20. Kapitel

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„Wie ist das bitte passiert? Wie haben alle meinen Geburtstag vergessen?", lache ich unter Tränen, während ich mich frage, ob ich nicht eigentlich heulen sollte.
Ich bin 18.
Mir steht alles offen.
Okay, fast alles.
„Ich habe keine Ahnung, es tut mir so leid, Amari, wie kannst du darüber so lachen?", fragt Lucia mit in Falten gelegter Stirn und dem Anflug eines zarten Lächelns auf den Lippen.
„Es war so klar, dass das bei einem von uns passiert!", sage ich prustend.
„Du bist mir ernsthaft nicht böse? Es ist immerhin dein achtzehnter Geburtstag!", zweifelt sie.
„Jetzt hör doch auf, es ist doch nichts Weltbewegendes. Ich bin frei!", rufe ich und atme tief durch, um mich zu beruhigen, was aber genau nach hinten losgeht, als ich Lucias Gesichtsausdruck sehe, die sichtbar mit dem Lachen in sich zu kämpfen hat.
„Ich werde dich schon noch irgendwann dafür umbringen, keine Angst!", meine ich keuchend, als doch endlich Ruhe in mir eingekehrt ist.
Dafür fängt jetzt Lucia an, zu kichern.
Das ist doch echt schlimm mit uns.
„Hat deine Mutter echt nichts gesagt?", fragt Lucia schließlich.
Ich zucke mit den Schultern, bis ich mich an den vergangenen Tag erinnere und mir eiskalt wird.
„Ich bin gestern durchgedreht", sage ich leise.
„Oh nein, Süße!", flüstert Lucia und schließt mich in ihre Arme.
„Passiert", murmele ich und verziehe das Gesicht zu einer Grimasse.
„Kommt davon, wenn die dich hier so lange einsperren", sagt Lucia entschlossen.
„Sag jetzt nicht, dass du mich hier rausholen willst, das wäre nämlich nicht ganz so leicht", sage ich trocken und muss lachen, als ich ihren enttäuschten Blick bemerke.
„Komm schon! Du kannst mir nicht sagen, dass du es hier schön findest!", ruft sie gespielt theatralisch.
„Ich finde es hier ganz und gar nicht schön, keine Frage. Aber die werden schon wissen, was sie tun." Ich sehe sie entschuldigend an und strecke mich gähnend.
„Wann habe ich gesagt war das Konzert? Vor Ewigkeiten, nicht wahr? Also, wieso sollten sie dich so lange hier haben wollen? Du bist doch bestimmt nur durchgedreht, weil sie dich zum Hierbleiben zwingen", breitet Lucia ihre Theorie vor mir aus.
„Ich habe erfahren, weshalb ich hier bin. Mehr oder weniger geplant", meine ich trocken.
„Ups. Egal! Das spielt bestimmt nur eine kleine Rolle!"
Sie lässt sich doch eh nicht von ihrem Plan abbringen, das weiß ich jetzt schon.
„Okay. Ich frage mal vorsichtig nach, ja? Aber unternehme bloß nichts auf eigene Faust, wer weiß, wo das bei dir enden würde." Lucia nickt eifrig und ich kann ihr das Versprechen nicht ganz abnehmen, aber das stört mich nicht.
Ich habe diese Verrückte nicht umsonst als meine beste Freundin gewählt.
Diese holt jetzt tief Luft und schaut auf ihre schmale Armbanduhr, die sie sonst nur als Accessoire trägt.„Du, ich muss los. Ich komm morgen nochmal vorbei, ja? Oder ich schreib dir einfach, dein Handy hast du doch bestimmt hier", rattert sie herunter und erinnert mich damit an Su.
Ob sie noch lebt?
Bestimmt.
Su war hart im Nehmen.
Hoffe ich.
Roy wahrscheinlich auch, aber die anderen beiden?
Waren ein zu einfaches Ziel.
Mir wird übel bei dem Gedanken, dass sie tot sein könnten, weshalb ich mich schnell wieder auf meine Freundin konzentriere, die mich kurz umarmt.
„Bis morgen!", rufe ich ihr hinterher und stehe dann ebenfalls auf, um ans Fenster zu gehen, doch die Ruhe wird mir heute nicht gegönnt.
Schon wieder klopft es an der Tür und ich muss noch nicht mal etwas sagen, meine Ärztin kommt auch so in den Raum.
„Ihnen geht es schon besser, wie ich sehe?"
Ich nicke und drehe mich um.
„Ihre Mutter hat Ihnen das hier abgegeben, sie hat wohl noch einen wichtigen Termin und muss deswegen schnell weiter", sagt sie und legt mir einen Blumenstrauß auf den kleinen Tisch, während sie mich mustert.
„Sie hatten gestern Geburtstag, habe ich gehört. Alles Gute nachträglich. Ich habe eine kleine Überraschung für sie, auch wenn es vielleicht etwas schnell kommt. Ihr Zustand ist so weit wieder stabil, sie können heute noch gehen, wenn sie möchten. Allerdings empfehle ich Ihnen, einen Arzt zu kontaktieren und mit ihm noch einmal darüber zu sprechen."


SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt