Kapitel 16

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Mein Weg oder meine Flucht ließ mich mal wieder in Richtung von Fabians Laden gehen. Nach drei Straßen verlangsamte ich mein Tempo und fiel erst in einen leichten Trapp. Doch auch dies ließ ich kurz darauf bleiben und ging von da an gemächlich weiter. Die Zeit, die ich dieses Mal brauchte, um zu Fabians Geschäft brauchte, war die doppelte Zeit, die ich sonst immer gebraucht hatte.
Während ich mir nämlich meinen Weg durch die Straßen meiner Stadt zu bahnte, schlenderte ich mal wieder durch die anderen Läden des Einkaufszentrums. Ich warf ein Blick in das eine Schaufenster, dann ein Blick zu einem der Ständchen und dann wieder ein Blick in ein weiteres Schaufenster. Doch ich wusste nicht, was ich mit dieser eigentlichen Zeitverschwendung bezwecken wollte. Vielleicht wollte ich nicht am Ende vor seinem Laden stehen müssen, denn es war nun Mal so, dass ich ein verdammt schlechtes Gefühl. Wenn ich ein schlechtes Bauchgefühl hatte, konnte ich diesem Gefühl bisher immer vertrauen. In der Schule hatte ich schon mehrere Male wegen meinem schlechten Gefühl, dass die Lehrerin möglicherweise einen Überraschungstest schreiben würde, eine viel bessere Note bekommen, weil ich auf mein Gefühl gehört hatte und deswegen für einen möglichen Test gelernt hatte. Aber da ich dieses Mal nicht so leicht eine Lösung für diese Gefühl finden konnte, wollte ich die Gewissheit, die ich bekommen würde, wenn ich vor dem geschlossenen Laden stehen würde, noch möglichst lange hinaus zögern.
Nur leider dauerte es nicht allzu lange bis ich dann schließlich dann doch vor dem Laden stand. Auch dieses Mal konnte ich mich leider auf mein Bauchgefühl verlassen, denn ich versuchte zwar die Tür zu öffnen, doch die Tür war verschlossen.
Meine Gedanken überschlugen sich. Erst versuchte ich nur vollkommen ruhig zu bleiben, doch schnell musste ich einsehen, dass das rein gar nichts brachte. Egal wie häufig ich mich dazu zwang gleichmäßig ein und aus zu atmen, wollten meine Gedanken keine Ruhe geben. Was wäre, wenn er sich heute Morgen in der Früh verletzt hatte und nun verletzt in seiner Kammer lag?
Hätte ich vielleicht schon heute Morgen hartnäckiger sein müssen? Denn wenn er verletzt war, hätte ich ihm dann möglicherweise schon früher helfen können. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was ihm passiert sein könnte, dennoch blitzten immer wieder Bilder in meinem Kopf auf. Diese Bilder brachten mich dazu Angst zu haben, ich hatte Angst, dass Fabian verletzt war, ich hatte Angst davor, dass ich da gewesen sein hätte müssen. Doch viel mehr Angst hatte ich davor, dass ich zu spät sein könnte. Ich hatte Angst um ihn, um den alten Mann, der mir in der letzten Zeit viel mehr beigebracht hatte, als sonst jemand es bisher in meinem Leben getan hatte.
Ich hatte Angst davor, dass er sich zu schwer verletzt hatte, ich hatte Angst davor, dass er vielleicht seinen letzten Atemzug gemacht hatte.
Ich hatte Angst vor seinem Tod.
Genau in diesem Moment wurde mir bewusst, wie sehr ich diesen Mann schon in mein Herz geschlossen hatte.
Noch nie im meinem Leben hatte ich eine so große Angst davor jemanden zu verlieren, jemanden verloren zu haben.
Bisher habe ich immer gedacht, dass der Tod unausweichlich war. Wir würden alle irgendwann zu kalten, starren Leichen. Wir würden alle irgendwann verwesen und irgendwann nach hundert Jahren oder so wäre nichts mehr von uns übrig.
Ich wusste, seitdem ich Fabian kannte, etwas Neues. Früher glaubten Unmengen von Menschen der Erde daran, dass es nach dem Tod noch etwas gab.
Fabian nannte diesen Ort Himmel.
Ich glaubte nicht daran. Ich war ein Kind von Paradise. In Paradise glaubte man nicht an solche Dinge. Vor allem ich glaubte nicht an diese Dinge.
Ich war ein Kind von Paradise, ich war ein Kind der Wissenschaft, der Beweise und des Wissens. Es war bewiesen worden, dass Körper verwesen, man wusste, dass es nach dem Tod eines Menschen nichts mehr gab.
Nichts war unvergänglich. Jede Sache hatte einen Anfang und ein Ende. So auch das Leben. Unsterblichkeit war etwas für Träumer, für Dumme. Das Leben beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod.
Wenn dies also klargestellt wurde, warum sollte man sich so an diese Unsterblichkeit, an dieses Leben nach dem Tod, klammern?
Ich konnte es mir einfach nicht erklären. Dennoch erschien mir diese Vorstellung von einem Leben nach dem Tod zum allerersten Mal, seitdem ich davon gehört hatte, nicht so dämlich. Allein die Vorstellung zumindest nach meinem Tod noch einmal mit Fabian sprechen zu können, war so schön, dass ich ihn verstehen konnte.
Es stimmte. Diese Vorstellung war etwas für Träumer, aber deswegen war sie noch lange nichts für Dumme.
Nachdem sich meine Gedanken und damit auch mein Körper beruhigt hatte, ich endlich wieder gleichmäßig atmen konnte und mein Herz wieder regelmäßig schlug, fing ich an die Umgebung des Ladens genauer zu untersuchen.
Auf dem ersten Blick fiel mir nichts besonders oder ungewohntes auf, doch als ich dann genauer hinschaute, erkannten meine Augen eine Veränderung. Sie lag direkt vor mir im Schaufenster. Normalerweise war alles schön sortiert und geputzt. Aber heute stand zum ersten Mal eine Holzfigur nicht an ihrem Platz.
Sie war umgefallen und damit war sie nicht die Einzige. Immer mehr unordentlich liegende oder stehende Gegenstände konnte ich im Schaufenster ausmachen. Verwundert wanderte mein Blick weiter nach hinten in das Innere des Ladens.
Das Einzige, was ich wirklich ausmachen konnte, war Chaos. Im Inneren herrschte die reinste Unordnung.
Die schöne Uhr war von der Wand gefallen, die Gegenstände auf der Theke lagen verstreut auf dem Boden und mit ihnen tausende Scherben von den vielen einzigartigen Gläsern.
Was ist hier geschehen?

So hier ist das Kapitel... Ich musste es ganz schnell fertig schreiben, damit es noch fertig wird, bevor ich dann übers Wochenende wegfahren... Aber ich habs geschafft.

~Liv

ParadiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt