39. Kapitel

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„Geht ihr noch auf Konzerte?", frage ich, um mich abzulenken.
„Ja, aber nicht so übertrieben viele", lacht Su und ich lasse grinsend den Kopf in den Nacken fallen. Eigentlich müsste ich wirklich mal die Decke fotografieren. Mich bei einem Konzert einfach mal hinlegen und den Tanz der Scheinwerfer verewigen.
„Wir wollten auf das letzte Konzert gehen, das in Texas, aber das war ausverkauft. Und es wäre wahnsinnig teuer gewesen, dahin zu kommen", seufzt Ana.
„Ich glaube, dahin gehe ich auch", überlege ich, immer noch die Decke anstarrend, als sich die hellen Flecken plötzlich alle auf einmal zur Bühne hin konzentrieren, wobei mein Kopf nahezu automatisch mitschnellt. Von links und rechts und hinten werde ich zugeschrien, als Pentatonix nach vorne tritt, und einen Moment lang bin ich viel zu überrascht, um zu reagieren, doch dann beschließe ich, dass ich etwas viel besseres auf Lager habe und pfeife, bin selbst erstaunt, wie laut.

Der Erfolg zeigt sich wenige Minuten später, als Na Na Na endet und Scott nach vorne tritt.
„Guten Abend, Adelaide!", ruft er lachend und sieht sich in der Halle um, bis er fast anklagend auf mich deutet. Glaube ich jedenfalls, bis alle Leute im Umkreis von gefühlten zehn Metern ebenfalls anfangen, fasziniert zu schreien.
„Ich muss euch...", beginnt er, wird aber von begeistertem Kreischen unterbrochen.
„Wartet. Wartet. Ich muss euch was sagen", meint er grinsend und mit einer beschwichtigenden Geste.
„Wenn man auf Tour ist, sieht man täglich so unglaublich viele Menschen, dass es manchmal schwer ist, seine eigenen Kollegen zu erkennen. Aber ganz selten passiert es, dass man irgendjemanden bei einem Konzert sieht, und ihn ziemlich sicher kennt. Okay, ich kann nicht garantieren, dass es jedes Mal auch wirklich stimmt und man sich richtig erinnert, aber grade bin ich mir erstaunlich sicher, dass ich diese Madame hier vorne kenne, die eben so laut gepfiffen hat. Oder ich habe Tinnitus", erzählt er grinsend und setzt sich in Bewegung. Steuert auf uns zu. Auf mich.
Er weiß es.
Er muss es wissen.
„Du. Dich kenne ich, oder?", fragt er und hält an. Einen Meter links von mir.
„Bestimmt? Das ist gut. Vielleicht warst es auch du!", lacht er und geht einen Schritt von mir weg, zeigt auf ein kleines Mädchen, was ich nur auf den Bildschirmen verfolgen kann.
„Auch nicht? Komisch. Kann natürlich auch sein, dass es jemand war, der mich in Sydney fast über den Haufen gerannt hat. Es war doch Sydney, oder?" Hilfesuchend dreht er sich zu den anderen Sängern um, woraufhin Kirstie ihren Daumen nach oben reckt.
„Du machst das toll, Scott! Auch wenn ich keine Ahnung habe, was das wird!", ruft sie in ihr Mikrofon und grinst.
„Es war bestimmt Sydney", beschließt Scott und kommt wieder einen Schritt auf uns zu. Meine Lunge weiß nicht mehr, was ihre Aufgabe ist, was ich aber auch erst bemerke, als ich hektisch nach Luft schnappen muss und Sternchen sehe.
„Wir spielen jetzt ein Ratespiel. Wenn ihr wisst, wen ich meine, dann seid ihr toll", grinst der Blonde und tritt ein Stück nach hinten, bevor er sich hinsetzt.
„Au ja!", freut sich Mitch und eilt zu ihm nach vorne, was ich mit einem unfassbar hohen Quietschen kommentiere. Avi schaut die Beiden nur amüsiert an und dreht sich wieder zu Kevin, der ihm wohl grade etwas erzählen muss.
„Okay. Erstens: Sydney", beginnt Scott. Mitch sieht ihn erwartungsvoll an. Niemand hat eine Ahnung.
Außer mein Herz, nebenbei bemerkt.
„Zweitens: Weiblich", lacht der Sänger.
Auf meiner Unterlippe nagend starre ich angestrengt nach vorne.
„Mach gefälligst weiter, ich habe keine Ahnung!", beschwert sich Mitch, als sein Freund – Meiner Meinung nach immer noch fester Freund, wohlgemerkt – eine spannungsgeladene Pause einlegt.
„Ist ja gut! Drittens: Misbehavin", fährt er fort und ich klammere mich an den kühlen Zaun vor mir.
Mitch schüttelt nur den Kopf und lässt seinen Blick über die erste Reihe gleiten, wobei er für den Bruchteil einer Sekunde zu lange an mir hängen bleibt.
„Viertens: Größer als Kirstie!", ruft Scott lachend und somit weiß ich wohl eindeutig, wer gemeint ist.
„Was ist mit mir?", kommt es empört von der Sängerin, während Mitch grinsend aufsteht und losläuft.

„Ich weiß es!"

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt