57. Kapitel

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„Komm gut weiter!", ruft Timothy mir hinterher und ich winke ihm ein letztes Mal dankbar zu, bevor ich in den Flughafen gehe.
Auch wenn er mir immer wieder gesagt hat, dass ich nicht viel verpasst habe und dass er Pentatonix auch nur von Weitem gesehen hat, frisst sich der Gedanke immer tiefer in meinen Kopf, dass ich mit ihnen hätte reden können. Vielleicht.

23.09.2016, 22 Uhr, Manila, Philippinen
Müde lasse ich mich auf das Bett fallen. Ich brauche Ablenkung.
Ich will nicht mehr daran denken, dass ich ein Idiot bin und die größte Chance meines Lebens verpasst habe.
Auf YouTube schaue ich mir diverse Scömìche-Videos an, bis ich schließlich doch beschließe, dass ich mich morgen weiter ablenken kann und schlafen gehe.

Gähnend schaue ich zum Plakat empor, welches an der Halle hängt. Fünf bunte Silhouetten zieren es und entlocken mir unwillkürlich ein Lächeln.
Nächstes Mal.
Das überlebe ich auch noch.
„Hallo!", sagt jemand neben mir und ich drehe mich verwirrt um.
Wieso kennen mich auf einmal so viele Leute?
Kaum sehe ich jedoch den Mann, der mich angesprochen hat, wird mir alles klar.
Oh nein.
Bitte nicht.
Nicht ausgerechnet er.
Das kann doch nicht gut sein.
„Hey", sage ich und versuche, jegliche negativen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.
„Ich bin Leon", stellt er sich vor und ich schüttele seine Hand, die er mir erwartungsvoll hinstreckt. Es ist komisch.
Er könnte vom Alter her mein Vater sein und spricht mich doch einfach so an, als wären wir Freunde.
„Amari", sage ich und bemerke, dass er meinen Namen eigentlich schon kennen dürfte. Ich habe ihn bei unserem letzten Zusammentreffen immerhin verraten, er nicht.
„Ich weiß", lächelt er.
Ich sollte wirklich damit aufhören, Zusammenhänge zwischen ihm und dem Anschlag herzustellen, das wird mich sonst noch verrückt machen.
Vorsichtig sein ist ein guter Anfang.
Wenn er sich komisch benimmt, kann ich wieder auf Abstand gehen.
„Hättest du vorgestern was gesagt, hättest du dich auch vor mich stellen können", schmunzelt Leon und ich lege fragend den Kopf schief, bis es mir wie Schuppen von den Augen fällt.
„Der Riese!", stelle ich verblüfft fest.
„Du kannst Leon zu mir sagen", grinst er.
„Sie... Du warst auch da?", frage ich verwirrt.
Einen Anschlag gab es in Hong Kong nicht.
Trotzdem fühle ich mich irgendwie gestalkt, immerhin hat er mich gesehen und nicht angesprochen.
„Du bist nach dem Konzert direkt weggerannt, sonst hätte ich mich wahrscheinlich noch kurz zu dir gestellt", liefert er mir prompt schulterzuckend die Antwort.
„Ist schon okay, ich wurde von jemandem gebracht und wieder mitgenommen", erkläre ich mit einem schiefen Grinsen.
Ich weiß wirklich nicht, was ich von dem Typen halten soll.
„Kenne ich Sie... Entschuldige, dich irgendwoher?", frage ich misstrauisch.
Irgendwas stimmt mit ihm doch nicht.
„Frankfurt? Vielleicht doch Hong Kong? In Adelaide war ich auch", schlägt er vor.
Ein wenig zu schnell vielleicht.
Oder ich bin einfach nur paranoid.
„Komisch", seufze ich und muss dann lachen.
Paranoid trifft wahrscheinlich besser auf mich zu.

SchnappschussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt