Kapitel 55

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Zitternd schlug ich meine Augen ein weiteres Mal an diesem Tag auf, nachdem ich in Ohnmacht gefallen war. Auch dieses Mal war meine erste Reaktion mich umzuschauen. Wo befand ich mich und ist dies wieder so ein komischer Traum, waren die ersten Fragen, die ich mir stellte. Ein Blick auf meine Haus verriet mir, dass ich wohl wieder in meinem Körper war. Auch ansonsten schrie meine gesamte Umgebung regelrecht nach unserer Stadt.
Ich versuchte mich von der Liege, auf der ich lag, zu erheben. Aber, obwohl ich keine Riemen oder andere fesselnde Gegenstände an meinem Körper sehen konnte, so war es mir dennoch unmöglich mich gänzlich zu erheben. Allein meinen Oberkörper in eine schiefe Lage zu bringen, erforderte unmengen an Kraft.
Nach mehreren kleinen Versuchen zwangen mich meine Muskeln aufzugeben. Erschöpft ließ ich meinen Kopf wieder auf die Liege fallen und versuchte dann den Raum nur mit leichten Kopfbewegungen zu erfassen. Wie so viele Räume in Paradies war auch dieser vollkommen weiß gehalten. Es gab nur eine Tür und ansonsten nichts. Ein bisschen erinnerte es mich an ein Gefängnis. Aber da ich erst vor ein paar Stunden in einem war, wusste ich gleichzeitig, dass ein Gefängins hier doh anders aussah.
Plötzlich kam in mir leichte Zweifel hoch, war die Befreiungsaktion wirklich nur ein Tag her. Wie lange war ich in dieser komischen Welt gefangen? Ich konnte diese Frage nicht beantworten. Angestrengt versuchte ich mich an die Sachen zu erinnern, welche vorher passiert sind.
Miles und ich haben den Silbernen Turm verlassen und dachten es geschafft zu haben. Wir hatten kurz angehalten und das war unser einziger Fehler gewesen. Ein Taschenlampenlicht hatte mich geblendet. Dann hatte ich die Stimme meines Schwagers gehört. Daraufhin wurde alles schwarz.
Warum bin ich da in Ohnmacht gefallen? Ich konnte mich nicht an einen Schlag auf den Hinterkopf oder etwas ähnliches erinnern.
Auf einmal hörte ich, wie sich die Klinke der Tür nach unten bewegte. Drei Menschen, drei Männer traten ein. Ich erkannte sie alle. Die sonst leicht gräulich schimmernden Haare des Präsidenten schienen fast silbern in dem Licht des Raumes. Hinter ihm trat der Teufel persönlich ein. Mr. Fellers Miene war grimmig und die ganze unterdrückte Wut auf ihn brodelte wieder auf. Doch am meisten schockte mich der dritte Mann. Es war mein Vater.
Mein Mund klappte auf und dennoch kam kein Ton aus ihm heraus. Eigentlich wollte ich den Wächter anbrüllen, doch der Anblick meines Vaters ließ mich verstummen. Sein Gesicht zeigte tiefe Augenringe auf und seine Augen blickten mich enttäuscht und müde an. Es tat mir im Herzen weh ihn so enttäuscht haben zu müssen. Niemals wollte ich, dass jemand, der mich liebte, mich so ansah. Nun hatte ich es geschafft.
Ich war in den Augen meiner Eltern und wohl auch in den Augen der gesamten Stadt eine Unwürdige. Nur machte mir dieser Gedanken eher Mut als Angst. Meine besten Moment teilte ich mit einem Unwürdigen, die schönsten Erinnerungen hatte ich, während den Stunden mit Miles gesammelt. Unwürdig zu sein war nichts Schlimmes. Es zeigte nur, dass ich ein Mensch war und ich stark genug war meine Schwächen offen zu zeigen. Ich hatte möglicherweise ein paar Ecken und Kanten in meiner Persönlichkeit, aber genau diese hoben mich von dem Rest der Gesellschaft ab und machten mich zu dem Mensch, der ich nun einmal bin und der ich sein möchte.
So stolz es in dieser Position eben ging, schaute ich den drei Würdigen in die Augen. Der Präsident erhob als erster seine Stimme: "Du bist also wirklich wieder erwacht."
"Sehen Sie doch. Apropo, wo sie es gerade ansprechen, was sollte diese Simulation." antwortete ich patzig auf seine unterschwellige Frage.
"Cyana, Kleines, mach es bitte nicht noch schlimmer als es sowieso schon ist."
Die Stimme meines Vaters war leise und fast hätte ich ihn gar nichts verstanden. Mr. Fellers stimmte meinem Vater direkt zu, doch an seiner grimmigen Miene änderte sich dabei nichts.
"Mr. Forb, möglicherweise wäre es besser, wenn Sie mich und ihre Tochter einmal unter vier Augen sprechen lassen." forderte der Präsident daraufhin meinen Vater auf den Raum zu verlassen.
Glücklicherweise begleitete Mr. Fellers meinen Vater hinaus, sodass nur noch ich und der Präsident übrig blieben.
"Was hast du denn in der Simulation erlebt, Cyana?"
Eigentlich wollte ich seine Frage beantworten, doch irgendetwas zwang mich dazu. "Ich lebte auf dem Land mit meinem Ehemann Jacob. Mein Name war Elisa und es war alles friedlich. Das Essen stand auf dem Tisch und ich hatte irgendwie vergessen, dass ich nicht diese Elisa war. Mein Spiegelbild erinnerte mich aber wieder an diese Unstimmigkeiten. Dann brach das Chaos aus. Wir wurden bombadiert und zwei dieser Bomben trafen unser Haus. Jacob wurde halb unter den Trümmern der Decke begraben und starb. Die nächste Bombe traf dann mich und so wurde ich am Bauch verletzt. Ich verblutete, doch dann erinnerte ich mich wieder, wie ich hieß und warum das Spiegelbild nicht zu passen schien."
"Du bist also theoretisch gestorben in der Simulation?"
Ich nickte. Er hatte Recht, ich war tatsächlich verblutet. Meine Zustimmung schien ihn aber noch mehr zu verwirren. "Weißt du, Cyana, nicht viele erwachen aus den Simulationen wieder. Die meisten befinden sich dann für ihr ganzes restliches Leben in einem Koma und träumen sich ihr perfektes Leben. Dafür sind nämlich die Simulationen da. Sie sollen den Wünschen der Person entsprechend geformt sein. Die Frage, die wir uns nun stellen sollten, ist, warum du dir scheinbar gewünscht hast zu sterben."
Seine Erklärung verwirrte mich. Warum sollte ich mir gewünscht haben zu sterben? Für mich ergab das keinen Sinn. Doch der Präsident schien schon eine theorie zu haben. "Du sagtest, dass du die Falschheit in deinem Spiegelbild erkannt hast. Scheinbar schienst du dich in diesem Moment nach einer Erklärung für diese Tatsache zu wünschen. Also beendete sich die Simulation. Eine interessante Möglichkeit und ich dachte schon dein Freund hätte mich überrascht."
Meine Augen weiteten sich erfreut, als ich realisierte, dass er von Miles sprach. Scheinbar ging es ihm gut. Erleichterung überkam mich und ich musste lächeln. Miles schien auch aus seiner Simulation erwacht zu sein.
"Aber wie dem auch sei. Ich bin eigentlich hier, um dir ein paar Fragen zu stellen. Keine Angs, du musst nicht versuchen zu lügen. Immer wenn du es tust, reagieren die Sensoren der Liege darauf und verhindern es. Somit kannst du mir ganz einfach sofort alles, was du weißt, erläutern. Einen Fluchtversuch zu starten ist genauso unsinnig. Die Liege ist so eingestellt, dass sie auf den geringen Metallanteil in deinem Blut so reagiert, dass du wie ein Magnet angezogen wirst. Na dann, jetzt wo ich dich aufgeklärt habe, können wir auch schon direkt anfangen. Wie hast du den Unwürdigen kennengelernt?" begann der Präsident mit seinem Verhör.
Jede Antwort, die ich gab, gab mehr von mir und meinen Gedanken preis. Irgendwann fühlte ich mich nackt vor ihm. Doch seine Drohnung stimmte, ich konnte nichts verheimlichen. Ich war ihm schutzlos ausgeliefert.

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