Als ich am Morgen meine Augen öffnete, erschrak ich mich erstmal zur Tode. Denn ich wachte nicht wie erwartet in meinem Bett auf, doch nach diesem kurzen Moment der Verwirrung erinnerte ich mich an den gestrigen Tag und somit auch daran, dass ich gar nicht in meinem Bett hätte aufwachen können. Stattdessen lag ich auf einer älteren Matraze in einer kleinen Wohnung. Nachdem ich aufgestanden war, schaute ich mich erstmal in seiner Wohnung um.
Wie ich schon gestern bemerkt hatte, war sie nicht wirklich aufgeräumt. Mit jedem Schritt durch das Zimmer konnte ich seinen Geruch ausmachen und somit bestätigte sich mein Verdacht vom vorherigen Abend.
Insgesamt fiel mir vor allem die Größe der Wohnung auf. Alle Räume zusammen waren nicht größer als unser Wohnzimmer mit der offenen Küche im Anschluss. Noch nie in meinem Leben hatte ich so eine winzige Wohnung gesehen. Allein die Vorstellung nur auf so wenigen Quadratmetern wohnen zu müssen, ließ mich leicht erschaudern.
Die Küche war überraschend geputzt und ein Blick in den Kühlschrank zeigte mir, dass Miles wohl regelmäßig einkaufen ging. Von der Küche gingen aus, kam man in einen kleinen Flur mit drei Türen und der Eingangstür. Die erste Tür führte in ein schlichtes aufgeräumtes Zimmer. Das Bett in diesem Raum war gemacht und ein kleiner Schrank stand hinten in der Ecke. Für mehr gab es einfach keinen Platz.
Als nächstes trat ich in durch die zweite Tür und das erste, was ich sah, war das kleine Mädchen im unteren Bett des Stockbettes schlafen. Im oberen Bett schlief ein älteres Mädchen. Ich schätzte die beiden auf vier und zehn Jahre. Scheinbar lebte in dieser kleinen Wohnung Miles nicht komplett allein.
Leise schloss ich die Tür wieder und hoffte, dass die beiden Mädchen nicht aufwachten. Die dritte Tür eröffnete mir dan endlich mein Ziel. Das Bad. Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir. Mein Blick fiel auf mein Spiegelbild.
Ich sah genau so aus wie ich erwartet hatte. Meine Haare waren vom Schalfen verwuschelt und vom Weinen war meine Schminke verwischt. Doch lange hielt ich mich damit nicht auf.
Nachdem ich mich kurz wieder etwas frischer gemacht hatte, lief ich schnell zurück in das letzte Zimmer, also in Miles Raum. Dort erwartete mich ein kleinerer Junge mit großen braunen Augen. Sein Gesicht wurde von dunklen Locken umrahmt und ein breites Lächeln zierte seinen Mund
"Wer bist du?" fragte er mich und ließ mich erstmal tief durchatmen.
Genau wer war ich? Wer war ich, dass ich mir erlaubte durch eine fremde Wohnung zu stöbern? Diese Frage und weitere die darauf folgten konnte ich leider nicht beantworten, aber ich glaubte ehrlich gesagt nicht, dass der Junge dies wissen wollte. Ohne zu Überlegen nannte ich ihm also meinen Namen und er antwortete mir mit seinem. Danach plapperte er einfach weiter. So erfuhr ich dann, dass er Thomas hieß, sieben Jahre alt war, die beiden Mädchen seine Schwestern und Miles sein großer Bruder war.
Als sein Name erwähnt wurde, fiel mir auf, dass er gar nicht da war.
"Der ist schon los und Mama auch, die muss nämlich arbeiten."
"Und wer bringt euch dann in die Schule?"
Frangend und leicht entrüstet blickte mich der kleine Junge an. "Wir können allein in die Schule gehen! Wir sind doch schon groß."
Ich nickte und verabschiedete mich dann. Irgendwie fühlte es sich nämlich einfach nur noch falsch an. Es fühlte sich an, als würde ich mich in ein Leben, welches gar nichts mit meinem gemein hatte, einmischen. Nachdem ich das Haus verlassen hatte, verschwand dieses Gefühl glücklicherweise wieder. Doch noch immer fragte ich mich, wo Miles wohl hingegangen war. Eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass er mich einfach so dort alleine schlafen gelassen hatte. Dies kam mir wirklich suspeckt vor. Nur wollte ich diese Frage gar nicht wirklich beantwortet bekommen, denn allein der Gang durch sein Zuhause hatte mir mal wieder deutlich gemacht, wie verschieden unsere beiden Welten waren.
Mein Weg nach Hause führte mich direkt an Fabians Laden vorbei, aber dieses Mal blieb ich nicht stehen, obwohl ich ihn wohl noch nie so sehr vermisst hatte, wie gerade in diesem Moment. Denn er war leider nun einmal meine Familie geworden. Natürlich liebte ich meine Mutter, meinen Vater und meine Schwester, aber Fabian war einfach wichtiger geworden. Ich wuste wie traurig dies klang, dass ich einen alten Mann lieber mochte, als meine wirklich Familie. Aber dies lag schließlich auch nur daran, dass ich das Gefühl hatte, dass mich meine Familie im Moment nicht ganz so gut verstand.
Also war es nur natürlich, dass ich die Person vermisste, die mich am besten verstand. Jetzt, genau in diesem Moment brauchte ich ihn einfach. Deswegen blieb ich nämlich erst gar nicht stehen, denn irgendwoher wusste ich, dass ich ihn Zuhause besser wiederfinden könnte, als in diesem Laden.
Zuhause stürmte ich direkt an meiner Mutter vorbei, welche mich direkt mit Fragen empfangen hatte. Für diese Fragen hatte ich im Moment keine Zeit. Wie als würde mich irgendeine andere Kraft anziehen, wurde ich zu der Kiste in meinem Kleiderschrank angezogen. Die Klammotten, die mir im Weg hingen und lagen, schmiss ich einfach nur unachtsam auf den Boden hinter mir.
Als ich die Truhe dann aber in meine Finger nahm, bemerkte ich erst, dass sie zitterten und wie aufgeregt ich war.
Wenn ich diese Truhe öffnen würde, wäre nichts mehr von Fabian über. Er wäre vollkommen weg. Dieser Gedanke machte mir Angst, große Angst. Gleichzeitig zog mich auch wieder alles zu der Truhe hin und während sich mein Kopf dafür ins Zeug legte, dass ich den Deckel hochklappen sollte, versuchte mein Herz mich zu überzeugen, dass ich vielleicht noch warten sollte. Diese Kiste war etwas besonderes. Sie war mir von Fabian vermacht worden.
Sachte strich ich mit meinen Fingerkuppen über das Holz.
Dann entschied ich mich dagegen die Kiste zu öffnen. Mein Herz siegte über meinen Kopf. Etwas, was eigentlich nicht erwünscht war.
Wir waren nicht mehr in der Zeit des Krieges. Damals war das Herz die wichtigste Position bei Entschiedungen, doch wir lebten nach dieser Zeit. Kriege führte man aufgrund von Entscheidungen des Herzens, doch wenn man hier lebte war der Kopf stets der Gewinner bei Fragen. Damit stritten wir uns weniger und somit kam es auch nicht zu kriegen. Perfekte Liebesgeschichten gab es in unserer heutigen Zeit nicht mehr, denn viele heirateten nicht ihre große Liebe, sondern ihre beste Partie oder vielleicht noch ihren besten Freund.
Warum also stellte ich die Kiste zurück? Tief in mir kannte ich die Antwort. Denn jeder hörte lieber auf sein Herz als auf seinen Kopf.
Aber vor allem ich war eigentlich noch nie ein Person gewesen, die nur nach der besten Patie suchte, die den Kopf höher als ihr Herz stellte, gewesen. Ich hatte schon immer von der ganz großen Liebe geträumt. Tief in mir wünschte ich mir eine so schöne Geschichte, wie es sie nur in meinen Geschichten gab. Nur wusste ich, dass es soetwas nicht für mich geben würde.
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Paradise
Science FictionWie sieht das Paradies aus? Ich kann es euch sagen. Im Paradies gibt es genau fünf Regeln. Brichts du eine davon, dann verschwindest du aus unseren Reihen. Diese Regeln machen das Paradies aus. Sie machen es perfekt. Kein Ort der Welt ist so wie uns...