12. Kapitel

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Grelles Weiß sticht in meine Augen, als ich sie wieder öffne.
Schweißnasse, grünliche Kleidung klebt an meinem Körper.
Die Decke, die nur noch über meinem linken Bein liegt, ist schneeweiß, ebenfalls das Kissen und das Laken - Eigentlich der ganze Raum.
Es hat etwas klinisches.
Beruhigendes.
Und doch bin ich ganz und gar nicht ruhig.
Die wirren Träume, die sich in meinem Kopf abgespielt haben,
haben mich verwirrt und aufgewühlt zurückgelassen.
Grüne Augen blitzen vor meinem inneren Auge auf, ich blinzele, schüttele abwehrend den Kopf.
Ich will nicht schon wieder zurück.
Ich will hierbleiben.
Hier in dem Raum.
Wo mich das Weiß umgibt und beruhigt.
Es ist so schön kühl.
Durch die weißen Vorhänge dringt stechendes Licht, der Raum scheint zu strahlen und trägt ein Lächeln auf mein Gesicht.
Zwei helle Türen führen von hier weg, in unbekannte Gebiete, ich will sie erkunden, fühle mich so leicht, und doch kann ich mich nicht bewegen.

Die rechte der beiden Türen schwingt leise auf, Geräusche werden in den stillen Raum getragen, doch sie verschwinden wieder.
Schritte nähern sich mir, eine Frau mit wehendem, unnatürlich reinen Umhang kommt auf das Bett zu.
Ihr Gesicht verschwimmt, als sie ihre Stimme erhebt, und ihre Worte sind ernüchternd.
„Ich bin Frau Hajek, Ihre zuständige Ärztin. Wie geht es Ihnen?" Sie würdigt mich keines Blickes, geht strikt auf die Maschinen zu, die schneeweiß um mein Bett verteilt sind, und starrt die Bildschirme an.
Ich nicke langsam.
„Gut, denke ich." Meine Stimme ist kratzig, kaum mehr als ein Flüstern. Die Wörter in meinem Kopf wirbeln durcheinander, ich versuche, Sätze zu bilden, doch ich versage.
Sie schaut mich kurz an.
„Ihre Werte sind einigermaßen in Ordnung. In Ihrem Blut sind noch Beruhigungsmittel, deswegen fühlen Sie sich wahrscheinlich etwas benebelt. Keine Angst, das geht vorbei. Dennoch würde ich Ihnen raten, dass Sie wieder schlafen, dann kann sich Ihr Körper besser erholen. Sie hatten einen schweren Schock, nehmen sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Ich komme später nochmal vorbei."
Ein kurzes Nicken, schnelle Schritte, für einen winzigen Moment leise Geräusche, dann ist sie wieder verschwunden.
Und ich bin nun vollkommen verwirrt.
Doch nach kurzer Zeit fallen meine Augen wieder zu und ich entgleite der Realität, in eine chaotische Welt, in welcher mich meine abstrusen Gedanken erwarten.

Amari, ich muss mich beeilen. Zieh dir jetzt deine Schuhe an, wir müssen los. Oder willst du heute nicht in den Kindergarten und mit deinen Freunden spielen? Die warten doch auf dich und sind ganz traurig, wenn du nicht kommst!", sagte die Frau seufzend nach einem kurzen Blick auf ihre schmale Armbanduhr. Das kleine Mädchen verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Ich mag nicht!"
Denkst du, ich will jeden Tag zur Arbeit gehen? Süße, so läuft das nun mal nicht. Komm jetzt oder ich geh alleine los. Dann kannst du hierbleiben."
Tränen liefen dem Mädchen über die geröteten Wangen, als sie ihre Schuhe schnappte und sie anzog.

Wie so oft wünschte sie sich ihre richtige Mutter und ihren Daddy zurück.

Hektisch nach Luft schnappend schlage ich die Augen auf.
In ihnen brennt das Salz der Tränen, welche ich im Schlaf vergossen habe.
Es war so echt.
So real.
Und meine Güte, war ich damals naiv.

Ich starre die weiße Decke an, denke über alles nach, darüber, was passiert ist.
Bevor ich hier war.
Der kleine, stickige Raum drängt sich immer wieder in mein Bewusstsein, doch ich weiß nicht, ob es ihn wirklich gab, oder ob meine Gedanken mir nur einen Streich spielen.
Die grünen Augen verfolgen mich bis in den Schlaf, ich kann sie nicht zuordnen, meine Träume werden immer unruhiger.
Grün liegt sein Blick auf mir.
Bedrohlich und doch sanft und nachdenklich.
Seine tiefe Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Sie hallt in meinem Traum wieder, verfolgt mich durch diese Welt, bis ich die Augen aufschlage.


Avi.

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt