Kaptiel 38 - Tagebucheintrag 1

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Dieses Buch ist weder ein wahres Tagebuch, noch ist es es nicht. Es sind meine Gedanken, meine Erfahrungen und meine Erlebnisse, welche ich nun auf diesen Seiten verschriftliche, da ich mich zu dieser Tat nach meinem jetztigen Wissensstand dazu gezwungen fühle. Ich weiß, dass diese Einträge, wie viele es im Nachhinein werden, kann ich noch nicht sagen, jeden Leser zu einem Verbrecher aller Gesetze unserer Stadt machen. Denn es sind schon Personen zu dieser Art von Mensch geworden, die viel weniger wissen oder getan haben.
Auch bin ich mir selbst im klaren darüber, dass ich wohl als guter Bürger unseres Paradies mit meinem jetztigen Wissen mich eindeutig an die Regierung wenden müsste, doch allein durch mein jetztiges Wissen verbietet genau diese Aktion mir schon mein Gewissen genauso wie es mein gesunder Menschenverstand auch tut.
Somit sollen alle Leser dieser Seiten gewarnt sein und somit über die Gefahr, welche durch das Lesen aufgewirbelt wird, Bescheid wissen.
Denn obwohl ich mir für den Leser wünsche, dass er der Versuchung wiedersteht, so wünsche ich mir doch für die Stadt, dass derjenige die Einträge nicht nur liest und auch versteht, sondern damit auch an die Öffentlichkeit geht. Damit will ich ausdrücken, dass ich hoffe, wenn der Fall eintritt, vor dem ich mich so sehr fürchte, dass ich meine Gedanken überhaupt aufs Papier bringen muss, diesen Band an jemanden weiter geben zu können, welcher mehr Mut besitzt, als ich sie aufzuweisen habe.
Der bestmöglichste Fall wäre es, wenn derjenige sich schon von selbst der Aufdeckung der Wahrheit verschrieben hätte. Doch ich will damit zu überschwänglich sein, denn vor allem der Mut, welcher in jedem Menschen steckt, sei er noch so winzig wie er bei mir nun einmal ist, sollte die Person zu der notwendigen Tat überreden.

Doch so langsam sollte ich beginnen.
Mein Name ist Fabian McCartney.
Ich bin kein Verbrecher noch ein Unwürdiger. Nie hatte ich vor in dieses Geheimnis der Stadt einzudringen, doch so wie viele Menschen aus dem Nordviertel war ich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.
Dabei war ich wirklich eher zufällig im Ostviertel spazieren. Meine Wohnung im Westviertel liegt nahe am Turm und so gehe ich abends nach dem Essen stets gerne noch eine kleine Runde durch das Ostviertel, da es zu diesem Zeitpunkt meiner Meinung nach dort am schönsten ist. In den restlichen Vierteln wird es erst zwei Stunden später so friedlich und ruhig, wie es dort schon um acht Uhr abends der Fall ist. Aus diesem Grund habe ich es mir über die Jahre zur Gewohnheit werden lassen im Ostviertel meine Runde zu drehen.
So war es also auch an dem verhängnisvollen Abend vor drei Wochen. Wie immer war es schon so dunkel, dass das einzige Helligkeit von den Straßenlaternen und den Häusern kam. Der Mond schien an dem Abend nicht, da er von den Wolken überdeckt worden war.
Irgendwann, ich meine schon auf meinem Rückweg, fuhr ein Auto an mir vorbei und hielt schließlich vor einer Einfahrt. Drei Männer stiegen aus und mich beschlich ein ungutes Gefühl. Hart klopften zwei der drei gegen die Haustür des Hauses.
Ich versuchte mich wieder zu beruhigen, auch wenn mich das grobe Verhalten der Männer verwunderte. Möglichst normal ging ich gemächlich weiter. Gerade so weit, dass ich den erschrockenen Gesichtsausdruck des Mannes sah, als er die Tür öffnete. Langsam wurde mir klar, dass dies kein gewöhnlicher Besuch ist und wirklich irgendetwas im Busch zu sein schien.
Irgendetwas in mir brachte mich dazu mich hinter einem der Autos zu verstecken.
Dies war wohl der größte Fehler meines ganzen Lebens.
So aber wurde ich Zeuge eines Verbrechens. Meinen Augen wollte ich erst nicht trauen, als ich sah, wie die zwei Männer den Mann überwältigten, einer dann ins Haus lief und die anderen beiden die Hände des Bewohners fesselten.
Gegen den Willen des Mannes zerrten sie ihn zu dem Auto und drückten ihn gegen die eine Autotür. Der Mann, welcher in das Haus eingetreten war, trat kurz darauf zu ihnen. Unter seinem Arm trug er eine gelbliche Mappe, welche er dem Bewohner vor die Nase hielt. Seine Reaktion konnte ich daraufhin nicht erkennen, doch seine zittrige Stimme brannte sich in mein Gedächnis.
Wütend wurde er gefragt, ob er wisse, was dies sei. Seine Antwort kam leise und zögernd hervor. Erst stellte er sich dumm, doch ein Schlag in den Bauch brachte ihn dazu die Wahrheit zu sagen: "Das ist eine Mappe gefüllt mit Dokumenten, welche über die Zahlen der unwürdigen Menschen aus den vergangenen fünf Jahren Auskunft geben. Sowie die Personen, welche dieses Jahr aus dem Weg geschafft werden sollen, indem sie zu Unwürdigen degradiert werden. Dies ist meine Arbeit, ich helfe der Regierung dabei nicht den Überblick zu verlieren und die Aufträge im vorhinein zu verschriftlichen."
Zufrieden nickte der Mann und ich fragte mich, ob diese Männer nicht möglicherweise den Rebellen, welche es Gerüchten zufolge geben sollte, gehörten. Allein die Tatsache, dass der Mann 'aus dem Weg schaffen' nutzte, hörte sich nach meine Auffassung der Regeln falsch an.
"Welche Personen aus deinem nahem Unkreis sollten in diesen Dokumenten zu finden sein?"
"Ich bin mich nicht sicher, was Sie meinen, Sir."
"Ach wissen Sie das nicht, Hektor? Sie wissen also nichts davon, dass jemand ihre Verlobte sowie die Schwester dieser genannten Verlobte von der Liste, welche nur einer Person zugesendet wurde, gelöscht wurde und somit nicht in ihre Mappe mit aufgenommen wurden?" der Verhörer betonte jedes 'Sie' besonders und wurde zum Ende hin immer lauter. Nicht nur ich bekam es mit der Angst zu tun, auch das Gesicht von Hektor wurde immer bleicher. Dieser wagte es gar nicht seinen Kopf zu schütteln, sondern blieb einfach still.
"Antworte gefälligst!"
"Sie haben Recht, Mr. Fellers. Ich habe gegen mein Recht verstoßen und somit meiner Verlobten Finja und ihrer Schwester Ann eine Möglichkeit gegeben sich dem Gesetzt zu entziehen. Doch ich habe ihnen zu verstehen gegeben, dass sie nicht mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen und dies war doch der Grund, weswegen der Präsident sie aus dem Weg schaffen wollte." versuchte er sich noch zu verteidigen.
"Dann hat der Präsident aber doch Glück gehabt, dass ich ein so gutes Gedächnis habe, meinst du nicht auch? Du wirst dich doch bestimmt freuen zu hören, dass du mit den beiden Damen zusammen ins Nordviertel ziehen darfst." hämisch lachte Mr. Fellers auf und deutete den anderen beiden Wächtern an ihn ins Auto zu verfrachten.
Er war der Letzte, der ins Auto stieg. Vorher drehte er sich noch einmal im Kreis und verharrte einen kurzen Augenblick an der Stelle, an der ich mich befand. Sein Blick bohrte sich in mich, obwohl ich mir todsicher war, dass die Dunkelheit mich verschlang. Dann drehte er sich aber um und das Auto fuhr davon. Ich aber blieb noch kurz stehen und versuchte das zu verarbeiten, was sich gerade vor meinen Augen abspielte.

Wenn ich das sagen darf, ich meine, dass ich es noch immer nicht vollständig verarbeitet habe, dabei ist dieser Abend nun schon zwei Jahre her.

Fabian McCartney


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