Tatsächlich hörte ich nach nicht einmal dreißig Sekunden, wie die Tür zu der Etage in ihr Schloss fiel. Die Stimmen übertönten mein klopfendes Herz und die Angst pulsierte durch meine Adern. Wie ein Mantra wiederholte ich immer wieder die Bitte, dass sie uns hoffentlich nicht entdecken würden, in meinen Gedanken. Ich kniff meine Augen zusammen und lauschte den trampelnden Schritten der Truppe. Aus den Befehlen des einen Mannes konnte ich heraushören, dass nur ein Teil der Wächter für die Durchsuchung der Etage eingeteilt wurde. Der Rest würde wohl die Treppen hinauflaufen und schlussendlich bei der von uns aufgebrochenen Tür ankommen.
Ich versuchte genau hinzuhören und zu entschlüsseln wie viele Männer sich wohl unserer Etage zugewannt hatten. Aber ich hatte jahrelang mein Gehör nur zum Zuhören innerhalb eines Gespräches genutzt und deswegen war ich nicht wirklich geschult in dieser Art von Nutzung meiner Ohren. Dennoch erkannte ich, dass es sich wohl um ungefähr fünf Leute handeln sollte.
"Mr. Fitz sehen Sie sie hier irgendwo?" rief einer von der anderen Seite.
Scheinbar befand er sich in dem anderen Büro. Genau drei Stück gab es davon hier in diesem Stockwerk.
Erschrocken hielt ich den Atmen an, als eine Stimme, wohl die von Mr. Fitz, ganz in der Nähe erklang. "Bisher noch nicht, aber jetzt mal ehrlich, diese Tür war weder aufgebrochen, noch fällt hier noch irgendetwas auf. Außerdem wundere ich mich immer noch, wie sie überhaupt Zugang zu dem Archiv bekommen haben sollten."
"Aber das fragen wir uns doch bei jedem Einbruch." ertönte eine neue Stimme.
Drei Wächter befanden sich also auf jeden Fall hier ganz in der Nähe. Die schweren Schritte von Mr. Fitz, zumindest müssten es seine Schritte sein, traten in den Raum.
Langsam durchschritt er das Büro.
"Da haben Sienicht ganz Unrecht, Mr. Hock. Aber bisher lösten diese vermaledeiten Unwürdigen stets schon im Erdgeschoss den Alarm aus, oder bei den Versuchen die Fensterscheiben zu zerschlagen. Sie erinnern sich doch bestimmt an diese kleine Gruppe, welche wirklich dachte, dass man über die Fenster Zutritt bekommen würde." lachte Mr. Fitz.
Doch auch wenn er lachte, so hörte ich ganz leicht die Beunruhigung heraus. Scheinbar waren wir ihm ein Rätsel. Nur wunderte ich mich nicht. Nicht umsonst besaß ich einen Plan und die Schlüsselkarte in meinem Rucksack. Ich war keine dieser dummen Unwürdigen. Durch meine Familie hatte ich mehr oder wenig Zugang zu vielen Orten. Mr. Fitz hatte Recht, dieser Einbruch würde anders verlaufen, als die zuvor.
Vorsichtig robbte ich immer weiter unter dem Sofa zur Wand.
Gerade noch rechtzeitig, denn genau als ich mit dem Rücken die Wand spürte, schlug jemand den Stoff beiseite und ein leichten Lichtschein erhellte den Boden vor mir. Ganz knapp lag mein Körper noch im Schatten und zu meinem Glück reichte dem Wächter ein kurzer Blick unter das Sofa aus.
Er hatte mich wirklich übersehen. Doch ich glaubte irgendwie nicht, dass Miles das selbe Glück haben würde. Sobald der Schrank geöffnet werden würde, würde er entdeckt werden. Fieberhaft überlegte ich, wie wir hier dennoch raus kommen könnten.
Den Überraschungseffekt hätten wir nur möglicherweiseauf unserer Seite. Vielleicht könnte Miles einen von ihnen überwältigen. Danach hieße es dann wohl, Beine in die Hand nehmen. Aus Erfahrung wusste ich, dass Miles eindeutig schneller war, als die Wächter, doch ob diese Tatsache auch auf mich zutraf, war dann wieder eine andere Sache. Ich kannte vielleicht die ganzen Isomeren von Propanal, aber Sport war nnie wirklich ein wichter Teil in meinem Leben gewesen.
Plötzlich nörgelte der Wächter mit dem Namen Mr. Hock los. "Mr. Fitz, wissen Sie was, ich habe keine Lust mehr. Es ist doch sowas von unwahrscheinlich, dass sie noch hier sind. Ich meine, dass ich seit drei verdammten Jahre jetzt schon bei den Wächtern arbeite und schon immer einer der Besten aus meinem Jahrgang war, aber nie dürfen wir bei den interessanten Aktionen wirklich mitmischen. Mein Kumpel wurde letztens von einer Gruppe Unwürdiger verprügelt, während seiner Arbeitszeit und ein anderer war bei der Verhaftung von diesen zwei Jungen dabei."
Es wunderte mich etwas, wie offen er zu ihm sprach und gleichzeitig dennoch siezte. Diese beiden Sachen passten meiner Meinung nach nicht wirklich zueinander. Aber ich wollte mich nicht beschweren. Es verschaffte uns Zeit.
Zeit zum Nachdenken, Zeit, die uns vielleicht retten würde.
Ganz vorsichtig schob ich mit meinem einen Finger den Stoff wieder nach oben. Nun konnte ich sehen, wie Mr. Fitz sich gerade zu seinem Kollegen wannte. Scheinbar hatte Mr. Hock ihn, kurz bevor er den Schrank untersuchen wollte, abgelenkt.
"Ich kenne ihre Gefühle, doch glauben Sie mir. Auch ihre Zeit wird kommen. In meinen fünf Jahren Dienst habe ich schon viele Dinge miterlebt und Mr. Greg hat natürlich noch mehr gesehen."
Sofort wunderte ich mich, wer denn Mr. Greg war, aber meine Frage wurde von diesem direkt wieder beantwortet. Denn wie als würde er zustimmen, grunzte eine weitere Person.
Auf einmal knackste etwas und ich erschrak. Fast hätte ich einen Ton ausgestoßen, doch ich gerade so konnte diesen Reflex noch unterdrücken.
Das Knacksen kam aus einem kleinen Gerät in den Händen von Mr. Fitz. Dieser drückte einen Knopf und eine Stimme ertönte. "Sind die Flüchtigen schon gefunden?"
"Nein, Herr. Aber wir haben alles untersucht."
"Dachte ich mir hier, wir sind gerade vor dem Archiv. Die Tür wurde geknackt. Beenden Sie ihre Aufgabe und stoßen dann zu uns!" bellte jemand aus einem Lautsprecher.
"Verstanden, Sir."
Wieder ertönte das Geräusch und Hektik breitete sich unter den drei Wächtern aus. Mr. Hock war ganz aufgeragt und heizte seinen Vorgesetzten zur Eile an. Gespannt beobachtete ich, wie die Schuhe vor meinen Augen von dem Schrank wegtraten und schlussendlich den Raum verließen.
Erst wollte ich meinen Augen gar nicht trauen, aber dann freute ich mich einfach nur noch.
Die Tür zum Treppenhaus fiel ins Schloss und nach einer weiteren Minute warten traute ich mich hervorzukommen. Auch Miles trat aus dem Schrank und schaute mich ungläubig an. So viel Glück konnte ein Mensch doch gar nicht haben. Am liebsten würde ich ihm um den Hals fallen, aber ich wusste, dass jede Sekunde unser Leben bestimmen könnte. Die Wächter waren mehrere Etagen über uns. Bevor sie bemerkten, dass wir uns auch nicht mehr im Archiv versteckten, mussten wir eigentlich schon fast wieder draußen sein. Deswegen verzichtete ich auf eine Umarmung und schnappte mir nur Miles Hand. Der Alarm tönte noch immer und somit entschied ich mich dafür, dass wir das Treppenhaus nehmen würden.
Mit raschen Schritten liefen wir die kalten Treppenstufen hinab. Das Weiß um uns herum erdrückte mich langsam zunehmend. Warum konnte es in dieser Stadt keine bunten Farben geben?
Vielfalt war nun einmal nicht erwünscht.
Diese Antwort hatte ich nun schon seit ein paar Monaten erkannt. In unserer Stadt sollte jedermann nur durch seine Stärken aus der Gesellschaft heraustreten. Dass die Fehler und Schwächen genauso wichtig waren, interessierte hier keinen.
Diese Gedanken begleiteten mich, bis wir schlussendlich im ersten Stock vor der letzten Tür waren. Mit viel Schwung drückte ich die Klinke nach unten und lehnte mich mit meinem Gewicht dagegen.
Ein leises Geräusch ertönte, als die Tür in ihren Ursprung zurückkehrte. Mich wunderte etwas, als ich erkannte, dass die vermeitliche Tür von außen eine grau-schwarze Leinwand war. Kein Wunder also, dass sie auch hier sein konnte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass dieses Bild eigentlich eine Tür war. Eins musste ich dem Präsidenten lassen, er hatte scheinbar einen fantastischen Architekten.
Auf leisen Sohlen nahmen Miles und ich dann auch noch die letzten Treppenstufen. Erst als ich wieder in die frische Luft nach draußen trat, erlaubte ich mir eine kurze Pause. Tiel atmete ich die Nachtluft ein und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wir hatten es geschafft. Nun mussten wir nur noch die Wahrheit verbreiten.
Es gab keinen Unterschied zwischen den Würdigen und Unwürdigen. Jeder von uns war gleich. Alle Bewohner waren einfach nur unwissend. Wir wussten nichts, doch das würde sich ändern. So groß unsere Stadt auch war, wir waren dennoch nur ein kleiner Teil der Erde und der Menschheit.
Neben mir spürte ich Miles Wärme und auch er lächelte.
Dann zersprang die Blase, in der ich mich befand, mit einer einzigen Frage. "Was machst du hier Cyana?"
Und auf einmal wurde alles um mich herum schwarz.
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...