42. Kapitel

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Knapp zwei Stunden später sitze ich wieder im Hotel, den Laptop auf meinem Schoß, die Fotos der letzten Tage leuchten auf dem Bildschirm auf.
Fotos von den zahlreichen Parks, Sonnenuntergängen, dem unglaublichen Kontrast zwischen Natur und Stadt.
Bevor ich mich den Bildern vom Konzert – Oder eher von der Halle, drinnen durfte man ja nicht mehr fotografieren – widme, suche ich gezielt nach dem Foto, welches mich wirklich überzeugt, um es für den Wettbewerb einzureichen.
Seufzend lösche ich eins nach dem anderen, bis nur noch wenige übrig sind, und ich merke, dass ich zwei übersehen habe.
Ohne mir viel dabei zu denken klicke ich weiter und halte die Luft an.
Ja, das Bild nehme ich.

Gähnend nehme ich mein Handy in die Hand und lese die Nachrichten durch, die Lucia mir in den letzten Tagen geschickt hat. Es ist schon komisch, durchgehend unterwegs zu sein und ihr fast nie antworten zu können.
Kaum bin ich online, klingelt mein Handy. Lucia.
Das hätte ich mir auch denken können, sie hat wahrscheinlich extra ausgerechnet, wann ich zurückkomme, wann sie mich abpassen kann.
„Hey!", grinse ich.
„Jetzt komm mir nur nicht so scheinheilig an. Ich will alles wissen. Irgendwas muss ja passiert sein, dass du mir nie geantwortet hast!", ruft sie mir entgegen und ich lasse meinen Kopf in den Nacken fallen.
„Okay, wie viel Uhr ist es bei euch?", frage ich. Hier ist es bestimmt schon nach Mitternacht.
„Halb vier, wieso? Oh, ich weiß, bei dir ist es schon spät, du bist doch grade erst vom Konzert wiedergekommen, oder? Aber bitte, lass mich jetzt nicht hängen, ich muss doch mit dir reden, sonst sterbe ich!", meint Lucia.
„Hast du morgen Schule?", sage ich und gehe nicht auf ihren Monolog ein.
„Ne, ist irgendein Ausflug der Lehrer", antwortet Lucia und ich kann ihr Grinsen beinahe durchs Telefon hören.
„Hör mal, ist es okay, wenn ich dich in acht oder neun Stunden nochmal anrufe? Ich bin echt fertig, die haben heute richtig was vorgeführt", meine ich und verdrehe die Augen. Wenn sie mich noch einmal so erschrecken, blase ich den ganzen Plan ab.
„Kann ich verstehen, Süße. Sagen wir in acht Stunden, ja? Sonst schlafe ich ein und wir können uns wieder nicht unterhalten", schlägt sie vor und ich bejahe lachend.
„Schlaf gut!", ruft Lucia noch, bevor sie auflegt und ich erschöpft ins Bett falle.

„Ich bin bereit! Und wehe, du lässt irgendwas aus, ich werde es herausfinden und dich suchen und finden und kitzeln, bist du stirbst!", droht mir meine beste Freundin wenige Stunden später.
„Okay, okay! Wo soll ich anfangen?", frage ich.
„Na, am Anfang!", lacht sie und ich schaue auf die Uhr. Das könnte eine Weile dauern.
Dann fange ich an, erzähle vom Festival in Osaka, von den Flügen, der Zeitverschiebung, die grade eigentlich noch auszuhalten ist, von meinem plötzlichen Erfolg auf Instagram und Twitter, weil ich ein paar Bilder von Pentatonix hochgeladen habe.
„Ich habe es dir doch gesagt, du wirst irgendwann mal berühmt!", quietscht Lucia und ich verdrehe lachend die Augen.
Ja, schön wäre es.
„Oh, ich wollte dich nicht unterbrechen, erzähl gefälligst weiter!", beschwert sich Lucia nach einigen Sekunden. Kopfschüttelnd erzähle ich weiter, von Kuala Lumpur und dem Konzert in Sydney, bis ich bei Adelaide angelangt bin.
„Und dann habe ich diesen Wettbewerb entdeckt, und ich meine, was wäre passender als Fotos von hier? Die Parks sind wirklich bezaubernd, und man kann den Kontrast zur Stadt so deutlich machen, und überhaupt ist Adelaide wunderschön. Ich kann dir gleich mal den Link schicken, aber erst muss ich dir von dem Konzert gestern erzählen. Ich sag dir, irgendwann bringen sie mich noch um, es war so schlimm! Das können sie mir doch nicht antun, findest du nicht? Ich habe einen halben Herzinfarkt bekommen, als das Licht ausging, und Mitch sah echt gruselig aus. Hey, aber dafür mussten Avin – du weißt schon, Avi und Kevin – uns unterhalten, während die anderen abgeschminkt wurden, und das war so toll, vor allem weil es total viele süße Momente gab, und..."

Vier Stunden haben wir telefoniert, und obwohl das faszinierend lang ist, vermisse ich Lucia fünf Minuten später schon wieder. Umso begeisterter bin ich, als sie mir eine Nachricht schickt.
„Dir ist bewusst, dass man die absolut perfekte Fotoausrüstung gewinnen kann? Das kostet sonst insgesamt bestimmt tausende Euro! Oh mein Gott, Amari, du musst den ersten Platz schaffen!"
Mit gerunzelter Stirn klicke ich auf den Link, den ich ihr eben noch geschickt habe, und scrolle durch die Gewinne, als die nächste Nachricht ankommt.
„Der nächste Wettbewerb geht um Porträts. Und du willst nicht wissen, was man gewinnen kann."

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt