Schnappschuss

51. Kapitel

„Singapur! Seid ihr gut drauf?", ruft Kirstie grinsend und hält das Mikrofon nach vorne.
Vor mir, hinter mir, neben mir wird gejubelt.
Ich habe das Gefühl, dass ich die einzige bin, die sich einfach nur Sorgen macht.
Auch wenn Avi sich nichts anmerken lässt, Kevins Worte hallen in meinem Kopf wieder.
„Ich mache mir Sorgen um Avi. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn. Ihn nimmt das am meisten mit."
„Wir haben heute ein Geburtstagskind hier", grinst Avi und ich frage mich unwillkürlich, ob er uns noch mehr Dinge verheimlicht.
Er muss unglaublich gut schauspielern können, wenn er es schafft, so unbeschwert herüberzukommen, und grade dieser Gedanke war es, welcher mich in den letzten Nächten wachgehalten hat.
Vielleicht habe ich das Konzert deswegen fast verpasst.
Weil ich einfach übermüdet bin.
„Scottland!", ruft Mitch grinsend und umarmt seinen Freund.
Und dann zählt Kevin ein - Und ich bekomme Gänsehaut, als die gesamte Halle anfängt, Happy Birthday zu singen.
Anscheinend bin ich die einzige, die nichts davon wusste, aber das ist wahrscheinlich auch besser so, ich würde es nur fertigbringen, alle neben mir zu verstören.
Dann hätte ich mehr Platz.
Auch nicht schlecht!
Ich sollte wirklich mitmachen.

„Esther hat vorhin Kuchen gebacken", fängt Avi an und ich kann beinahe spüren, wie Esther in Gedanken versucht, ihn zum Schweigen zu bekommen, was mich zum Schmunzeln bringt.
„Und jetzt will sie mich umbringen", grinst Avi nach einem Blick zur Seite, wo sich das Team grade garantiert das Konzert ansieht.
„Der war unglaublich lecker!", ruft Scott und sieht ebenfalls zur Seite. Zum Team.
„Und wir wollten ihn euch eigentlich zeigen, weil er auch unglaublich hübsch war, aber auf dem Weg hierher ist leider ein kleiner Unfall passiert...", erzählt Avi weiter.
Bitte nichts Schlimmes.
Aber würde er dann noch so grinsen?
Wobei er ja anscheinend durchaus talentiert ist, wenn er seine wahren Gefühle verstecken muss.
Andererseits liegt Kevin schon wieder fast am Boden vor lauter Lachen, also kann es nichts Schreckliches sein.
„Wir hatten eine Fressattacke und mussten den Kuchen bis auf den letzten Krümel verdrücken", meint Avi todernst.
„Aber wir haben ein Foto gemacht!", ruft Kirstie beinahe stolz und auf den riesigen Bildschirmen erscheint das Bild.
Wenn ich Pentatonix wirklich so gut kennenlerne, soll Esther mir nächstes Jahr auch einen Kuchen backen. Bitte.

Auf dem Weg zum Hotel telefoniere ich mit Lucia.
„Hast du das Video von Kevin gesehen?", fragt sie, ohne mich zu begrüßen.
„Was denkst du denn? Ich stand da eben durchgehend rum und habe mich gefragt, ob es noch wegen dem Anschlag ist oder ob schon was neues passiert ist, was ich nicht mitbekommen habe", seufze ich und gehe hinter einer kleinen Gruppe die Treppe zur U-Bahn-Station hinunter.
„Und? Hast du was herausgefunden?"
„Ich stand fast ganz hinten, ich bin beinahe zu spät gekommen. Also, nein. Und das wird mich noch verrückt machen, ernsthaft. Was haben wir uns auch dabei gedacht, so lange mit dem ersten VIP-Ticket zu warten?"
„Das weißt du genau. Und Kopf hoch, es sind noch drei Konzerte so, und dann geht es richtig los. Freue dich mal nicht zu früh, du bist noch eine halbe Ewigkeit unterwegs! Ich fühle mich inzwischen richtig einsam hier", lacht Lucia.
„Eigentlich musst du mich mal besuchen kommen. Weißt du, wie dämlich es ist, alle paar Tage in einer neuen Stadt zu sein und niemanden zu kennen? Ich meine, du kennst noch welche aus der Schule, aber ich? Ich bin die Einsame hier!", beschwere ich mich lachend.
Wir wussten beide genau, dass das passieren würde.
Und ich habe mich trotzdem darauf eingelassen.
Wahrscheinlich besser so - Jetzt kann ich das Rätsel um den Anschlag lösen und gleichzeitig versuchen, Avi aufzumuntern.
Wenn ich das irgendwie hinbekomme.