Kapitel 56

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Seine Fragen durchlöcherten mich und setzten mich unter Schock. Ich konnte nicht mehr und vor allem wollte ich nicht mehr. Der Präsindent offenbarte alles von mir. Nicht einmal das kleinste Geheimnis meiner Seele überließ er mir. Noch nie fühlte ich mich so hilflos und schwach.
Doch irgendwann war kein Geheimnis mehr übrig und er ließ mich mit meinen Schuldgefühlen alleine. Ich war schrecklich. Ohne zu zögern hatte ich alles über Miles und sein Leben Preis gegeben. Seine Mutter und seine Geschwister könnten wegen mir sterben. Die Schuld plagte mich und machten diese Stunden ganz alleine in dem Raum zu der qualvollsten Folter, die ich mir vorstellen konnte. Nur noch ein Wunsch hielt mich am Leben. Zumindest entschuldigen wollte ich mich bei Miles. Danach gäbe es für mich nichts mehr zu tun auf dieser Welt. Das Geheimnis von unserer Stadt war es nicht wert für diese Qualen offenbart zu werden. Außerdem kannte ich nicht eine Person aus meinem ehemaligen Umfeld, welche unzufrieden war.
Warum sollte ich dieses Leben mit dieser Schuld noch weiter leben, wenn ich damit nur Menschen retten konnte, die gar nicht gerettet werden wollten? Diese Frage brannte sich in mein Gehirn.
Die Stunden vergingen und immer mehr setzte sich mein Entschluss fest. Fabian hatte auf die falsche Person gesetzt. Ich war nicht stärker als er. Ganz im Gegenteil, ich war noch schwächer. Wenn er soweit gekommen wäre, würde er bestimmt nicht aufgeben. Er würde für seine Leute kämpfen. Doch ich gab auf. Immerhin kämpfte ich für Leute, die es eigentlich nicht verdient hatte, dass jemand für sie sein Leben zerstörte. Genau das hatte ich getan. In meinen Gedanken verfluchte ich mich selbst. All diese Dinge wären gar nicht passiert, wenn ich nicht vor einem halben Jahr in diese vermaledeite Gasse gelaufen wäre.
Wie einfach dann mal Leben wohl noch wäre? Wahrscheinlich würde ich dann meinen alten Traum noch weiter verfolgen. Ich würde Medizin studieren und später Menschen helfen. Irgendwann hätten meine Eltern mir meinen perfekten Ehemann vorgestellt und ich hätte nicht jeden Gedanken an Miles verschwendet. Es tat mir leid, dass ich gerade jetzt so dachte. Doch ich war nun einmal keine Heldin. Wie gesagt, ich bin schwach und niemand würde diese Tatsache ändern können.
Es war meine Schuld, dass wie hier waren, wo auch immer dieses hier auch war. Wenn ich nicht gewesen, würde Miles noch seinen Alltag leben. Er würde die Unwürdigen mit seinen Freunden vor Verbrechen schützen und damit seinen Beitrag an unsere Stadt leisten. An allem war nur ich Schuld, niemand sonst. Wie gesagt es tat mir unendlich leid.
Ich wusste nicht, wie lange ich in diesem Raum gefangen saß. Die Zeit verflog hier nicht. Sie stand einfach nur still. Genau wie auch die Stille den Raum ausfüllte. Meine Gedanken und mein Puls waren das Einzige, was ich vernahm.
Mein Blut rauschte durch meine Ohren und hinterließen ein ekelhaftes Gefühl. Ich spürte die Herzschläge überall in meinem Körper. Es war die Hölle.
Doch nach einer wahrhaften Ewigkeit öffnete sich die Tür ein weiteres Mal. Dieses Mal war es mein Vater und der Rest meiner Familie. Wehleidig schaute er mich an. Scheinbar sah ich schlimmer aus als beim letzten Mal. Aber auch sein Anblick hatte sich verschlimmert. Es war vorbei.
