Mein Blick wanderte nach oben und ich konnte den Unbekannten wieder entdecken. Es war komisch ihm gegenüber zu stehen. Seit Tagen schlich er sich so gut wie gar nicht mehr in meine Gedanken und ich hatte mich eigentlich schon darüber gefreut, dass ich scheinbar auf dem besten Weg war, um ihn zu vergessen. Woher sollte ich auch wissen, dass dieser Sonntag so kathastrophal werden würde und dass ich dann auch noch ausgerechnet in einen Kriminellen reinrennen muss? Obwohl eigentlich wusste ich gar nicht, ob er wirklich kriminell war. Zwar hatten mich meine Gedanken und Beobachtungen darauf schließen lassen, aber ob meine Vermutungen deswegen der Wahrheit entsprachen musste schließlich nicht so sein. Vielleicht hatte er auch nur etwas leicht verbotenes gemacht, etwas wie Fabian zum Beispiel. Oder er hat möglicherweise Essen gestohlen für Unwürdige. In den letzten Tagen hatte ich ihnen schließlich nicht nur einmal mein Geld und Essen überlassen, weil sie es eindeutig nötiger hatten als ich.
Mein ganzes Leben lang hatte ich genug Essen, ich wurde geliebt und hatte immer alles was ich brauchen konnte. Meistens hatte ich sogar zu viel, nicht selten haben Annabeth und ich unsere alten, vielleicht ein Jahr alte, Sachen aussortiert und weggeworfen. Diese Verschwendung ließ mich beinahe den Kopf schütteln, doch dann erinnerte ich mich daran, dass ich im Moment nicht alleine war.
Kurz blinzelte ich, um wieder klarer sehen zu können. Immer wenn ich meinen Gedanken nachhing, verklärte sich meine Sicht etwas und das Blinzeln half nun einmal am Besten dagegen. Es war in etwa so, als würde jemand eine vollkommen dreckige Brille seit einer Ewigkeit mal wieder putzen und deswegen endlich mal wieder etwas klar sehen konnte. Genau diesen Zweck diente mein Blinzeln. Wahrscheinlich sah ich in den Augen des unbekannten Jungens vollkommen verrückt aus, wie ich gezwungenermaßen tausendmal blinzle. Doch seine Meinung konnte mir schließlich auch eigentlich vollkommen egal sein. Nur war sie mir leider nicht egal. Denn sobald ich diesen Gedanken gedacht hatte, hörte ich schlagartig auf zu blinzeln.
Erst dann sah ich seinen Gesicht klar vor mir und konnte ein leichtes Schmunzeln um seinen Mund entdecken. "Cyana..." hauchte er da und zum wiederholten Male fragte ich mich, woher er meinen Namen kannte.
Gleichtzeitig wurde mir auch klar, dass er zwar meinen kannte, ich ihn aber immernoch in meinen Gedanken als den unbekannten Jungen betitelte. Dieser Gedanke machte mich rasend.
"Der Junge ohne Namen!" Schoss ich deswegen zurück und funkelte ihn an.
"Was machst du hier? Solltest du nicht eigentlich in einen dieser Hallen sitzen und dir anhören, wie toll die Regierung doch ist?" Bemerkte er spötisch.
Scheinbar machte er sich mal wieder über die Würdigen lustig. Schon häufiger hatte er dies in meiner Gegenwart getan, er spottete über sie, über uns. Dabei war er doch eigentlich die Person über die man sich lustig mach konnte. Warum schien er eine solche Hass gegen die Regierung und alles was zu ihr dazugehört zu haben. Natürlich war nicht alles perfekt in der Stadt, aber in welcher Stadt wurden schon gar keine Fehler gemacht. Bei uns wurde wenigstens versucht so wenig Fehler zu machen, zu zulassen und die Fehler, die gemacht wurden, möglichst schnell zu bereinigen. Wir lebten schließlich im Paradies und selbst wenn Fehler dazu gehörten, war es auch an uns diese Fehler wieder zu bereinigen. Jeder machte mal Fehler, aber es lag an uns, was wir aus und mit ihnen machen.
