Kapitel 24

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Als ich aufstand, weil ich fand, dass ich mich wohl oder übel in meinem Leben wiederfinden musste, fiel ein Buch aus dem Bücherregal. Genervt hob ich es auf und wollte es wieder zuschlagen, da es bei der Landung aufgeschlagen hatte und nun falsch herum und aufgeschlagen auf dem Boden lag. Doch da flog ein Zettel aus den Seiten und ganz langsam segelte der Zettel nach unten auf den Boden. Schnell stellte ich das Buch an seinen Platz zurück und hob das Papierstück auf. Es war einmal zusammengefaltet worden und es erinnerte mich ein bisschen an die Briefchen, die man sich in der Schulzeit immer geschrieben hatte. Auf der einen Seite des zusammengeklappten Papieres stand ein Name. Cyana.
Verwirrung breitete sich in mir auf. Warum war dieser Zettel an mich gerichtet und von wem war er? Als ich den Zettel auseinander faltete, sah ich einen kurzen Text dort stehen.
"Das Unmögliche zu schaffen, gelingt einem nur, wenn man es für möglich befindet."
Immer wieder las ich den Satz, den ich schon so häufig gelesen und vorgelesen hatte. Doch warum er dort stand und von wem der Satz kommen könnte, konnte ich mir einfach nicht erklären. Dann entdeckte ich noch etwas anderes ganz unten in der Ecke des Zettel stehen. Es war nicht viel, doch es beantwortete meine Fragen mit einem Schlag. Ein kleiner Buchstabe reichte aus mein Herz schneller schlagen zu lassen und ein Kribbel in meinem Bauch hervorzurufen. Dieses 'M' veränderte mein Leben.
Der Zettel kam von Miles und es blieb nicht der Einzige. Von dem Tag an fand ich jeden Tag einen Neuen. Sie steckten stets zwischen den Seiten von irgendwelchen Büchern. Es war ein Wunder, dass ich sie fand, doch kein Tag verging ohne eine Nachricht von ihm.
Auch die Nachrichten waren in ihrem Ursprung stets ähnlich. Sie waren immer Zitate aus meinen beiden Lieblingsbüchern und auch seine Signatur fand sie immer in der einen unteren Ecke. Die Zettel selbst sammelte ich bei mir Zuhause in einer kleinen Schatulle, welche ich hütete, als wäre sie mein größter Schatz.
Mit der Zeit veränderten sich die Sätze, die er mir schickte. Sie wurden privater und mit der Zeit verstand ich ihren Sinn immer mehr. Denn sie drehten sich um ihn. Er vertraute mir und ich vertraute ihm. Aber vor allem vermisste ich ihn und auch meine Fragen über ihn wurden immer präsenter in den Gedanken. Dennoch konnte ich auch die anderen Fragen, die sich um die Stadt drehten nicht abstellen. Auch diese waren noch da und so bemerkte meine Umgebung die Veränderung bei mir. Sie bemerkten, dass ich häufig nicht vollständig bei ihnen war und es dauerte nicht lange, bis mich meine Eltern besorgt drauf ansprachen. Nur war es aus meiner Sicht kein Problem, dass ich mich so sehr verändert hatte. So war ich zurzeit am überlegen, ob ich überhaupt noch Lust auf das Medizin Studium hatte oder ich nicht etwas anderes viel lieber machen wollte.
Schließlich ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich immer noch den Menschen helfen wollte, diese Menschen nur längst nicht mehr die Bewohner von Paradies waren sondern viel mehr die Unwürdigen der Stadt. Denn sie waren es, die wirklich Hilfe benötigten. Ich hatte schon bemerkt, wie viele arme und krankhaft aussehende Personen durch die Straßen des Nordviertels liefen. Nicht selten waren es noch kleine Kinder, die mit zerrissenen Kleidern und dreckiger Haut durch die Gassen an mir vorbeiliefen. Jedes Mal zerriss dieser Anblick mein Herz und ich fühlte mich so schlecht wie sonst nie. Mein ganzes Leben hatte ich genug. Nie fehlte es mir an etwas und diese Kinder hatten nicht mal mehr genug Geld übrig um neue Kleider zu bekommen.
Wir lebten im Paradies und sie schienen in der Hölle zu leben, aber war es nicht falsch die Hölle zuzulassen. Man sollte das Böse abwenden und dafür sollte jeder etwas tun. Ich musste dafür etwas machen. Denn ich hatte genug, sogar zu viel.
Mein Vorhaben passte zu Miles Zettel, den ich heute gefunden hatte. "Um etwas zu verändern braucht man jeden Einzelnen, doch irgendwer muss immer beginnen, sodass es überhaupt zu einer Veränderung kommt." Es stimmte, wenn niemand begann etwas zu tun, konnte es niemals zu einer Veränderung kommen.
Vielleicht lag es an mir die Erste zu sein.
So begann ein neuer Lebensabschnitt. Ich nahm das Erbe von Fabian an. Er wollte die Menschen retten, deswegen betrieb er seinen Laden, denn nach ihm war die Fantasie die einzige Rettung vor der dunklen Realität und er hatte Recht behalten. Ich konnte zwar nicht auf diese Weise helfen, doch ich hatte eine andere Möglichkeit, die kein Unwürdiger besaß.
Ich war eine Würdige und dies bedeutete, dass ich Geld besaß.
Mein erster Schritt war es meinen Kleiderschrank auszusortieren. Dort lagen so viele unbenutzte Kleidungsstücke, die ich schon lange nicht mehr getragen hatte, obwohl sie eigentlich noch gut waren. Die Stücke, die man gut im Alltag tragen konnte, nahm ich direkt mit und den Rest brachte ich zu einem Laden im Südviertel, denn der verkaufte diese weiter und ich bekam direkt neues Geld von ihnen für diese Kleider. Für dieses Geld kaufte ich neue Kleider.
Nachdem ich dies getan hatte, brachte ich alle in Fabians Laden und legte sie dort aus. Danach kaufte ich noch etwas Essen im Supermarkt und brachte auch dies in das Geschäft, welches ich vorher erstmal etwas aufgeräumt und umgeräumt hatte. Ein Schild hatte ich auch in das Schaufenster gehängt.
Es dauerte nicht lange und schon hatte ich jeden Tag viele Kunden, obwohl ich immer nur nachmittags verkaufen konnte. Besonders geliebt war das Essen, welches genau wie die Kleider für fast nichts verkaufte. Das Geld, welches ich verdiente, landete in einer kleinen Dose und diese war für etwas Besonderes gedacht. Ich hatte etwas gefunden, was mich glücklich machte und ich liebte es besonders dafür, dass ich auch andere ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern konnte.
Eines Tages trat kurz vor Ladenschluss eine ältere Frau ein. Sie wirkte geschwächt tiefe Falten ließen sie älter wirken als sie war. Man konnte direkt sehen, dass sie ein schweres Leben besaß.
"Guten Abend, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Bist du die gute Fee von der jeder spricht?" freundlich lächelte sie mich an und ließ mein Herz erstrahlen.
"Ganz bestimmt nicht, denn ich versuche nur zu helfen. Eigentlich wollte ich gerade den Laden schließen, deswegen können sie meinetwegen das übrig gebliebene Essen bekommen."
"Das wäre echt lieb von dir Kindchen. Doch in Wirklichkeit hatte ich gehofft etwas anderes zu finden. Mein jüngster Sohn hat heute Geburtstag und ich habe leider nichts für ihn." traurig blickte sie nach unten.
Mein Herz wurde schwer und ich überlegte, wie ich helfen könnte. Denn vor meinem Auge war direkt der kleine Bruder von Miles erschienen und ich hatte das Bedürfnis diesem Jungen einen wundervollen Geburtstag zu bescheren. Nur hatte ich hier nichts weiter als Essen, denn die Kleider waren heute alle verkauft worden und ich müsste erst Neue kaufen gehen. Doch dann viel mir etwas Anderes ein. Ein Griff in meine Tasche genügte und ich holte mein Lieblingsbuch hervor, welches ich immer noch jeden Tag mit durch die Gegend schleppte.
Dazu machte ich noch meine Diamantkette los und übergab alles der Frau. Diese schaute mich mit großen Augen an und bedankte sich überschwänglich bei mir. Wahrscheinlich hatte sie noch nie etwas so wertvolles in der Hand gehalten, dabei war es für mich nur eine Kette von vielen.
"Behalten sie sie damit ihre Kinder eine schöne Zukunft haben werden."
"Leider ist es für meinen Ältesten schon zu spät, doch ich danke dir für alles. Das ist so viel mehr als ich zu hoffen gewagt hatte."
Plötzlich fand ich mich in ihren Armen wieder. "Irgendwer muss doch mit der Veränderung beginnen."
"Möge dich dein gutes Herz nie verlassen, liebes Kind."
Mit diesen Worten trat die Dame ihren Weg nach Hause an.
Am nächsten Tag ereilte mich ein neuer Brief von Miles. "Ich danke dir gute Fee. Vielleicht fliegt sie heute Abend mit mir über die Stadt? Ich werde auf sie am schönsten Platz von der Welt warten. Dein Fremder."
Ein Lächeln schlich sich auf meinen Mund und mein ganzer Körper begann zu Kribbeln.
Den Plan für den heutigen Abend hatte ich wohl gerade gefunden. Denn ich würde mich mit meinem Fremden treffen.

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