Bevor ich meinen Eltern nach draußen folgte, sodass wir gemeinsam zum Versammlungsplatz gehen konnte, strich ich noch kurz mein veilchenblaues Kleid glatt. Die Versammlung war etwas Besonderes. Jeder machte sich immer besonders schick und wer es sich leisten konnte, zeigte gerne seine Prachtstücke. Es war dabei egal, ob diese aus dem Kleiderschrank oder aus dem Schmuckkästchen stammten. Meine Mutter hatte sich heute ihr Designerkleid und die geliebte Diamantkette angelegt.
Ihr Kleid war in Minttönen gehalten und betonte ihre Figur. Gleichzeitig war es aber auch nicht so freizügig. Annabeth hatte ein ähnliches Kleid an. Schon immer hatten die Beiden einen ähnlichen Kleidungsstil.
Es kam nicht selten vor, dass sie auf Schwestern getippt worden. Dabei muss ich anmerken, dass meine Mutter durch ihre Kleidung zwar jünger wirkte, meine Schwester wiederum aber älter und reifer.
Ich fiel dabei wohl ziemlich aus dem Schema. Während die Kleidung vom Rest der Familie perfekt hamonierte, stach mein Farbton mal wieder hervor. Auch die Art meines Kleides war sehr verschieden. Es lag nicht eng an, es war ein luftiges Kleid, dass an meiner Taille entlang locker bis zu meinen Oberschenkeln fiel. Früher hatte meine Mutter immer davon gesprochen, dass mein Kleidungsstil eine Art Teenager Rebellion wäre und sich dieser im Laufe der Jahre noch ändern würde. Nun war ich längst der Teenagerphase entwachsen und doch hatte ich meinen Stil beibehalten.
Ich hatte zwar nichts gegen das Andere, aber mir gefiel es einfach nicht genauso auszusehen, wie jeder aus meiner Familie, wie fast jede Frau in Paradise. Das war auch etwas Erschreckendes an unserer Gesellschaft. Jeder hielt sich an die neusten Trends oder ging zumindest nach der heutigen Mode. Schon seit mehreren Jahren hatten sich nämlich keine neuen Trends entwickelt.
Deswegen wurde ich schon des Öfteren komisch angeschaut und das nur, weil ich mich eben anders kleidete. Man stellt sich dann natürlich die Frage, warum die Bewohner von Paradies so oberflächlich waren.
Wir schauten uns den Menschen an und bewerteten ihn direkt. Ich wurde bewertet. Wenn mich Menschen auf der Straße sahen, dachten sie sich, was trägt sie denn da? Warum kleidet sie sich anders? Ist sie etwa eine Unwürdige? Diese Frage sah ich vor allem heute in den Gesichtern der Menschen. Warum das so war wusste ich ganz genau. Die teuren Läden befanden sich ausschließlich in unserem Viertel. Bei uns gab es neben den vielen Grünflächen auch viele Designerläden und hochwertige Schmuckhändler.
Doch das Kleid kam nicht aus unserem Viertel. Der Laden lag im Westviertel und stand sehr nah an der Grenze zum Nordviertel. Deswegen war das Kleid auch nicht so teuer, sondern fast schon billig im Vergleich mit den restlichen Stücken in meinem Kleiderschrank gewesen. In diesem Laden durften auch die Unwürdigen Kleidung kaufen und dies war der Grund, warum man den Stil meines Kleides, als den Stil der Unwürdigen ansah. Meine Erinnererungen an das Gespräch mit meiner Mutter, als ich damals mit dem Kleid nach Hause gekommen bin, waren noch gut vorhanden. Sie hätte es fast vor meinen Augen zerissen, doch dann schritt mein Vater zum Glück noch ein. So kam es zu einem Deal zwischen meiner Mutter und mir. Noch am nächsten Morgen sind wir zu ihrem Designer gefahren und dieser hatte ein paar kleine Änderungen an dem Kleid vorgenommen. Zum Schluss hatte er es noch mit seiner Marke gekennzeichnet. Wenn mich also heute jemand fragte, von wem dieses Kleid stammte, konnte ich ihn als Designer nennen.
Der Versammlungsraum im Ostviertel war eine schöne, weiße Halle. An der Wand und am Eingang standen weiße Säulen und die Stühle waren mit goldenen Polstern bedeckt. Insgesamt war die Halle komplett geputzt und sauber. Vorne befand sich ein großer Bildschirm mit sehr hoher Qualität. Wenn auf diesem Bildschirm etwas gezeigt wird, kam es einem so vor, als wäre das Bild oder das Video echt, so als würde man nur durch ein Fenster und nicht auf einen Bildschirm schauen.
Früher lebten wir nicht im Ost- sondern im Südviertel. Dort war die Halle nicht ansatzweise so sauber wie hier und auch der Bildschirm besaß eine eindeutig schlechtere Qualität. Aber wirklich erinnern an die Zeit im Südviertel, konnte ich mich nicht. Ich war damals einfach noch viel zu jung. Meine Erinnerungen bestanden lediglich aus ein paar Bildern in meinem Kopf. Wirklich Sinn ergaben diese Erinnerungen aber meistens nicht.
An die Halle allerdings konnte ich mich komischerweise noch gut erinnern. Nur spielte dies keine Rolle mehr in meinem Leben. Ich war ein typisches Mädchen aus dem Ostviertel, meinen Kleidungsstil ließ ich hierbei mal außen vor.
Pünktlich auf die Minute begann die Liveausstrahlung aus dem Silbernen Turm. Der Silberne Turm lag genau in der Mitte unserer Stadt und dort lebte der Präsident mit seiner Familie. Der Verwaltungsbezirk im Südviertel grenzte auch an dieses Gebäude an.
Jedes Viertel grenzte in der Mitte an dem Turm an. Der Turm war, wie der Name schon verrät, komplett silbern. Eigentlich war es auch kein Turm sondern ein Hochhaus. Aber da es nunmal von der Höhe einem Turm glich und außerdem das höchste Gebäude in ganz Paradise war, nannte man es nur den Silbernen Turm.
In den oberen Etagen lebte wie schon gesagt der Präsident mit seiner Familie. Auch sein Personal lebte im Turm direkt unter seinen Etagen.
Unter dem Personal lagen dann die Etagen, die am wichtigesten für unsere Stadt waren. Dort wurden die wichtigsten Entscheidungen für jeden Bewohner getroffen.
Mein Vater war nur ein Mitglied des Stadtrates und kam deswegen so gut wie nie in den Silbernen Turm. Der Stadtrat entschied das Meiste. Auch der Präsident saß im Stadtrat, aber nur ein handvoll Leute konnten von sich sagen, dass sie im Turmrat saßen.
Die unteren Etagen sind nämlich die Etagen das Turmrates und somit war der Turmrat die höchste poltische Macht in Paradise. Der Präsident war hierbei der Vorsitzende des Rates.
Heute ging die Rede mal wieder um nichts weltbewegendes, so wie eigentlich immer. Es wurden zum Schluss die neuen Unwürdigen vorgelesen, wobei mir auffiel, dass es überraschend viele neue Unwürdige diesen Monat gab.
Wirklich kümmern tat es mich aber nicht. Wer den Regeln von Paradise nicht Folge leistete, war nicht würdig im Paradies leben zu können.
Wie immer endete die Versammlung damit, dass wir gemeinsam die fünf Regeln aufsagten.
"Regel 1: Nimm nichts, was nicht dir gehört!
Regel 2: Höre auf die Personen über dir!
Regel 3: Frage nicht nach!
Regel 4: Liebe deine Mitmenschen!
Regel 5: Verehre das Paradies!"
So nun sind wir schon fast mitten drin in der eigentlichen Handlung und vor allem sind nun auch die fünf Regeln mal deutlich aufgeklärt. Was erwartet ihr von der Geschichte?
~Liv
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...