Plötzlich fiel mir auf, dass ich mit meinem Satz die Wahrheit ausgesprochen hatte. Es war wirklich wahr, dass ich das kleine naive Mädchen von früher vermisste. Meine Augen schließen sich und das Gefühl von Geborgenheit blieb.
Die Sache war, dass ich dieses Gefühl der Geborgenheit in den letzten Wochen immer abwesend gewesen. Dabei hatte ich mich in den früher immer wohl gefühlt in dieser Stadt. Auch mein ganzes Haus gehörte zu meiner Komfortzone, doch dies hatte sich verändert. Der einzige Ort, an dem ich mich noch einigermaßen sicher fühlte, war ihr eigenes Zimmer. Dennoch war es auch in diesem Raum nicht mehr wie früher, dieser Tatsache musste ich mich gerade stellen.
"Du magst also jetzt meinenLieblingsplatz so gerne, dass du hier anfangen kannst zu atmen."
Seine Finger kreisten durch meine Haare und hinterließen ein Kribbeln auf meinem ganzen Körper.
Es war ganz so, als würden tausend kleine sechsbeinige Tiere über meinen Rücken krabbeln. Ich kannte dieses Gefühl nicht, noch nie hatte sie davon gehört, dass soetwas passieren konnte. Doch auch diese Aussage zeigte nur die halbe Wahrheit, zwar hatte ich es noch nie von jemanden gehört, doch hatte ich davon gelesen. Doch niemals hatte ich es bisher nur in den Büchern von Fabian gelesen. Damit war dies wohl ein Zeichen dafür, dass genau solche Gefühle auch verboten waren in dieser Stadt.
Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel mir auf, dass auch meine Schwester, wenn sie zwischendurch mal von ihrer Liebe zu ihrem Ehemann gesprochen hatte, hatte sie meistens von einem Gefühl der Zuneigung geredet hatte.
Nie hatte sie von ähnlichen Empfindungen etwas verläutern lassen, damit schien sie vielleicht gar nicht die Liebe, die zwischen einem Ehepaar herschen sollte, fühlen.
Auch meine Eltern fühlten eindeutig nicht, die wahre Liebe zueinander. Ihre Ehe war schließlich nur das beste Arrangement, was sie haben konnten. Doch ich wusste, dass, sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter zufrieden mit dem ihr bekannten waren.
Jetzt wo ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich eigentlich nur Paare kannte, die aus dem Bedenken der jeweiligen Vorteile für die zwei Parteien entstanden war.
Theoretisch war selbst die Ehe meiner Schwester von ihren Eltern arrangiert war, obwohl Annabeth davon wohl nichts wusste. Dennoch konnte ich mich noch gut an das erste Zusammentreffen der beiden. Lange gingen die beiden zwar in den gleichen Jahrgang. Nur hatten sie bis zu der Zeugneisvergabe nicht ein Wort miteinander getauscht. Dann kam es zu dem genannten Anlass und meine Eltern hatten damals nichtmal eine Woche im Vorhinein Alexanders Eltern kennengelernt. Die Forbs erfuhren dabei von der vielversprochenen Zukunft des Sohnes der Crowes und entschieden in diesem Moment, dass sie ihre neuen Bekannten mit ihrer liebsten Tochter begrüßen mussten. Somit hatten meine Eltern die Begegnung eingefädelt und dies hätten sie bestimmt nicht getan, wenn Alexander keine so fantastische Zukunft in Aussicht hatte.
"Woran denkst du Cyana?" flüsterte mir Miles ins Ohr und holte mich aus den Gedanken.
"Kennst du deinen Vater?"
"Er war ein Arsch."
Er kannte ihn also scheinbar. Damit war seine Mutter zumindest nicht von Anfang an alleinerziehend gewesen. "Ich frage mich, ob ich jemanden kenne, der seinen Partner oder seine Partnerin wirklich geliebt hat beziehungsweise noch wahrhaftig liebt. Meine Eltern haben es nie getan."
"Sie hat ihn geliebt. Mehr als alles andere auf dieser Welt und dann ist er einfach abgehauen."
Seine Finger hatten aufgehört durch meine Haare zu fahren. Also öffnete ich meine Augen, um ihn anzuschauen. Sein Blick sah wütend und traurig aus.
"Er hat euch also allein gelassen."
Er nickte nur, wobei sein Mund sich zusammen kniff.
Scheinbar war dies eine offene, noch schmerzende Wunde. Aber mich verwunderte es nicht, da ich gesehen hatte, wie seine Familie lebte und wie es aussah, lag die Schuld dafür an seinem Vater.
"Lieben sich deine Eltern nicht?" fragte nun er mich, da er wohl den Grund meiner Frage verstanden hatte.
Nun war ich es die den Kopf schüttelte. "Nein, nicht so. Sie sind eher die beste Wahl füreinander und das hat sie zu Freunden gemacht. Doch lieben tun sie sich nicht."
Ich richtete mich auf und setzte mich aufrecht hin. Er hob seinen Arm und ich lehnte mich an.
Auch dies fühlte sich schön an und vor allem war es eine Art Trost. Die Erkenntnis, dass meine Eltern und meine Schwester Ehen führten, welche das Wort nicht verdienten, machte mir irgendwie zu schaffen.
War eine arrangierte Ehe vielleicht die Normalität? Möglicherweise schickte es sich sogar? Doch ich konnte den Sinn nicht sehen. Für mich war es immer ein Traun meine große Liebe kennenzulernen und dann mit ihr alt zu werden. Meine Schwester hatte ihre Liebe vielleicht in ihrem Arrangement gefunden. Aber ich musste weiterhin hoffen und warten, damit fühlte ich mich aber auf verquere Weise glücklich. Ich suchte gerne auch noch länger, solange ich nicht so endete wie alle aus meiner Familie.
Das Einzige, was ich nun traurig fand, war der Gedanke, dass die Liebe in dieser Stadt verschändet und unterdrückt wurde.
"Warst du schon einmal so richtig verliebt?"
Er zuckte mit den Schultern. "Was heißt so richtig verliebt?"
"Das Kribbeln im Bauch, das man sich wohl fühlt, sobald man die Person sieht. Das alles nenne ich richtig verliebt sein."
"Ja vielleicht habe ich dies schon einmal gefühlt."
Eine Nadel traf mich irgendwo im Inneren meines Körpers und das Stechen verschwand leider nicht sofort wieder. Von selbst rückte mein Körper ein Stück von Miles weg. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und versuchte möglichst unauffällig einmal durch zu atmen. Miles hatte also schon einmal Liebe empfunden und dabei hatte ich wohl eher gehofft das Gegenteil zu hören.
"Die Nacht ist echt wunderschön nicht wahr? Nie fühlt man sich so klein und frei, als wenn man uwar nur ein kleiner Teil von etwas ist, dennoch alles möglich ist. Echt einfach nur fantastisch." nun konnte ich wieder frei atmen, denn seine Antwort hatte mir zum zweiten Mal an diesem Tag die Fähigkeit zu atmen genommen.
Doch auch wenn die Verdrängung seines Satzes half, konnte ich mich trotzdem nicht dazu überwinden wieder näher zu ihm zu rutschen.
Gerade, als ich überlegte, es doch zu tun, leuchtete der Schein einer Taschenlampe auf uns. "Wer auch immer auf dem Dach der Bibliothek ist, sofort runterkommen. Das ist nicht gestattet!" schrie eine tiefe Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam, zu uns herauf.
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...