Kapitel 47

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Ich meldete mich den Rest der Woche krank. Ich hörte nichtsmehr. Nichts von Mathias, nichts von Lasse und glücklicherweise auch nichts von Chris. Wie auch? Ich hatte meine Wohnung seither nicht mehr verlassen. Ich lag auf der Couch oder im Bett und starrte an die Decke. Das war's im Großen und Ganzen. Ab und zu aß ich mal was, aber ich stand völlig neben mir. Ich erwartete von mir selbst, dass ich mich wenigstens Zuhause mal meldete, aber auch das blieb aus. Einzig und alleine auf den sozialen Medien scrollte ich ab und zu mal durch. So wusste ich auch, dass Lasse nun seine Vertragsverlängerung auch offiziell unterzeichnet hatte. Ach Lasse...ich hatte so viel kaputt gemacht...Samstagabend schaltete ich das erste Mal wieder den Fernseher ein. Ich zappte durch die Kanäle, aber so richtig gefiel mir nichts. Also sah ich mir das Spiel Hamburg gegen Leipzig an. Zu meinem Glück war es recht spannend. Hamburg gewann am Ende mit einem Tor. Vor den Interviews, die es nach dem Spiel immer gab, klingelte mein Handy. Bob.
„Hallo?", nahm ich den Hörer ab.
„Hallo Malia, ich wollte mal hören, wie es dir geht", meldete er sich.
„Etwas besser", antwortete ich, „aber nicht so gut..."
„Bist du morgen beim Heimspiel dabei?"
„Ich denke nicht..."
„Malia...", stöhnte Bob, „wenn es wegen dem Vorfall ist: Du bist bei uns sicher. Dieser Mann hat Hausverbot. Außerdem sollten wir mal darüber reden..."
„Ich bin wirklich krank..."
„Vielleicht krank vor Sorge? Malia, komm doch bitte morgen vorbei und schau dir wenigstens das Spiel an. Und du kannst immer zu mir kommen, wenn etwas ist, das weißt du, oder?" Nein Bob, das weiß ich nicht. Das werde ich nicht.
„Ja. Danke."
„Soll ich dich abholen?", bot er an, „dann bist du nicht alleine."
„Hm", murmelte ich. Jetzt hatte ich ihm zugesagt. Mein Herz klopfte, als ich aufgelegt hatte. Ich würde sie alle wiedersehen. Und davor hatte ich wirklich Angst. Was war eigentlich mein aktueller Beziehungsstatus? Ich wusste es nicht. Aber auch auf Mathias zu treffen war mir unangenehm. Auch davor hatte ich Angst.

Die Stunden bis zum nächsten Heimspiel flogen nur so dahin. Wie immer, wenn man einen Termin scheute. Und so saß ich nun schon bei Bob im Auto auf dem Weg zur Arena.
„Du siehst blass aus", stellte er fest.
„Bin halt noch krank", antwortete ich. Nein, ich war kreidebleich, weil ich kaum was essen konnte. Weil ich nervös war. Weil ich nichtmehr schlafen konnte.
Bob ließ mich mit Smalltalk in Ruhe. Er machte sich wirklich Sorgen um mich. Ich rechnete damit, dass er sauer war, aber noch hielt er sich zurück. Vielleicht wartete er darauf, dass es mir besser ging. Erst der Vertrag, dann die Prügelei...Bob hatte mit mir zu kämpfen. Aber scheinbar lag ihm was an mir. Hoffte ich.
„Wir sind da", stellte er überflüssigerweise fest und stieg aus dem Auto, „wenn etwas ist, kommst du zu mir, okay?"
Ich nickte stumm. Ich war wirklich eingeschüchtert. Und es machte es auch nicht besser, dass wir nicht den Haupt- sondern den Kabineneingang der Halle nutzten. Ich konnte quasi die Sekunden zählen, bis ich einem von ihnen begegnete. Und so wars auch. Paul kam mir freudestrahlend entgegen und grüßte uns mit einem Handschlag. Ich sah ihm noch hinterher. Er schien nichts mitbekommen zu haben. Ebenso Nils und Marsa. Nichts. Und dann war ich tatsächlich an der Kabinentür vorbei, ohne einen unangenehmen Moment erleben zu müssen. Kurz atmete ich durch. Bob bog links ab, ich ging die Treppe nach oben aus den Katakomben heraus.
„Malia! Halt, warte mal!", hörte ich Hans hinter mir rufen. Er kam schnellen Schrittes auf mich zu.
„Musst du dich nicht warmmachen?"
„Ja gleich. Lasse hat"
„Oh nein, lass uns jetzt bitte nicht über Lasse sprechen! Ich weiß, dass er sehr sauer auf mich ist!"
„Kannst du's ihm übel nehmen?"
„Nein."
„Was war denn los?"
„Hat er euch das nicht sicher schon erzählt?"
„Ja, aber ich kann das nicht so richtig glauben."
„Ja was soll's, blöd gelaufen!", ich zuckte mit den Schultern und drehte mich um.
„Hey!", stoppte er mich nochmal, „es ist nicht cool, wie du ihn gerade einfach stehen lässt und mich jetzt auch! Ich hatte Verständnis, dass du erstmal nicht reden mochtest, aber Lasse hat dir geholfen und du fällst ihm gleich zweimal in den Rücken! Das ist nicht fair!" Ja Hans, du hast recht. Aber hier auf der Treppe so herumzuposaunen ist auch nicht Gentleman-Like. Ich sah mich um. Scheinbar hatte es noch niemand mitbekommen. Aber es machte mich sauer. Landsmann hin oder her. Wir würden das schon ohne Hans klären können!
„Weißt du, was auch nicht fair ist?! Dass du dich einmischst!"
„Ich habe gesehen, wie dieser Mann Lasse verprügelt hat! Das war kein Spaß! Also warum nimmst du ihn in Schutz?!"
Ich drehte mich einfach um und ging. Ich tat das absolut Falsche und das tat mir Leid. Aber wenn die Konsequenz war, dass Chris wieder in mein Leben trat, dann musste ich das so hinnehmen. Und wieder entfernte ich mich weiter von der Mannschaft. Ganz anders als damals und doch gleich.

Traum und Wirklichkeit (Mathias Gidsel | Füchse Berlin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt