Koma

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"Scheiße man. Was machst du denn für Sachen?" Ich hörte meinen Bruder laut und deutlich reden und spürte, wie er meine Hand hielt. Doch ich rührte mich nicht. Ich konnte nicht, so sehr ich auch wollte. Ich wollte antworten und mich entschuldigen. Obwohl Rewi nicht mal wusste wofür, was auch gut so war. Die Tür ging auf.
"Wie geht's ihr?" Bekannte Stimme. Pauls Stimme. Nicht Taddls.
"Sie ist soweit stabil, muss aber dann nochmal operiert werden."
Stille. Nichts außer Stille.
"Wie konnte sowas passieren? Wieso ist dir nichts passiert?" Ich spürte, wie nasse Tropfen auf meine Hand fielen. Rewi weinte.
"Es ist alles meine Schuld. Es tut mir so verdammt leid, das wollte ich nicht."
Paul rannte raus.
"Scheiße man."
Ich versuchte alles, um mich zu bewegen, doch es klappte nicht. Meine Gedanken waren da, aber mehr nicht.
Eine andere Person betrat den Raum.
"Sie sind der Bruder?"
"Genau."
"Ich bin Dr. Brown. Ihre Schwester hat neben dem gebrochenen Bein ein paar weitere innere Verletzungen. Ihr geht es den Umständen entsprechend gut, doch sie wird noch mindestens zwei mal operiert werden müssen. Ihre Eltern kommen noch?"
"Müssten in zwei Stunden ankommen. Wie lang wird sie so bleiben?"
"Vermutlich zwei Wochen."
Die Schritte entfernten sich. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich alles so genau mitbekam. Vielleicht war es auch nur Einbildung.

Jeden Tag waren sie da. Meine Eltern, Rewi und Paul. Kein Taddl, kein Felix, keine Oli. Niemand von ihnen kam um mich zu besuchen. Auch wenn sie nicht wissen konnten, dass ich dennoch viele Gespräche mitbekam.

Ich lag im Koma. Konnte mich nicht bewegen und nichtmal allein atmen, doch alles hören. Es war absurd.

Zwei Wochen vergingen schnell, wenn man im Koma liegt. Kein Gefühl für nichts. Ich bekam auchnur teilweise Gespräche mit, doch meistens war ich in einer triefenden Leere.
Die Kontrolle über meinen Körper sollte ich langsam wieder bekommen, was tatsächlich der Fall war. Ich spürte, wie sich mein Brustkorb langsam von allein hob und senkte. Wie die schwere Bettdecke auf meinen Beinen lag. Wie die Nadeln in meinen Armen steckten und mich versorgten. Eine Person, die meine Hand hielt. Keine Ahnung, wer es war. Um das mitzubekommen war ich zu sehr mit meinem Körper beschäftigt. Endlich wieder in meinen Körper zurück kommen und ein Gefühl dafür haben.
Langsam öffnete ich Millimeter für Millimeter meine Augen. Es war dunkel im Zimmer. Wahrscheinlich Nacht. Diese Person an meiner Hand und ich endlich wieder da.
Ich tippte auf Rewi, der da halb auf meinem Bett lag.
"Rewi?" Nichts regte sich. Wahrscheinlich hörte er mich nicht, da ich nur wisperte.
"Rewi?" Tatsächlich war ich etwas lauter und die Person schreckte hoch. Ich blickte in die vertrautesten Augen der Welt. Verweint, tiefe Augenringe. Eisblaue Augen.
"Du bist wach." Sofort sprang er auf und ging aus dem Zimmer. Ich war zu schwach um zu reagieren oder es zu verarbeiten. Es war unglaublich gut wieder bei sinnen zu sein.
"Ja, sie ist gerade aufgewacht." hörte ich Taddl aufgeregt sagen. Wieso ausgerechnet er. Er war nicht ein einziges mal hier und genau jetzt ist er da. Sofort kamen meine Eltern, Rewi, Taddl und der Arzt ins Zimmer gestürmt. Meine Familie weinte und der Arzt lächelte. Ich war überfordert. Und unglaublich wütend.
"Taddl." krächzte ich. Er kam sofort und nahm meine Hand.
"Hau ab." Mir lief eine Träne die wange hinunter. Er schaute mich perplex an und machte nichts.
"Du sollst gehen." wisperte ich noch einmal, bevor er Tränen in den Augen bekam und ging.
"Schätzchen." Meine Mutter kam zu mir.
"Du bist wieder da." Ich lächelte sie an und streichelte ganz sanft ihre Hand.
"Wo ist Paul?" Was war mit ihm passiert? Wieso war er nicht verletzt?
"Draußen. Er kommt später."
Der Arzt checkte alles und redete noch mit meinen Eltern. In drei Tagen sollte ich in ein Krankenhaus nach Köln verlegt werden. Zurück in die Heimat.

Life is what you make it. (Taddl ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt