46. Kapitel

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Bis jetzt habe ich es tatsächlich geschafft, meinen Plan zu verwirklichen, selbst die Angebote, die ich im Internet gefunden habe, konnten mich nicht aus dem Hotel locken. Auch wenn ich wirklich gerne mal Bungee Jumping machen würde.
Stattdessen sitze ich jetzt alleine hier, in meinem kleinen Zimmer, mit der Bettdecke über den Beinen und meinem Laptop im Schoß, und durchsuche Instagram.
Ohne großen Erfolg.
Die Portraits deprimieren mich, erinnern mich daran, dass ich noch ein perfektes Bild machen muss. Von einem Menschen.
Es kann doch nicht so schwer sein.
Ja, ich habe noch eine halbe Ewigkeit Zeit dafür, die Wettbewerbe sind in relativ großen Abständen, aber ich will es endlich hinter mich bringen.
Hätte ich das Foto von dem Mädchen in Osaka nicht schon veröffentlicht, hätte ich es einreichen können, aber natürlich habe ich das nicht bedacht.
Selbst schuld.
Schnell scrolle ich weiter, hoffe auf Ablenkung, aber habe natürlich keinen Erfolg.
Wie sollte es auch anders sein.
Denn statt irgendwelchen Katzenbildern, für welche ich heute ausnahmsweise wirklich dankbar wäre, tauchen Fotos von dem Meet & Greet gestern auf.
Von Pentatonix.
Lachend, grinsend, Leute umarmend, glücklich.
Sie wollen mich wirklich umbringen.
Sie müssen doch wissen, dass mein Herz zerspringt, weil ich weiß, dass es noch so ewig dauert, bis ich ein VIP-Ticket habe.
Noch sechs Konzerte, eigentlich fünf, beim sechsten ist es endlich so weit.
Kaum habe ich daran gedacht, wird mir bewusst, wie bald das schon ist.

Vielleicht bin ich doch noch nicht bereit.
Ich kann ihnen ja schlecht gegenübertreten und sagen, dass ich sie wahrscheinlich gerettet habe und sie mir alles erklären sollen, oder?
Die Hoffnung, dass sie mich noch vom Anschlag kennen, habe ich schon lange aufgegeben.
Wüssten sie, wer ich bin, würden sie bestimmt ganz anders reagieren.
Was heißt bestimmt, sie würden garantiert anders reagieren.
Aber was weiß ich schon, ich bekomme ja auch nur das mit, was sie von sich preisgeben.
Frustriert klicke ich auf mein Profil, ignoriere so gut es geht meine stetig ansteigende Followerzahl und lade das Bild von gestern hoch.
Die Skyline.
Und darunter schreibe ich folgendes:
„Es war ein großartiger Abend - ich habe nichts anderes erwartet, immerhin sprechen wir hier von @PTXofficial - , auch wenn ich jetzt etwas begriffen habe.
Ich hatte furchtbare Kopfschmerzen gestern, ich war müde, habe mich fiebrig gefühlt.
Ja, ich bin nicht daran gewöhnt, so oft zu fliegen, so viel zu reisen, so viel zu sehen, auf so viele Konzerte zu gehen.
Aber wer sagt, dass es Pentatonix nicht auch so geht?
Wer sagt, dass sie nicht auch manchmal Kopfschmerzen haben oder erschöpft sind?
Sie sind auch nur Menschen, die zudem noch Interviews geben müssen, aufnehmen, neue Lieder erfinden, gut aussehen, gut gelaunt sein, Konzerte geben,...
Ich bin ehrlich. Ich würde so etwas garantiert nicht ewig aushalten. Ich gehe noch nicht mal auf wirklich jedes Konzert, weil ich mir sicher war, dass ich das nicht schaffen würde.
Was ich euch hiermit sagen will?
Verurteilt sie nicht.
Verurteilt sie nicht, wenn sie müde sind.
Verurteilt sie nicht, wenn sie schlecht gelaunt sind.
Verurteilt sie nicht, wenn sie einen schlechten Tag haben.
Verurteilt sie nicht, wenn sie nicht immer den richtigen Ton treffen.
Verurteilt sie nicht, wenn sie menschlich sind."

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt