10. Kapitel

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Wie erstarrt bleibe ich stehen.
Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter mir steht. Zu groß ist die Angst vor ihm, vor allem, vor dem hier.
Alles in mir ist auf ihn fixiert, ich höre nur ihn, spüre seine Anwesenheit mit jeder Faser meines Körpers.
Ich umklammere den inneren Griff der Tür, bis meine Fingerknöchel weiß hervortreten.

Er kommt näher. Das spüre ich.

Jeden einzelnen seiner Schritte spüre ich.
Ich sehe sein hämisches Lächeln, obwohl ich meine Augen längst geschlossen habe, haben sich eben noch Tränen in ihnen gesammelt.
Es ist zu spät.
Ich habe etwas getan, was ihm so eindeutig missfallen hat.
Er wird mich töten.

Mein Daddy.

Er wird mich töten.
Davor hatte er noch nie Angst.
Umzubringen.
Ich zittere am ganzen Körper, denn erst jetzt wird mir das zum ersten Mal klar. Glasklar.
„Daddy." Ich drehe mich um und sehe, wie er erstarrt.
Sich anspannt, jederzeit bereit, mich zu töten.
Eine unheilvolle Ruhe umgibt mich, als ich mein Kinn in die Höhe recke und eine unfassbar unklugen Entscheidung treffe.
Kein normaler Mensch dreht sich zu einem Mörder um.
Aber irgendwie muss man seinen Abgang ja stilvoll gestalten.

„Was habe ich dir getan?", frage ich und wundere mich in der gleichen Sekunde darüber, dass meine Stimme tatsächlich fest klingt und nicht bricht.
Der Mann löst sich aus seiner Starre und kommt kopfschüttelnd immer näher, doch mein innerer Alarm ist ausgeschaltet.
Vielleicht bin ich ja verrückt, das muss man doch sein, um so etwas zu wagen.
So etwas im Sinne von all dem hier.

Noch ein Schritt.

Ich bin wie hypnotisiert von seinen Füßen.
„Lass sie in Ruhe." Die Worte verlassen meinen Mund, bevor ich sie überhaupt richtig verstanden habe. Ein heiseres, vertrautes Lachen erklingt.
„Ooh, jetzt habe ich aber Angst. Willst du deine neuen, ach so perfekten Freunde etwa beschützen? Süße, das wirst du aber nicht können!" Bei den letzten Worten ist seine Stimme nur noch ein bedrohliches Flüstern und ein Schauer läuft mir über den Rücken.
„Lass sie in Ruhe oder du wirst es bitter bereuen", sage ich mit zitternder Stimme.
Und die Fassade bröckelt... Ich hätte wissen müssen, dass ich damit nicht lange weiterkommen würde.
Seine Schritte verlangsamen sich und ich atme innerlich auf.

Ich muss einfach einen Schritt nach hinten machen.
Die Tür hinter mir schließen.
Noch ist er weit genug entfernt.
Doch ich kann nicht.
Meine Glieder sind gelähmt, als ich dem Mann direkt in die Augen sehe, der sich früher so gut um mich und meine Mutter gekümmert hat.
Wie konnte ich das Monster, welches in ihm wohnt, nur so lange übersehen?
„Ich habe Zeit... Aber du nicht mehr lange, Süße." Betont langsam holt er eine Waffe hinter seinem Rücken hervor, streicht mit einem faszinierten Blick über das schwarz glänzende Metall.

Dann reißt er mit einer blitzschnellen Bewegung den Arm hoch und schießt.
Ich breche zusammen, höre sein hämisches Lachen, spüre rein gar nichts.

Es wird schwarz.


SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt