Kapitel 14

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Es dauerte nicht lange und ich kam in einen gewissen Trott. Jeder Tag verlief fast gleich. Die einzigen Ausnahmen bildeten die Personen mt denen ich am Abendsbrottisch saß. Doch auch von denen bekam ich genauso wenig mit wie von der ganzen Rest der Welt. Ich hatte immer gedacht, dass die Zeit vor unserer Stadt ein Graus seien musste. Stets wurde irgendwo Krieg geführt und Katastrophen bedrohten die Menschen, aber nun zeigte sich mir in den Geschichten eine vollkommen neue Welt und diese Welt faszinierte mich.
Nach ungefähr drei weiteren Büchern schlossen Fabian und ich einen Pakt. Von da an musste ich die Bücher nicht mehr kaufen, sondern lieh sie mir nur aus gegen eine kleine Gebühr. Dafür half ich ihm aber nach meiner Abeitschicht in der Bibliothek in seinem Laden und seinem Haushalt. Dadurch lernte ich ihn immer besser kennen und wenn mich jemand fragen würde, wer mein bester Freund wäre, würde ich wahrscheinlich den alten Mann nennen. Fabian war wirklich zuckersüß. Er konnte stundenlang mit mir über die Bücher diskutieren und mir die Geschichten seiner Sammlerstücke erzählen. Dabei fingen seine Augen regelrecht zu Leuchten an. Nicht wie der Funke im Auge des namenlosen Unbekannten, seine Augen funkelten vor Wut und Feuer. Doch in Fabians Augen strahlte seine Leidenschaft und dieses Leuchten war mindestens genauso schön.
Leider war er auch ein kleiner alter Chaot und häufg verbrachten wir Stunden damit eine Kleinigkeit zu suchen. Diese Stunden waren dennoch stets spannender als die Stunden in der Bibliothek. Dort verbrachte ich nur noch meine Pflichtzeit und meistens langweilte ich mich auch noch.
Ein weiterer Lichtblick bildeten stets die Lesestunden. Seitdem ich richtige Bücher den Kindern vorlas, kamen sie scheinbar wirklich gerne zu mir und mit der Zeit wurden es immer mehr. Aber auch die komischen Blicke der Mütter kamen gehäufter vor. Ich wusste nicht woher die Blicke kamen, doch irgendwie machten sie mir Angst.
Aber diese Angst verschwand meist schnell wieder, spätestens wenn ich beim Laden ankam, war meine Laune wieder ungetrübt.
Manchmal blieben Fabian und ich nicht im Laden, sondern durchstreiften die Randgassen des Nordviertels. Zwar wusste ich bisher noch nicht genau, warum Faban unwürdg war, doch ch konnte mir denken, dass es mit seiner Leidenschaft für alte Dnge zu tun hatte. So konnte ich mir auch denken, dass ich mich selbst in die Richtung der Unwürdigkeit begab mit jeder Sekunde die ich mit Fabian oder seinen Büchern verbrachte. Nur waren mir diese Sekunden jedes Risiko wert.
Dennoch vertrieb auch meine neue Normalität nicht die Gedanken an den Unbekannten. Die Gedanken sind weniger geworden, aber verschwunden sind sie nicht. Vor allem spät in der Nacht, wo ich eigentlich schlafen sollte, holten sie mich wieder ein. Das Verdrängen brachte tagsüber etwas, doch dann konnte ich sie einfach nicht mehr verdrängen. Selbst bis in meine Träume verfolgten sie mich.
Immer wieder träumte ich von ihm. Von seinen Augen oder wie er dort oben auf dem Dach der Bibliothek gestanden hatte. Es war zum Verrückt werden. Immer wieder erinnerte ich mich an den bisher schönsten abend aus meinem Leben und den verbrachte ich auf diesem Dach, mit ihm. Einem Unwürdigen. Doch auch mit Fabian verbrachte ich doch meine Zeit, warum störte es mich bei ihm und bei Fabian nicht. Warum störte mich dieser gezwungene Abstand zwischen Unwürdig und Würdig?
Bei Fabian hatte ich doch auch kein Problem mit seiner Unwürdigkeit. Vielleicht lag es darab, dass ich Fabian vertraute, aber ihm habe ich an diesem Abend doch auch vertraut. Genau dabei lag nämlich meiner Meinung nach das Problem, ich hatte ihm vertraut. Warum hatte ich ihm vertraut? Er hatte mich verfolgt, er hatte mich beobachtet, er kannte meinen Namen und er hatte mich gerettet. Dabei wusste ich nichts von ihm. Nur sein Aussehen hatte sich in meine Netzhaut gebrannt. Seine braunen Haare und diese besonderen braunen Augen. Damals hatte ich in dieser Nach nur auf die Schönheit der Sicht geachtet. Im Nachhinein fand ich noch bei etwas, bei jemand anderes diese Schönheit, die mich so faszinierte.
Nämlich bei ihm, bei dem namenlosen Unbekannten.
Also warum hatte ich ihm vertraut?
Warum vertraute ich Fabian? Diese Frage zu beantworten war einfacher. Fabian konnte mir nichts tun. Er war ein liebenswürdiger alter Mann. Selbst die ekelhaftesten Spinnen in seinem Laden tötete er nicht, sondern trug sie nach draußen. Ihm war es egal, ob die Mücken ihn stachen. Denn er konnte nun einmal keiner Fliege etwas zu leide tun. So war er nun einmal. Auch verführte er mich mit seinen Geschichten und den Büchern in komplett neue Welten. Er brachte mich in einen komlett neuen Bereich meiner Fantasie. Den einzigen "Fehler", den er hatte, war seine Liebe zu den alten Dingen. Doch dieser Fehler war nicht schwer zu verzeihen.
Wahrscheinlich lag in dieser Kleinigkeit der Unterschied. Es störte mich nicht, dass ich den Namen des Unbekannten nicht kannte. Es störte mich nicht zu wissen, dass er und seine Freunde Menschen verprügelten. Es störte mich nicht nicht zu wissen, womit er seine Zeit verbrachte.
Das was mich störte war so unbedeutend und bedeutend zu gleich. Diese Kleinigkeit sollte niemanden interessieren. Früher hat diese Kleinigkeit niemanden interessiert. Denn früher waren diese Kleinigkeiten normal. Von den Geschichten hatte ich nämlich gelernt, dass früher häufig die Helden der Geschichten unwürdig waren.
Und doch war das Einzige, was mich wirklich störte, meine Unwissenheit über den Grund für seine Unwürdgkeit.
Es störte mich sehr nicht zu wissen, was er getan hatte. Denn tief in meinem Herzen wollte ich mehr von ihm erfahren und diese Antwort machte mir wahrscheinlich zurzeit am meisten Angst in meinem Leben.

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