7. Kapitel

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„Können die sich mal beeilen?" Roy seufzt und trommelt im Takt der Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt, auf den Zaun vor uns.
„Das sind Stars, die können auf sich warten lassen", sage ich grinsend und lege meine Hände auf seine, was er mit einem verwirrten Blick kommentiert. „Könntest du das mal lassen? Das macht mich noch wahnsinnig." Lachend löst er sich aus meinem Griff.
„Sag doch was!", meint er und fährt sich durch die Haare. Der schmachtende Gesichtsausdruck von Fabienne entgeht dabei keinem von uns.
Auch Roy nicht, der ihr zuzwinkert und sich dann wieder der Bühne zuwendet.
„Konzentration, Leute! Es kann jede Sekunde losgehen!", flötet Su und zerstört somit das letzte bisschen meiner Hoffnung, dass sie einigermaßen normal sein könnte.
Vom rechten Ende der Halle höre ich lautes Gelächter, auch sonst ist der Saal von einem dichten Gewirr aus Stimmen bedeckt.
Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, geht von der rechten Seite eine Welle los, die auch uns erfasst. Lachend werfen wir unsere Arme in die Luft und beobachten, wie auch die Leute auf den Sitzrängen mitmachen.
Su legt ihren Arm über meine Schulter und ich mache das Gleiche bei ihr. So bilden wir zu sechst eine Kette, die sich an ihren Enden einfach weiter ausbreitet.
Schon bald stehen alle aus der ersten Reihe so da, springen auf und ab, lachen und singen und warten, bis der Chartsong langsam ausklingt und schließlich ganz endet.
Dafür ertönen uns allen wohlbekannte Klänge - Klänge von einem ganz bestimmten Lied, von ganz bestimmten Sängern.
Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, stehen sie auch schon auf der Bühne, die Mikrofone dicht an ihren Mündern, zum Greifen nah.
Nur den Bruchteil einer Sekunde brauchen wir alle, um genau das zu realisieren. Pentatonix.
Singend.
Wunderbar.
Faszinierend.
Direkt vor uns.
Gleichzeitig lösen wir unsere Kette und jubeln Pentatonix zu, mit einem unbändigen Gefühl der Gemeinschaft, welches ich auf noch keinem anderen Konzert hatte.
Mitch zwinkert uns singend zu und Kirstie winkt fröhlich grinsend in die Halle,
während Scott nur einen erstaunten Blick für das übrig hat, was sich vor seinen Augen grade abgespielt hat.
Kevin nickt ihm lachend zu und Avi streckt den erhobenen Daumen in die Luft, was von der gesamten Halle mit einem schmachtenden Jubeln kommentiert wird.
Okay, vielleicht nicht von allen - Aber von mindestens allen weiblichen Fans hier, außer mir.
Ich mag Mitch und Scott viel lieber, auch wenn ich lieber die Beiden verkuppele und nicht mich mit ihnen.
Wobei das ja auch Schwachsinn wäre.
Zwar kann ich nachvollziehen, dass dem eleganten, hübschen und einfach fabelhaften Basssänger zugejubelt wird, aber selbst eine so verliebt wirkende Show abzuziehen wie die anderen Mädchen hier?
Nein. Niemals.
Zumal ich keinerlei Bedarf an einem so verdammt öffentlichen Leben habe.

Das Lied ist vorbei und noch während wir jubeln, bildet sich die Kette in der ersten Reihe erneut und Scott tritt nach vorne an den Bühnenrand.
„Guten Abend, Frankfurt! Ich denke die Frage, ob ihr gut drauf seid, spare ich mir mal - Ihr seid der Hammer!" Seine Stimme dröhnt durch die Halle und sofort geht das Jubeln wieder los.
Ich nehme kurz meinen Arm von Sus Schulter und pfeife geschickt und zum ersten Mal wirklich richtig laut, was Scotts Aufmerksamkeit für eine winzige Sekunde auf mich lenkt.
Ich zwinkere ihm zu und bin im selben Augenblick ernsthaft erstaunt darüber.
Vor wenigen Stunden habe ich noch darüber nachgedacht, wie es wohl ist, so nah bei ihnen zu sein.
Ich habe überlegt, ob es im Bereich des Möglichen liegt, dass ich ohnmächtig werde.
Und jetzt zwinkere ich Scott einfach zu, als wäre er mein bester Kumpel. Su boxt mir grinsend in die Seite, auch wenn ich einen Funken Eifersucht in ihren Augen aufblitzen sehe.
„Möge das Chaos beginnen!", schreit Mitch hinter Scott und erntet ein eindeutig einstimmiges Lachen aus der Halle.
Scott dreht sich verwirrt grinsend um - So war das anscheinend nicht geplant - stimmt dann aber mit ein, was die Masse mit einem begeisterten Rufen quittiert, und auch unsere Kette löst sich in begeisterten Sprüngen und Schreien wieder auf.
Mein Gott, wie ich das liebe.
Ich könnte ewig so weitermachen.

Nach diesem Lied ist Kirstie dran.
Sie steht strahlend am Rand und wartet, bis sich die Menge beruhigt hat - Und dann heizt sie uns nochmal ein, sodass alle kreischend auf und ab springen und die Arme in die Luft werfen.
Der Gedanke an einen Boden, bestehend aus einem riesigen Trampolin, geistert mir durch den Kopf und ich muss lachen.
Das wäre garantiert genial, wir würden alle bis zur Decke fliegen und dann einkrachen.
„Was haben die dir denn gegeben, dass du so hyperaktiv bist?", schreit Roy über den Lärm hinweg und ich kann nicht anders, als ihn strahlend und lachend anzuschauen.
„Da gibt's so eine neue Droge, nennt sich Pentatonix. Kennst du vielleicht", brülle ich zurück und wende mich wieder der Sängerin zu, die immer noch erzählt und strahlend ihren Fans zuwinkt.
Sie ist in ihrem Element, das spürt man, ganz Pentatonix ist das - Und die Menge gleich mit ihnen.
Es wird mitgesungen, mitgetanzt, mitgelacht.
Und ich bin mittendrin und so begeistert wie schon lange nicht mehr.
Heute Abend wird es garantiert keinen Anschlag geben.

Menschen täuschen sich.

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt