Kapitel 52

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Aber die Frage nach dem 'Wer?' war jetzt auch überhaupt nicht relevant. Wir hatten schließlich nun ein riesiges Problem am Hals. Wahrscheinlich hatte uns das Glück langsam den Rücken zu gewannt. Ich holte in Rekordzeit die Karte aus dem Sack auf meinem Rücken und schlug sie noch im Gehen auf. Denn auch Miles hatte schnell eins und eins zusammengezählt und auch ihm war somit mehr als nur klar, in was für einer schlechten Situation wir beide uns befanden. Seine Hand um meinen Oberarm gedrückt führte er mich durch das Loch, während ich nicht einmal meinen Blick hob. In den letzten Stunden hatte ich gelernt, dass ich ihm wirklich blind vertrauen konnte.
Vielleicht wäre es auch schon gut gewesen, wenn ich dies schon vor Wochen gewusst hätte. Was ich damit meinte war, dass selbst seine Straftat, vor der ich mich innnerlich immer gegraut hatte, nicht einmal in seiner Akte verzeichnet war, Möglicherweise hatte er auch bisher gar nichts wirklich Kriminelles gemacht, obwohl ich daran mehr als nur zweifelte. Ich kannte ihn mitlerweise gut genug, um fast loslachen zu müssen, als ich diese Möglichkeit in Betracht zog. Es konnte nicht stimmen, dass seine 'Gene' allein für seinen Stempel als zweiunzwanzigjähriger Unwürdiger verantwortlich waren. Neben der Tatsache, dass ich dies als Unwahrscheinlich bei seiner Persönlichkeit hilet, wäre dies einfach auch nicht fair. Niemand sollte aufgrund von seinen Genen zu einem schlechteren Leben herab gestuft werden.
Aber diese Frage würde ich ihm wohl erst nach dieser letzten Aktion fragen können. Langsam schlich sich eine weitere Frage in meinen Gedanken in den Vordergrund. Was würden wir nach einer erfolgreichen Flucht unternehmen?
Wie sollten wir mit der neuen Information, dass wir nicht die einzigen Menschen waren, umgehen? Meiner Meinung nach sollten wir wohl versuchen damit an die Öffentlichkeit zu gehen, aber wie könnten wir das einfädeln.
Zum Glück riss Miles mich aus meinem Gedankenstrudel, indem sein Griff um meinen Arm noch einmal fester wurde und es mir langsam fast weh tat.
Aber beschweren wollte ich mich auch nicht, denn dafür half es mir einfach zu gut, dass er mich hinter sich her zog. Durch ihn waren wir schneller, da ich viel zu sehr in der Karte vertieft war. Wirklich ich dankte Gott, oder wem auch immer, dafür, dass ich diese Karte gefunden habe. Nur fand ich leider nicht so auf die Schnelle einen perfekten Fluchtweg. Innerlich fluchte ich über meine eigene Dummheit. Alles habe ich geplant, vom ersten Schritt bis zum Letzten ins Archiv.
Über die Notwendigkeit eines Notfallplanes und einem dazu gehörenden Fluchtweges habe ich mir keinerlei Gedanken gamacht. Dies war eigene Dummheit und schon immer hasste ich es Schuld am Scheitern zu sein.
Meine Augen huschten über das Blatt. Jeden einzelnen Gang durchforstete ich, aber egal wie häufig ich dies machte, so kam ich dennoch wieder zu dem Entschluss, dass dieser verdammte Turm nur einen Ein- und Ausgang hatte.
Theoretisch war dies gut durchdacht, denn so mussten die Wächter nur darauf warten, dass die Eindringlinge wieder an die frische Luft traten. Doch für uns war diese Bauweise nun unsere Falle.
Mit einem lauten Fluchen faltete ich die Karte zusammen und schaute jetzt auch einmal nach vorne. Das gesamte Treppenhaus war rot beleuchtet und ein in den Ohren wiederlich klingender Ton durchhallte es. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, doch ich traute mich irgendwie nicht.
Dafür hätte ich Miles loslassen müssen und das war wirklich das Letzte, was ich in diesem Moment machen wollte. Die Angst strömte gleichzeitig mit dem Adrealin durch meine Adern. Meine ersten Erfahrungen mit diesem Hormon waren allesamt nichts gegenüber diese Situation. Ich fühlte Angst, Panik und Aufregung zu gleich. Jeder meiner fünf Sinne war vollkommen einsatzbereit. Innerhalb von Sekunden hatte ich mich wieder zurecht gefunden.
Meine Füße flogen fast über die Treppenstufen nach unten. Irgendwann waren wir dann wirklich angekommen. Sofort hatte ich die Tür zu der Etage erkannt. Ab hier gab es für uns zwei Möglichkeiten. Entweder wir versuchten über die Treppe weiter nach unten zu kommen, obwohl ich wusste, dass die Treppe zwar weit nach unten führte, aber auch in der ersten Etage endete. Zwischen dieser Etage und der Tür zur ersten Etage befanden sich keine weiteren Türen. Außerdem war die Tür im ersten Stock alarmgesichert. Somit wüssten die Wächter sofort, wo wir uns befinden würden, wenn wir diesen Weg wählen würden. Aber gleichzeitig war ich mir intuitiv auch ziemlich sicher, dass der Weg durch diese Tür auch nicht besonders hilfreich war. So gut wie kein Fahrstuhl fuhr, wenn ein Alarm ausgelöst war. Normalerweise würde ich das gut finden, denn bei Feuer Fahrstuhl zu fahren wäre tödlich.
Doch in diesem Moment verfluchte ich meinen Vater für diese Sicherheitsvorkehrungen, welche er vor Jahren erneuern ließ.
Panisch blickte ich Miles an. Auch er schien mit sich zu hadern. Gleichzeitig sah ich an seinem Gesichtsausdruck, dass er für alles bereit war. Seine Gesichtszüge wurden hart und seine Augen kalt. Als er seine Hand von meinem Arm löste, um eine Faust zu bilden, wurde mir augenblicklich kalt. Wir beide wussten genau in was für einer Lage wir waren.
Auf einmal drehte sich sein Kopf in Richtung Treppe. Erst verstand ich nicht wieso, doch dann hörte auch ich sie. Ich hörte Stimmen, laute Stimmen. Dazu vernahm ich schnell auch lautes Getrampel. Mindestens zehn Mann befanden sich gerade einmal ein paar Stockwerke tiefer als wir.
Schnell war meine Entscheidung gefällt. Meine Finger umschlossen die Türklinke und drückten sie nach unten. Ein bisschen Kraft benötigte ich schon um Miles zu einem Schritt zu bewegen. Rasch stolperte ich hinter ihm her und schloss die Tür wieder hinter mir. Wieder hetzte mein Blick durch den Raum. Wir mussten uns verstecken.
Die Treppe zu nehmen wäre unnötig und einfach nur dumm. Denn dann würden wir den Wächtern zu einhundert Prozent direkt in die Arme laufen. Wenn wir uns aber so gut verstecken könnten, dass sie an uns einfach vorbeilaufen, dann könnten wir vielleicht hinter ihrem Rücken gleich die Treppe hinabrennen. Das Problem mit dem Alarm wäre dann auch erst einmal geklärt, denn sie dieser wurde von ihnen selbst eben schon ausgelöst.
Wir müssten uns nur gut genug vor ihren Augen verstecken. Doch genau dort befand sich auch das Problem. Da der Turm insgesamt nur so spärlich eingerichtet war, befand sich so gut wie gar nichts zum Verstecken in den Räumen. Die Türen zu den einzelnen Räumen waren aus Glas und auch der Tresen war ein eher schlechtes Versteck.
Mein Blick huschte durch das gesamte Stockwerk und tatsächlich, im größten Büro befand sich ein Schrank und ein Sofa. Mit etwas Glück könnten wir beide uns dort verstecken.
Staub schlug mir entgegen, als ich mich unter das Sofa schob. Doch nun hieß es Zähne zusammenbeißen und hoffen. Das Sofa hatte glücklicherweise einen weißen Überzug, welcher bis zum Boden reichte, sodass man mich nicht sofort auf dem ersten Blick hin finden würde.
Nun mussten wir beide nur noch ein bisschen warten, ausharren und vor allem hoffen. Hoffentlich würde mein Plan gelingen.

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