Meine Mutter und meine Schwester schauten mich mit voller Abscheu an. Sie schienen ihr eigen Fleisch und Blut nicht mehr wieder zu erkennen. Dieser Gesichtsausdurck brach mir mein Herz. Keiner wollte noch das Geringst mit mir zu tun haben. Ich war eine Schande, eine Schande für die Familie und für die Stadt. Doch am meisten war ich eine Schande für mich selbst. Wo war das Mädchen, welches die fünf Regeln verfochten hatte, wie nur ganz paar andere?
Ich wusste es nicht mehr. Sie war fort. Die Stadt hatte sie mir genommen. Ganz vielleicht könnte ich sie noch irgendwann wieder zurück gewinnen. Aber auch das bezweifelte ich.
Auch wenn ich nun nicht mehr allein in dem Raum war, so blieb es dennoch still. Doch dieses Mal war die Ruhe nicht irgendwie auf verquere Art und Weise das Einzig beruhigende, sondern einfach nur erdrückend.
Scheinbar ging es meinem Vater ganz ähnlich, denn irgedwann durchschnitt er die Stille mit seiner Stimme. "Du wirst einen Anwalt brauchen. Wen möchtest du?"
Fast hätte ich aufgelacht. Natürlich ich würde vor das göttliche Gericht treten müssen. Als ob ich dafür noch einen Anwalt benötigte, es war doch so oder so eindeutig, wie es ausgehen würde. Ich würde Unwürdig werden. Vielleicht hatte ich auch Glück und ich verschwand einfach. Doch was bedeutete das Verschwinden eigentlich. Die Personen tauchten einfach nicht mehr auf.
"Antworte deinem Vater gefälligst, du undankbares Kind." schrie meine Mutter mich an.
Ihr Tonfall schockte mich für gerade einmal eine Sekunde. Doch diese Sekunde reichte aus, um zusammen zu zucken. Dennoch hörte ich auf sie und nannte den ersten Namen, der mich wahrscheinlich nicht dafür vollkommen verurteilen würde. "Ich möchte Onkel Robert als meinen Anwalt."
Meine Stimme klang kalt und unberechenbar. Dieses Mal zuckte jeder andere in dem Raum zusammen. Nur konnte ich mir nicht sicher sein, ob es aufgrund meines Tonfalles oder aufgrund des Inhaltes war.
Mit schnellen Schritten verließ meine Mutter mit meiner Schwester den Raum. Nicht ein einziges Wort hatte Annabeth zu mir gesagt. Dies verletzte mich schon ein bisschen. Zumindest mein Vater schloss sich dieser Flucht vor mir nicht direkt an. Erst stimmte er mir zu und versprach mir, dass Onkel Robert kommen würde.
Er kam wirklich. Zwar dauerte auch das wieder drei Stunden, dieses Mal zählte ich die Sekunden, doch er kam und das war die Hauptsache. "Liebste Nichte. Wie geht es dir?" begrüßte er mich herzlich und grinste mich an.
Ich hatte Recht behalten, er war auf meiner Seite und damit die einzig vernünftige Entscheidnung, die ich heute getroffen habe.
"Ich habe sogar ein Geschenk für dich." sein Grinsen wurde noch breiter, als er mir ein Papier hinhielt.
Allein die ersten Worte reichten aus, um auch mich strahlen zu lassen. Meine Finger griffen danach und eifrig begann ich weiter zu lesen. Dort stand es schwarz auf weiß. Bis zu der Anhöhrung durfte ich mich unter der ständigen Obhut von Robert Forb auf seinem Hof aufhalten.
Mit einem leichten Druck gegen die Liege entließ mich Onkel Robert und endlich konnte ich ihm um den Hals fallen.
Zumindest eine gewisse Zeit in der Freiheit würde ich noch haben und dafür konnte ich ihm nicht genug danken.

Wenn ich mich zu so einer hohen Kapitelanzahl dann auch mal wieder melde, ist es theoretisch fast schon klar, was jetzt kommt.
Dies ist das vorletzte Kapitel...
Traurig nicht wahr? Und da dies wirklich so ist. Hier eine weitere Nachricht. Ich fahre die nächste Woche in den Urlaub, weswegen ich nicht updaten werde. Dafür kommt aber Ostern eine Mini Lesenacht aus dem letzten Kapitel und dem Epilog...
Also seid nicht überrascht, wenn nächsten Freitag nichts kommt.

~Liv

ParadiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt