44. Kapitel

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Ich habe Kopfschmerzen.
Avi springt von dem hohen Podest nach unten und läuft an den Fans vorbei. In die andere Richtung, nicht zu mir.
Sie suchen mal wieder nach jemandem, den sie auf die Bühne holen können.
Nein, ich werde den Fehler nicht noch mal machen und meine Gesangskünste zum Besten geben.
Auch wenn ich nichts dagegen hätte, sie endlich mal wieder von Angesicht zu Angesicht zu sehen.
So, dass sie nur mich wahrnehmen, und nicht alle.

Dafür gibt es VIP-Karten, ich weiß. Aber Lucia und ich waren der Meinung, dass ich mich erst mal an all das gewöhnen sollte.
Ja, das war vor meinem Start.
Bevor ich wusste, dass das Verlangen, mit Pentatonix zu sprechen, so groß werden kann.
Ich habe Kopfschmerzen.
Scott läuft vorbei und würdigt mich keines Blickes.
Verständlich, oder nicht?
Ich bin schließlich auch nur ein Fan, einer von denen, die sie täglich zu hunderten oder tausenden sehen.
Wahrscheinlich erinnern sie sich nicht mal an mich.
Sie sehen täglich doch so viele Gesichter.
Ich weiß wirklich nicht, was mehr wehtut.
Die Tatsache, dass sie mich nicht mehr wahrnehmen, oder mein Kopf.
Ich bin müde.
Lucia hat gesagt, dass die Symptome kommen werden. Langsam aber sicher.
Sie lag falsch.
Sie kommen plötzlich, in aller Härte, und sagen dir, dass das, was du machst, unglaublich falsch ist.
Dass du wieder normal leben sollst.
Lucia hat auch gesagt, dass ich mich daran gewöhnen werde.
Das glaube ich nicht.
Flüge, fast täglich. Konzerte, fast täglich. Neue Städte, fast täglich.
Ich beneide keinen Sänger, der um die Welt tourt, auch wenn die Erfahrung wahrscheinlich atemraubend ist.
Mitch winkt in die Masse.

Ich beiße auf meine Unterlippe und kneife meine Augen zusammen, als der Gesang wieder einsetzt, auch wenn es mir durchaus bewusst ist, dass ich den Schmerz in meinem Kopf so nicht lindern kann.
Eigentlich muss ich in meiner Tasche noch Tabletten haben. Wobei sie die vorhin bestimmt für Drogen gehalten haben. Aber wäre ich dann hier? Wenn ich versucht hätte, Drogen mitzunehmen, hätten sie mich dann nicht der Polizei übergeben?
Ich erinnere mich nicht mehr daran. Es ist so weit entfernt, so alltäglich geworden.
Kevin fängt an, Avis Part zu übernehmen, als dieser husten muss.
Seine Stimme ist unglaublich und schafft es selbst jetzt, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Kirstie schaut den Basssänger kurz besorgt an, dann mit funkelnden Augen zu dem Beatboxer.
Ich verstehe sie. Ich verstehe sie so sehr, dass ich durchdrehen könnte.
Auch wenn ich die Liebe, die in ihrem Blick liegt, nie für Kevin empfinden könnte. Er ist einfach Kevin. Der, ohne den Pentatonix nichts wäre. Sie brauchen seine Grundlage, um einen perfekten Auftritt hinlegen zu können.
Genau wie Avi.
Ich wende meinen Blick schnell wieder ab und schaue zur Leinwand empor, auf der grade die tobende Menge gezeigt wird. Wäre ich nicht so dämlich, würde ich vor den Konzerten einfach mal zu einer Gruppe Jungs gehen und sie ansprechen. Giftig sind sie meines Wissens ja nicht.
Nur mögen sie höchstwahrscheinlich keine Mädchen mit Kopfschmerzen, deren Humor trockener als Staub ist.

Ich fühle mich fiebrig.
Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob mein Gehirn sich das, was ich auf der Bühne sehe, nur zusammenreimt oder nicht.

Wahrscheinlich schon, den Mitch und Scott schenken sich den innigsten Blick seit langem.

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt