Kapitel 18

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Auch nach weiteren vier Tagen hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer, was an diesem Mittwoch geschehen war. Die letzten vier Tage hatte ich mich bei der Bibliothek krank gemeldet und meine Arbeit einfach liegen gelassen. Jeden Morgen bin ich aufgestanden und habe nach einer halben Stunde das Haus verlassen. Danach bin ich den ganzen Tag lang durch die Straßen von unserer Stadt geirrt. Immer auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib meines besten Freundes lief ich umher. Langsam kannte ich die Umgebung des Geschäftes in und auswendig, doch jeden Morgen musste ich damit leben, dass es scheinbar immer noch nichts Neues von ihm gab. Jeden neuen Morgen wurde meine Hoffnung, ihn einfach im Laden zu sehen und zu erkennen, dass die Zeit ohne ihn nur ein Albtraum gewesen war, zunichte gemacht.
Trotzdem schien mein Herz auch nicht an diesen Enttäuschungen zu lernen, denn ich spürte dennoch jeden Morgen diese Hoffnung auf ein Neues in mir.
Aber heute Morgen war dies anders. Heute Morgen wurde ich nicht von den Sonnenstrahlen geweckt, denn am heutigen Tage trat meine Mutter in mein Zimmer und weckte mich. Es war Sonntag. Aber es war nicht irgendein Sonntag, es war der dritte Sonntag im Monat. Dies konnte ich direkt an dem Outfit meiner Mutter erkennen.
Mal wieder hatte sie sich ein neues Kleid für heute angeschafft. Es war in zitronengelb getönt und lag eng an ihrer Haut an. An der Teile besaß es Rechtecke in dunkleren Tönen. Der Rock des Kleides war wie sonst auch immer ein Bleistiftrock. Dieses Kleid erinnerte mich stark an die anderen Kleider in ihrem Kleiderschrank. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass meine Mutter nicht nur von Stil ähnliche Kleider in ihrem Schrank hängen hatte, sondern das insgesamt jedes ihrer Kleider außer in der Farben vollkommen identisch zueinander waren.
Ihre Haare waren in einer strengen Hochsteckfrisur nach hinten gesteckt worden. Selbst die kleinsten Strähnen wurden mit kleinen Klammern und Haarspray an Ort und Stelle gehalten. Ihr Gesicht war leicht geschminkt und dadurch, dass alles an ihr so gradlinig saß, erschauderte ich leicht. Noch nie kam meine Mutter so kalt und streng rüber wie heute.
Auch als sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen, erkannte ich nicht das kleinste Stück meiner Mutter in der Frau vor mir wieder. "Zieh dir was Schönes an. Vielleicht fällt heute ja der Blick eines Junges auf dich, da willst du doch gut aussehen."
Verdattert blickte ich der Frau, die meine Mutter war, hinterher. In meinen Gedanken verglich ich sie mit den Müttern aus Fabians Büchern. Dann erinnerte ich mich an früher und mir fiel auf, dass meine Mutter schon immer so war. So starr und kühl, doch damals war dieses Verhalten ein Zeichen von ihrer Perfektion für mich gewesen, doch nun wünschte ich mir eine andere Mutter. Ich wünschte mir eine Mutter, die bemerkte, dass es mir gerade miserabel ging und mich deswegen in den Arm nahm. Natürlich wusste ich, dass meinen Eltern meine Stimmung aufgefallen war, doch ich wusste auch, dass sie einfach so weiter machten als wäre nichts. Schließlich war eine unglückliche Tochter nicht das Bild der Perfektion, es war nicht das Bild des Paradieses.
Seufzend stand ich auf und schlug die Bettdecke zur Seite. Dann tapste ich zu meinem Kleiderschrank, um mir etwas zum Anziehen rauszusuchen. Dabei fiel mein Blick mal wieder auf die beiden Kisten aus Fabians Laden. Ich hatte beide Kisten noch nicht angerührt und jedes Mal wenn ich sie sah, verschob ich es ein weiteres Mal. Zurzeit war ich einfach noch nicht dafür bereit. Ich wollte erst sicher sein, was genau geschehen war, bevor ich den Inhalt der Kisten begutachtete. Doch auf der anderen Seite war ich trotzdem schon ziemlich neugierig, was vor allem in der Kiste vom Tresen war. Nur war meine Trauer größer und mächtiger als meine Neugier, also blieben die Kisten erst einmal im Kleiderschrank stehen.
Mit meiner ganzen geistigen Kraft riss ich meinen Blick von den Truhen weg und wandte mich meiner Kleidung zu. Schnell hatte ich mich dazu entschieden kein Kleid sondern eine einfache Jeanshose mit einem schöneren blusenähnlichen Oberteil zu kombinieren. Dazu legte ich mir noch einen Blazer um die Schultern und trat dann nach unten zu meinen Eltern.
Mein Vater trug wie immer einen Anzug, ich sah ihn insgesamt nur sehr selten ohne einen Anzug das Haus verlassen. Doch an den besonderen Sonntagen trug er zu den Anzügen stets noch eine Fliege um den Hals. Ich fand dieses Outfit schon immer etwas speziell dennoch musste ich zugeben, dass meine Eltern stets perfekt harmonierten mit ihren Klamotten. Die heutige Fliege war mit der Farbe von Mutters Kleid perfekt abgestimmt und mal wieder fiel mir auf, dass ich wie immer was mein Erscheinungsbild anging aus der Reihe fiel. Denn während mein Vater, meine Mutter, meine Schwester und ihr Ehemann alle irgendetwas Zitronenfarbenes in ihrer Kleidungswahl hatte, passte sich mein beiges Oberteil, der weiße Blazer und meine Jeans sogar nicht zu dieser Farbe.
Meine Mutter hieß mich kopfschüttelnd unten willkommen und auch meine Schwester schien mal wieder nicht zufrieden mit meiner Kleiderwahl zu sein. Mein Vater hingegen schüttelte zwar seinen Kopf, aber sein Grinsen verriet ihn. Er war eindeutig eher belustigt als verärgert und half mir direkt wieder aus der Patsche. Denn er scheuchte uns alle auf zum Aufbruch, bevor seine andere Tochter und seine geliebte Frau mit mir schimpfen konnten. Beim Vorbeigehen bedankte ich mich schnell bei ihm und konnte mir auch kein Lächeln mehr verkneifen.
Bei der Halle im Ostviertel angekommen nahmen wir direkt unsere Plätze ein. Wir waren etwas spät und deswegen fing kurz nach unserem Erscheinen auch schon die Ansprache unseres Präsidenten.
Zu Beginn sprach er von irgendeiner wirtschaftlichen Verbesserung, doch davon verstand ich kein einziges Wort. Dann sprach er von den neuen Entwicklungen unserer Stadt. "Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, wurden in letzter Zeit nur wenige neue Unwürdige gefunden. Diese Entwicklung empfinden wir als hervorragend. Deswegen wollen wir heute unseren besten Beschützern eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen. Denn sie haben uns auch in den schlimmeren Zeiten vor den negativen Auswirkungen der Unwürdigen beschützt und tun dies auch heute noch. Auf Grund dessen darf ich heute stolz diese Anhänger an ihre tapfersten Retter verleihen."
Das Videobild schwankte und eine Reihe von Wächtern wurde gezeigt. Jeder Wächter hatte sein Kinn stolz erhoben und streckte seine Brust nach vorne. Die Kamera fuhr einmal an jedem Wächter vorbei, während der Präsident Anhänger an ihre Uniform steckte.
Auf einmal stockte mein Atem. Ich erkannte den einen Wächter und meine Brust schnürte sich zusammen. Gerade wurde der Wächter als besonders Würdig ausgezeichnet, der vor gerade einmal einem Monat dieses arme Mädchen fast vergewaltigt hatte.
Meine Hände formten sich zu Fäusten und Wut keimte in mir auf. Diese Wut tauchte meine Sicht rot und fast hätte ich deswegen meinen Blick von der Leinwand genommen. Aber zum Glück nur fast, denn bei der Auszeichnung dort vorne erkannte ich noch einen der Wächter.
Diesen Mann, der gerade von unserem Präsidenten geehrt wurde, war der gleiche Mann, den ich vor fünf Tagen vor Fabians Laden gesehen hatte.
Die Wut in mir stieg immer weiter an und meine Sicht wurde schwarz. Ich konnte nicht mehr klar denken, das Einzige, was ich noch vor mir sah, waren diese beiden Männer. Wiederholt konnte ich mit ansehen, wie dieses Mädchen geschändet wurde und wie dieser Mann Fabians Schätze fort trug.
Wütend stand ich auf und verließ meinen Platz. Mit lauten, hallenden Schritten stapfte ich zur Hallentür und verließ sie Versammlung. Mir waren die vielen Blicke, die mich bei meiner Tat verfolgten, deutlich bewusst, aber mir fehlte in diesem Moment einfach der Nerv, um mir darüber Gedanken zu machen.
Draußen an der frischen Luft konnte ich endlich wieder frei atmen und dennoch lief ich einfach weiter. Meine Füße flogen über den Asphalt und trugen mich durch die Straßen bis zum Nordviertel. Erst dort hörte ich auf zu laufen und ging von dort aus normal weiter. Mein Ziel war fest vor meinen inneren Augen.
Plötzlich wurde mein Weg abrupt gestoppt, als ich gegen etwas Hartes lief.


Wer ist das wohl?

Habt ihr dies erwartet?

Was denkt ihr passiert jetzt?

Meine Austaschpartnerin ist nun schon seit fast einer Woche bei uns und bleibt auch noch etwas. Deswegen werde ich in den nächsten vier Wochen wohl nicht so wirklich zum Schreiben kommen. Doch keine Angst, die letzten Wochen habe ich größteils damit verbracht meine Geschichte weiterzuschreiben. Das bedeutet, dass ich nun schon bei jeder Geschichte sechs Kapitel vorgeschrieben habe (zwei davon sind schon einmal für meinen Urlaub). Dies heißt also, dass ihr dennoch weiterlesen können werdet. Nur lese ich meist einmal über meine Kapitel drüber, mal mehr mal weniger, bevor ich sie dann wirklich veröffentliche, und ich das wohl nicht unbedingt schaffen werde. Seid deswegen nicht aufgrund von Fehlern verschreckt. Ich werde das nachholen... Wahrscheinlich erst in sechs Wochen, aber immerhin. Freut euch lieber über die Kapitel

~Liv

PS: Beantwortet meine Fragen bitte. Es interessiert mich brennend (vor allem die letzte Frage finde ich spannend)...


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