Da lag nämlich der Unterschied zwischen ihm und mir. Wenn mir ein Fehler passierte, versuchte ich alles um ihn ungeschehen zu machen. Wenn er einen tätigte, war es ihm wahrscheinlich egal. Denn ein Unwürdiger zu sein bedeute auch, dass man einen Fehler getan hatte und dennoch nichts dagegen oder zur Wiedergutmachung unternommen hatte. Nicht selten hatte ich gehört, dass die Unwürdigen sogar stolz auf ihre Fehler waren.
Fabian gehörte zu dieser Art von Mensch, doch ich bewunderte ihn für diesen Stolz. Ihm war seine Leidenschaft so wichtig, dass er selbst seine richtige Freiheit für sie riskiert hatte. Zwar wusste ich, dass Gegenstände aus der Zeit vor Paradise zu den Verboten gehörte, aber ich konnte es einfach nicht als Fehler sehen. Ich wusste selbst, dass ich mich damit selbst widersprach und alles richtige in Frage stellte. Doch ich konnte seine Leidenschaft nicht als Verrat an unsere Stadt ansehen. Es war doch eher etwas schönes, dass ein Mensch etwas, was nicht er selbst war, so sehr lieben konnte. Diese Gedanken hatten sich schon lange in meinen Gedanken verfestigt und brachten mich leider auch wieder in die Gegenwart zurück.
Sofort hatte ich wieder die beiden Gesichter der Wächter vor den Augen. Der Vergewaltiger und der Entführer, denn ich hatte mir längst zusammengereimt, dass Fabian entführt worden war. Ich hoffte nun einfach nur noch, dass es ihm gut geht und dass er nicht tot ist. Denn ich wollte einfach nicht an eine Welt ohne ihn denken, so wichtig war er mir geworden.
Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Wange. Sie war warm und spendete mir für einen sehr kurzen Moment etwas ihrer Wärme und etwas Geborgenheit. Doch genauso schnell wie sie kam, verschwand sie auch wieder. Dabei hinterließ sie eine leichtfeuchte Spur.
Schnell stellte sich aber heraus, dass nicht seine Hand die Spur verursacht hat, sondern ich selbst. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen. Doch nun spürte ich die Tränen wie sie immer weiter über meine Wangen rollten. Unauffällig versuchte ich sie wegzuwischen, aber dafür war es schon lange zu spät.
Zum ersten Mal seit Fabians Verschwinden weinte ich wahrhaftig und nun tat ich es umso stärker. Ich konnte spüren, wie sich ein Schluchzer seinen Weg aus meinem Mund heraus suchte. Seit langem hatte ich mich nicht mehr so schwach gefühlt, wie in diesem Moment. Diese Schwäche verschwand aber schnell wieder.
Sie verschwand genau in dem Moment, indem ich von einer Wärme umgeben wurde. Ein angenehmes Kribbeln ließ meine Haare am ganzen Körper abstehen und eine Gänsehaut breitete sich überall aus. Sanft hielt er mich umschlungen und legte sein Kinn auf meine Haare. Ganz vorsichtig strich er über meinen Rücken und hielt mich fest.
Ich wusste zwar noch nicht wie, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich nun ein weiteres Mal gerettet hatte. Vielleicht sollte ich ihn in meinen unbekannten Retter umbenennen, dass schien eindeutig besser zu ihm zu passen.Sorry das das update jetzt erst kommt, aber ich bin am Freitag von meiner Klassenfahrt wieder gekommen und dies erst sehr spät, da wir leider in einen Stau geraten sind. Und gestern war ich den ganzen Tag am schlafen. Aber auch wenn es zwei Tage später nun erst kam, ich hoffe ihr habt das Kapitel genossen.
~Liv
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...