Bob.
„Ähm, ja. Die sind alle total nett!"
„Und mal wieder einer ganz besonders?", fragte Bob leiser.
„Oh man...", nuschelte ich und grinste.
„Ist doch schön!", mischte sich Kretzsche ein.
„Wir sind nur Freunde!", sagte ich.
„Malia, es ist alles in Ordnung. Tut, was ihr für richtig haltet!", sagte Kretzsche.
Jaron führte seine Analyse weiter. Ich dachte eigentlich, dass Bob und ich nun zur Arena fahren würden, aber er machte keine Anstalten aufzustehen. Und so lauschten wir weiter Jarons Worten.
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Ihr Lieben :) Habt einen schönen Start ins Wochenende!
Ich hoffe euch gefällt das neue Kapitel? :)

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt